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HERRSCHAFT/1653: Griechische Wähler erteilen Sparregime eine Absage (SB)




Bei der griechischen Parlamentswahl haben die Regierungsparteien, die hinter dem drastischen Sparkurs stehen, dramatische Verluste erlitten. Damit haben die Wähler in beträchtlichen Anteilen dem rigorosen Zwangsregime eine Absage erteilt, das zu massenhaftem Elend ohne absehbares Ende geführt hat. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren wurden Millionen von Griechen ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die übrigen Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds haben dem Land milliardenschwere Kredite gewährt und es darüber in die Ketten der Schuldknechtschaft gelegt. Eine Troika aus Experten von EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) überwacht die Einhaltung der Auflagen und verwandelt Griechenland in ein Protektorat, das die kollaborierende Regierung in Athen auf ein Gremium von Handlangern reduziert, die dem ausländischen Diktat zuarbeiten und es gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen. Der nächste Kontrolltermin der Troika, die alle drei Monate die Verschärfung sozialer Grausamkeiten prüft, steht nach Angaben der EU-Kommission im Juni an. Sollten die Administratoren Zweifel an der Umsetzung der Auflagen geltend machen, können sie, wie das bereits geschehen ist, die Auszahlung der nächsten Kredittranchen auf Eis legen oder sogar ganz zurückhalten, um damit den Druck zu erhöhen. [1]

Die sozialdemokratische Pasok und die konservative Nea Dimokratia stellen seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 abwechselnd die Regierung. Neuwahlen waren nötig geworden, weil der sozialdemokratische Ministerpräsident Giorgios Papandreou Ende 2011 zurückgetreten war. In der Zwischenzeit hatte der Finanztechnokrat Loukas Papademos mit Unterstützung der beiden großen Traditionsparteien als Interims-Ministerpräsident das Land regiert und die wichtigen Sparbeschlüsse durch das Parlament gedrückt. [2]

Zentrales Thema im Wahlkampf war das umstrittene Sparprogramm. Konservative und Sozialdemokraten setzten sich für dessen Fortsetzung ein, die sie für alternativlos erklärten. Vor Bekanntwerden der ersten Prognosen hatten sich die Traditionsparteien noch zuversichtlich gezeigt. Der scheidende Ministerpräsident Lucas Papadimos bejahte im griechischen Fernsehen die Frage, ob das Land in der kommenden Woche eine neue Regierung haben werde. "Heute wird der Kurs des Landes für die nächsten Jahre definiert", fügte er nach seiner Stimmabgabe hinzu. Ebenfalls in einem Wahllokal erklärte der Vorsitzende der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, die Griechen wählten heute für die Zukunft ihrer Kinder: "Sie stimmen für Stabilität, für Wachstum, Sicherheit und Gerechtigkeit." Dem fügte Pasok-Chef Evangelos Venizelos hinzu, es handle sich um die kritischsten Wahlen seit 1974. Die Bürgerinnen und Bürger sollten mit Vernunft und nicht unter dem Druck der Wut ihre Stimme abgeben. [3]

Solche Appelle aus dem Mund eben jener Politiker, die zahllosen Menschen Sicherheit und Gerechtigkeit geraubt, ihren Kindern die Zukunft genommen und Unterwerfung zu einem Akt der Vernunft erklärt haben, mußten den Menschen wie Hohn in den Ohren klingen. Die Wähler erschütterten mit ihrem Votum einem Erdbeben gleich das politische Establishment und bereiteten den beiden Großparteien ein Debakel. Die Pasok, bei den vergangenen Parlamentswahlen im Jahr 2009 mit 44 Prozent noch klar auf Platz eins, fuhr offenbar das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte ein. Sie stürzte auf weit unter 20 Prozent ab und ist damit wohl erstmals seit Jahrzehnten weder Wahlsieger noch stärkste Oppositionspartei. Die Nea Dimokratia wird zwar stärkste Kraft, kommt aber nicht wesentlich über 20 Prozent hinaus, so daß die beiden Sachwalter des Sparregimes zusammen unter 40 Prozent bleiben. Damit straften die Wähler die bisherigen Regierungsparteien entschieden ab, die sich den internationalen Geldgebern angedient haben.

Das Bündnis der Linken (Syriza), das die griechischen Schulden nicht begleichen, aber im Euro-Verbund bleiben will, konnte seinen Stimmenanteil auf etwa 15 Prozent vervielfachen und offenbar zur stärksten Oppositionspartei avancieren. Die "Unabhängigen Griechen", die einen Stopp der Rückzahlung von Geldern an Banken fordern, können mit mehr als 10 Prozent der Stimmen rechnen, während die Kommunistische Partei (KKE) mit knapp unter 10 Prozent ebenfalls stark abschnitt. Erstmals ins Parlament einziehen wird allerdings auch die fachistische Partei Chrysi Avgi ("Goldene Morgenröte"), die mit ihren rassistischen und ausländerfeindlichen Parolen einen bestürzend hohen Anteil an Wählerstimmen für sich verbuchen konnte und die Dreiprozenthürde leichterdings übersprang.

Jetzt hängt einiges davon ab, wie viele der insgesamt 32 Parteien, die um die 300 Sitze im Parlament kämpfen, den Sprung über die Dreiprozenthürde geschafft haben. Gemäß griechischem Wahlrecht werden 250‍ ‍Sitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben, die wählerstärkste Partei erhält einen Bonus von 50 zusätzlichen Sitzen. Samaras hatte zwar im Wahlkampf eine Regierungsbildung mit der Pasok strikt ausgeschlossen, doch dürfte die Nea Dimokratia trotz ihrer zusätzlichen Sitze kaum um eine Koalition herumkommen, in die um der Mehrheit im Parlament willen wohl auch die Syriza einbezogen werden müßte. Mit ihr haben die beiden Traditionsparteien zumindest gemein, daß sie sich für den Verbleib Griechenlands in EU und Eurozone ausgesprochen haben. Sollten die Gespräche über eine Regierungsbildung scheitern, wären die rund 9,7 Millionen wahlberechtigten Griechinnen und Griechen zu einem erneuten Urnengang aufgerufen.

Fußnoten:

[1]‍ ‍http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/griechenland-die-mehrheit-fuer-den-sparkurs-ist-in-gefahr-11742031.html

[2]‍ ‍http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-05/griechenland-parlamentswahl

[3]‍ ‍http://www.abendblatt.de/politik/article2267834/Regierungsparteien-abgestraft-Droht-die-Staatspleite.html

6.‍ ‍Mai 2012