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PROPAGANDA/1313: Gewaltverhältnis zugunsten Israels egalisiert (SB)



Angesichts der von Israel verhängten Einreisesperre für Journalisten ist die Berichterstattung über den Krieg im Gazastreifen selbst zu einem Thema geworden. Allerdings bleibt die Debatte auf die Verfügbarkeit von Informationen aus dem Kriegsgebiet beschränkt und resultiert in der Regel in der Feststellung, daß beide Seiten nach Kräften versuchten, die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Schon diese vermeintlich objektive und neutrale Position ist Bestandteil einer Propaganda höherer Ordnung, die wesentlich darin besteht, Äquidistanz zwischen zwei vermeintlich gleichgearteten Konfliktparteien herzustellen. Indem so getan wird, als sei die Verzerrung oder Unterdrückung von Fakten allein ein Problem der Konfliktparteien, wird die eigene Beteiligung an der Schaffung von Akzeptanz für die israelische Kriegführung unterschlagen.

Das konstitutive Gewaltverhältnis zwischen Besatzern und Besetzten wurde schon vor Beginn dieses Krieges ignoriert, indem man die einseitige Unterdrückung der Palästinenser, die Aberkennung ihrer demokratischen Rechte und ihre ökonomische Aushungerung ad hoc mit den bürgerlichen Privilegien der israelischen Bevölkerung gleichgesetzt hat. Während beide Bevölkerungen tatsächlich in zwei Welten leben, die sich hinsichtlich ihrer Lebensmöglichkeiten kaum mehr voneinander unterscheiden könnten, wird die Legitimität der Forderungen, die Israel an die Hamas stellt, nie in Frage gestellt. Die Weigerung der Regierung im Gazastreifen, die Interessen ihrer Bevölkerung hintenanzustellen und sich den politischen Vorstellungen Israels und seiner Verbündeten zu unterwerfen, wird hingegen als notorischer Affront oder gar Ausdruck ihrer vorgeblichen Absicht, Israel zu vernichten, ausgewiesen und mit Zwangsmaßnahmen sanktioniert.

Diesem Mißverhältnis wird nun dadurch Rechnung getragen, daß die von beiden Seiten ausgehende Gewalt auf eine Ebene gehoben wird, obwohl die Hamas-Kämpfer den israelischen Streitkräften so gut wie nichts entgegenzusetzen haben und etwa ein israelisches Kriegsopfer auf hundert palästinensische kommen. In den Nachrichtensendungen und Zeitungskommentaren deutscher Medien wird nicht nur unter allen Umständen vermieden, Täter und Opfer beim Namen zu nennen, häufig schließen sich deutsche Journalisten auch der Behauptung der Bundesregierung an, alle Schuld läge bei der Hamas.

Da es sich bei der Regierung des Gazastreifens nach wie vor um eine demokratisch legitimierte Administration handelt, lautet der Klartext dieser Bezichtigung, daß die Schuld bei den Palästinensern liegt, die sie gewählt haben. Die Hamas wird auch dann zur Chiffre für die vermeintliche Illegitimität des palästinensischen Widerstands, wenn, wie es meist der Fall ist, von einem Krieg zwischen der Hamas und Israel gesprochen wird. Indem der palästinensischen Partei losgelöst vom politischen Prozeß, der sie an die Regierung gebracht hat und ihr Verhältnis zu Israel definiert, unterstellt wird, sich ins Unrecht gesetzt zu haben, während man der israelischen Seite selbiges erspart, egalisiert man das höchst einseitige Gewaltverhältnis. Es kann jedoch keine Rede von einem Krieg zwischen der Hamas und Israel sein, denn es handelt sich um eine Aggression Israels gegenüber allen Palästinensern, die im Gazastreifen umgebracht und im Westjordanland unterdrückt werden. Der kritische Blick auf die eigene Berichterstattung würde vielen deutschen Journalisten guttun, allerdings ihren beruflichen Chancen absehbar schaden.

8. Januar 2009