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PROPAGANDA/1346: Rassistische Polemik gegen Palästinenser auf Welt Online (SB)



"Jüdische Siedlungen sind doch nicht das Problem", behauptet der Journalist Gideon Böss auf Welt Online (21.07.2009) und polemisiert munter drauf los. Ziel seiner Suada ist der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der mit wachsweicher Kritik an der israelischen Siedlungspolitik in Ost-Jerusalem ein vermeintlich spektakuläres Wagnis eingegangen ist. Böss allerdings nimmt Polenz aufs Korn, nicht weil dieser mit fast allem, was er gegen die Politik der israelischen Regierung berechtigterweise hätte vorbringen können, geizt, sondern weil er überhaupt wagt, etwas anderes zu sagen, als bei Springer wohlgelitten ist.

So dementiert Böss schlicht, daß die Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem kein Friedenshindernis sein könnten, weil "Israel bislang noch mit jedem arabischen Staat Frieden geschlossen hat, der sich dazu durchringen konnte, seine Vernichtungsfantasien aufzugeben". Selbst wenn derartige Absichten einen Friedensschluß zwischen Israel und allen arabischen Staaten verhinderten, was weder bei Saudi-Arabien noch beim Libanon noch bei Syrien der Fall ist, dann ist damit noch nicht das Problem des Raubs palästinensischen Landes gelöst. Doch eben diesen soll es laut Böss gar nicht geben, denn wäre es so, dann könnte die israelische Armee als stärkste Militärmacht der Region ganz andere Saiten aufziehen, sprich viel größere Gebiete erobern.

Die rhetorische Widerlegung israelischer Landnahme durch das Drohen mit der schlimmeren Variante territorialer Expansion ist die Sprache einer Politik der Unterwerfung, die das Insistieren der von Böss immer wieder heranzitierten Vernichtungsabsicht arabischer Staaten als projektive Apologie erkennen läßt. Als habe es nie den arabischen Friedensplan gegeben, mit dem Israel bei Räumung der besetzten Gebiete eine umfassende Friedenslösung angeboten wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, verlegt sich der Journalist auf eine Extremposition, die von keiner arabischen Regierung und keineswegs von der Mehrheit der Palästinenser vertreten wird. Ohne diese Insinuation könnte er allerdings auch nicht behaupten, daß die israelischen Siedlungen "das Ergebnis der erfolglosen Versuche der Araber (sind), einen Völkermord an den Juden zu begehen".

Mit um so größerer Berechtigung könnte der Welt-Autor fordern, daß sich der Nachfolgestaat Hitlerdeutschlands, das den Völkermord tatsächlich begangen hat, ganz den politischen Interessen Israels unterordnete. Wenn versuchter Völkermord legitimerweise mit dauerhafter Landnahme bestraft wird, wie müßte dann realisierter Völkermord vergolten werden? Böss hält sich mit den Konsequenzen seiner Unterstellungen aus gutem Grund nicht weiter auf. Da er mit ihnen in einer offenen Diskussion nicht bestehen könnte, konstatiert er schlicht, daß der Aggressor immer der andere, nämlich die Palästinenser oder die Libanesen sind. Der Siedlungsbau sei nichts als die angemessene Antwort auf ihren Terror, für den die damit Angegriffenen natürlich keinen Anlaß geboten haben.

Israel ist als Opfer finsterer Machenschaften schuldlos in eine Situation geraten, in der es auf völlig unangemessene Weise kritisiert wird, so die Quintessenz des Welt-Autors. Darüberhinaus liegt es ausschließlich an den Palästinensern selbst, daß sie nicht schon längst einen eigenen Staat haben:

"Fakt ist doch, dass eigentlich jeder einen Palästinenserstaat will. Die EU ist dafür, Israel ist dafür, die USA sind dafür und auch die UNO ist dafür. Warum gibt es dann noch keinen Staat? Ach so, weil die Palästinenser nicht dafür sind. Damit vertreten sie in der Frage der palästinensischen Eigenstaatlichkeit eine Minderheitenmeinung. So wirklich Lust scheinen die Kriminellen, die im Namen irgendwelcher mehr oder weniger aktiven Terrorbanden die Interessen der Palästinenser vertreten, nämlich gar nicht zu haben. Wie, ein eigener Staat? Wie, selbst die Müllabfuhr organisieren müssen? Nein danke...aber Israel verhindert unsere Eigenstaatlichkeit!"
(Welt Online, 21.07.2009)

In der einfachen Welt von Gideon Böss gibt es keinen politischen Interessen, es gibt nur Gut und Böse, eindeutig verteilt anhand des Kriteriums eines Sozialrassismus, laut dem die Palästinenser eigentlich nur zu faul sind, um sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Indem das publizistische Flaggschiff des Springer-Verlags einem Autoren wie diesem Gelegenheit gibt, auf rundum verletztende und provokante Weise zu polemisieren, ohne die dabei aufgestellten Behauptungen auch nur im Ansatz zu verifizieren, demonstriert es, warum selbst ein gestandener Politiker wie Polenz gut daran tut, sich nicht einmal mit vorsichtigen Einwänden aus dem Fenster zu lehnen.

22. Juli 2009