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PROPAGANDA/1371: Meinungsfreiheit in Britannien für Islamisten aufgehoben (SB)



Zweifellos handelte es sich bei dem Vorhaben der islamistischen Organisation Islam4UK, in dem kleinen Wootton Basset in der südenglischen Grafschaft Wiltshire eine Demonstration für die muslimischen Opfer des Afghanistankriegs abhalten zu wollen, um eine gezielte Provokation. In Wootton Basset wird aufgrund seiner Nähe zum Luftwaffenstützpunkt Lyneham der britischen Gefallenen während der Passage ihrer zeremoniell aufgebahrten Särge durch den Ort gedacht. Der Eklat, den der Plan der Organisation ausgelöst hatte, scheint den Effekt, den der Protest erzielen sollte, vorweggenommen zu haben. Islam4UK-Anführer Anjem Choudary zog das Vorhaben am Montag zurück, nicht ohne darauf zu bestehen, daß es das Recht britischer Muslime sei, wie andere Bürger des Landes auch um den Tod muslimischer Kriegsopfer zu trauern. Er zeigte sich allerdings befriedigt darüber, auch ohne einen Demonstrationszug erfolgreich auf die Not von Muslimen in Afghanistan aufmerksam gemacht zu haben.

Andere muslimische Organisationen des Landes hatten sich schon zuvor von Islam4UK distanziert, indem sie erklärten, die Demonstration diene nur dazu, Haß zwischen unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung zu säen. Sie empfahlen der britischen Öffentlichkeit, der nur 50 bis 100 Mitgliedern umfassenden Organisation einfach den Sauerstoff der Aufmerksamkeit zu entziehen, die sie für ihre Provokation benötigt. Da der islamistische Dachverband der Gruppe, Al Muhajiroun, schon mit dem Abhalten einer Konferenz ein Jahr nach dem 11. September 2001 unter dem Titel "A Towering Day in History" einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen und bereits mehrfach Demonstrationen angekündigt hat, um sie nach erregter öffentlicher Debatte wieder abzusagen, ist man allgemein der Ansicht, es auch dieses Mal mit einer von Anfang an geplanten Medienstrategie zu tun zu haben.

Das hat den britischen Innenminister Alan Johnson allerdings nicht davon abgehalten, gegen Al Muhajiroun und Islam4UK ein Verbotsverfahren wegen Verherrlichung des Terrorismus einzuleiten. Mit der voraussichtlichen Bestätigung seines Antrags durch das Parlament am Donnerstag wird es in Kraft treten und alle Personen, die sich weiterhin im Namen einer der beiden Organisationen treffen oder eine Nachfolgeorganisation gründen, mit bis zu zehn Jahren Haft bedrohen. Das Vermögen der Organisationen wird beschlagnahmt.

Das Verbot gründet zwar auf Aussagen, die den Websites der Islamisten entnommen wurden, der konkrete Anlaß jedoch besteht darin, daß sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen wollten. Man wird wohl vergebens darauf warten, daß die Verfechter des unbedingten Rechts, die dänischen Mohammedkarikaturen abzudrucken, nun auch für die Versammlungsfreiheit von Islamisten votieren. Diese erhalten in ihren Augen, was sie mit den eigenen repressiven Praktiken verdient haben.

Wenn die breite Ablehnung, mit der die religiöse und gesellschaftliche Doktrin radikaler Islamisten in Europa quittiert wird, zum Ausgangspunkt von Organisationsverboten wird, dann hat man die Tür zum Verbot anderer Organisationen mit mißliebiger Ideologie weit aufgestoßen. Kaum jemand außer den direkt Betroffenen wird sich für das Recht von Islamisten auf Meinungsfreiheit stark machen, weil damit Vertreter einer Doktrin unterstützt würden, die auch die meisten hier lebenden Muslime nicht gutheißen.

Wenn deutsche Kriegsgegner auf vergleichbar provokante Weise vor dem Gefallenenmahnmal in Berlin gegen die Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan demonstrierten und sie daraufhin als Mitglieder terroristischer Organisationen verfolgt würden, sähe man wahrscheinlich etwas klarer. Zu behaupten, daß dies nicht vergleichbar wäre, verkennt die Auslegungsbreite von Antiterrorgesetzen, die Gesinnungen kriminalisieren und Meinungsäußerungen abstrafen. Wenn die Bevölkerung von den Eliten in Politik und Gesellschaft dazu angehalten wird, sich hinter die Streitkräfte ihres Landes zu stellen, während diese in fremden Ländern Krieg führen und dabei Zivilisten töten, dann könnte jeder Bürger, der derartige Übergriffe aus rechtlichen wie moralischen Gründen ablehnt und sich mit der betroffenen Bevölkerung solidarisiert, dies als überaus provokanten Affront empfinden. Gerade deshalb wird seine Kritik ausgeblendet, unterdrückt und im Extremfall kriminalisiert.

13. Januar 2010