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PROPAGANDA/1435: Bomben der Wahrheit - NATO-Mission für die Freiheit des Wortes (SB)



Wenn es um den Schutz einer Zivilbevölkerung geht, dann macht der NATO niemand etwas vor. Die Bombenangriffe auf zwei Bauernhöfe in der Nähe der westlibyschen Stadt Zlitan haben natürlich ausschließlich dem libyschen Militär gegolten, befand es sich doch auf lediglich früher einmal zivilen Zwecken dienendem Gelände. NATO-Sprecher Roland Lavoie hatte schon zwei Wochen zuvor angekündigt, man werde künftig zivile Ziele wie "frühere Ställe, landwirtschaftliche Einrichtungen, Lagerhäuser, Fabriken und Produktionsanlagen für Lebensmittel" [1] bombardieren, um derartigen Strategien einen Riegel vorzuschieben. Wer also daran festhält, die NATO PR-technisch in die Defensive zu manövrieren, indem er sie geradezu nötigt, zivile Einrichtungen anzugreifen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen und damit deren Uneinsichtigkeit gegenüber den neuen Herren stärken, hat nichts anderes verdient als dies.

Zwar hat die libysche Regierung Journalisten der BBC einige der zivilen Opfer dieses Luftangriffs präsentiert, doch für Lavoie verlief alles nach Plan: "Das war eindeutig ein militärisches Ziel und wir erwarten keine zivilen Opfer." [2] Die NATO hält sich an die Sprachregelung, daß nicht ist, was nicht sein darf. Das ist allemal glaubwürdig, weil von der großen Mehrheit der europäischen und nordamerikanischen Medien als wahr attestiert. Zweifel an der Stellungnahme der NATO, die die Vorwürfe der libyschen Regierung dementiert, werden nicht geltend gemacht. Soll man etwa dem Wahnsinnigen von Tripolis glauben oder dem sympathischen NATO-Sprecher, der schließlich keinen Grund haben kann zu lügen?

Dieser Krieg erfreut sich nicht umsonst in den Augen der meisten Journalisten UN-mandatierter Legalität und moralischer Legitimität. Der Kampf für die Befreiung "unserer" Ressourcen ist gerecht, wie seine breite Unterstützung durch die Medien Frankreichs und Britanniens bei gleichzeitiger Empörung deutscher Blätter über die Verweigerungshaltung der europäischen Führungsmacht hinlänglich klargestellt hat. Journalistische Objektivität im Sinne einer unvoreingenommenen Repräsentanz beider Seiten tatsächlich in Anspruch zu nehmen liefe auf Verrat am demokratischen und humanitären Charakter der NATO hinaus.

Um diesen ganz und gar gegen die Einflüsterungen linker Kriegsgegner und humanistischer Friedensfreunde abzuschotten geht man auf Nummer sicher und setzt die Definitionsmacht über ihre ohnehin gegebene Fundierung in der Hegemonie der NATO-Medien hinaus auf ganz materielle Weise durch. Drei Tote und 21 Verletzte sind wohl kein zu hoher Preis, um die von den Medien des Feindes ausgehende Gefahr für die libysche Zivilbevölkerung auszuschalten. So lange dort ein Gaddafi "aufrührerische Reden" schwingt und die Bevölkerung zum Widerstand gegen die NATO und die Rebellen "anstachelt", könnte die Zerstörung des Regierungsrundfunks nicht erwünschter sein. Für NATO-Sprecher Lavoie war der Angriff am 30. Juli "im Lichte des Mandates, das Leben von Zivilisten zu schützen", so unabdinglich, daß sich jede Kritik an der Widersinnigkeit der Aussage von selbst verbietet.

Mag die UNESCO diese Attacke auch verurteilen [3], die NATO ist in ihrer Bewertung längst über die Weltorganisation, auf dessen Mandat sie sich beruft, hinausgewachsen. Meinungs- und Pressefreiheit sind Privilegien, die nur denjenigen gebühren, die im Besitz der Wahrheit sind und sie uneinsichtigen Gewalttätern notfalls durch die belehrende Wirkung eines Bombardements vermitteln müssen. Wenn diese sich einbilden, sie hätten als Vertreter eines von der Wertegemeinschaft NATO nicht lizensierten Regimes einen ungeteilten Anspruch auf diese universalen Rechte, dann sind sie auf dem Holzweg. Wer Menschen mit Lügen ins Verderben schickt und darüberhinaus auch noch woanders dringend benötigte Ressourcen in eine Rente eigenen Wohllebens verwandelt, dem muß jedes Mittel genommen werden, seine Stimme zu Gehör zu bringen und die allzu gutgläubigen Menschen in den NATO-Staaten in die Irre zu führen.

Fußnoten:

[1] http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/nato_will_mehr_ziele_angreifen_1.11641411.html

[2] http://www.n-tv.de/politik/Rebellen-bilden-Rat-um-article4010121.html

[3] http://www.neues-deutschland.de/artikel/204072.unesco-kritik-am-nato-krieg.html

11. August 2011