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PROPAGANDA/1459: EU trifft Kriegsvorbereitungen durch Zensur mißliebiger Sender (SB)




Die Fernseh- und Radiosender des iranischen Senderverbunds IRIB (Islamic Republic of Iran Broadcasting) können seit dem 15. Oktober nicht mehr empfangen werden, sofern sie über den Satellitenbetreiber Eutelsat ausgestrahlt wurden. Das französische Unternehmen beruft sich auf eine Weisung der EU-Kommission, die am 15. Oktober von den Außenministern der EU in Luxemburg beschlossen worden ist. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle begründete die Sanktion mit dem mangelnden Kooperationswillen der Führung in Teheran. Dies hat zur Folge, daß Hundertausende Exiliraner wie andere an der Entwicklung in der Region nicht nur aus Sicht der NATO-Medien interessierte Menschen sich auf andere Quellen als die abgeschalteten 19 iranischen Satellitensender verlegen müssen.

Zwar hat sich die Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) in Nordrhein-Westfalen, Anja Zimmer, dafür ausgesprochen, die Ausstrahlung von Programmen prinzipiell nicht zu verhindern und keine grundsätzliche Zensur zu üben, doch tat sie dies ausdrücklich "unabhängig von diesem Fall" und unter Verweis auf das geringe Ausmaß an Pressefreiheit im Iran selbst [1]. Damit signalisierte die Funktionärin, daß die Angelegenheit in diesem Fall schon in Ordnung gehe und mit offiziellen Protesten der zuständigen berufsständischen Vertretungen nicht zu rechnen sei.

Dies erinnert an das wachsweiche Taktieren der NATO-Presse im Jugoslawienkrieg, wo die Angriffe und Zensurmaßnahmen gegen jugoslawische Kolleginnen und Kollegen mehr oder minder stillschweigend hingenommen, wenn nicht ohnehin gutgeheißen wurden. Vom hohen Roß einer angeblich unbeschränkten Pressefreiheit in den NATO-Staaten herab wurden die jugoslawischen Medien in ihrer auch damals vorhandenen Vielfalt kurzerhand als gleichgeschaltete Organe der Regierung Milosevic diffamiert, so daß man nicht in Not geriet, vielleicht etwas verteidigen zu müssen, was unter allen Umständen, also auch wenn es der NATO und ihrem Chefpropagandisten Jamie Shea quer kam, erhaltenswert wäre. Der leutselige Brite, dem das Pressekorps im NATO-Hauptquartier bis auf wenige Ausnahmen zu Füßen lag, ist heute dafür zuständig, als Deputy Assistant Secretary General for Emerging Security Challenges neue Kriege zu planen. Umfangreiche Untersuchungen der westlichen Pressearbeit im Jugoslawienkrieg haben erwiesen, daß über diesen Krieg weniger berichtet, als vielmehr nach Lesart der NATO von angeblich unabhängigen Medien verkauft wurde.

Auch die Organe zur journalistischen Qualitätssicherung beteiligten sich an der medialen Kriegführung der NATO. So listete das Committee to Protect Journalists für 1999 34 im Einsatz gestorbene Pressevertreter auf, wobei Jugoslawien auf Platz zwei der Rangliste nach Sierra Leone gelangte. Von den 16 Personen, die die NATO bei ihrem Angriff auf das Zentralstudio des staatlichen Senders RTS in Belgrad am 23. April 1999 umbrachte, gelangte keiner auf diese Liste. Damit wurde der Sprachregelung des damaligen britischen Premierministers Tony Blair entsprochen, der der Londoner Times vom 24. April 1999 zufolge meinte: "Es ist der Apparat der ihn (Präsident Milosevic) an der Macht hält, und wir sind als NATO-Alliierte vollkommen berechtigt, solche Ziele zu beschädigen und anzugehen." Auch der damalige OSZE-Medienbeauftragte Freimut Duve weigerte sich, den Angriff auf den jugoslawischen Sender zu verurteilen.

Ebenfalls am 23. April 1999 entzog die britische Regulierungsbehörde Independent Television Commission dem kurdischen Sender MED TV die Sendelizenz, weil er im Zusammenhang mit der Entführung des PKK-Führers Abdullah Öcalan zu Gewalt aufgerufen habe. Daß es sich dabei nicht minder als beim Überfall der NATO auf Jugoslawien um einen völkerrechtswidrigen Übergriff handelte, daß die kurdische Bevölkerung der Türkei unter schweren Menschenrechtsverletzungen zu leiden hat, spielte damals so wenig eine Rolle bei der Unterdrückung kurdischer Medien wie heute, da der Sender Roj TV von mehreren EU-Regierungen in Kooperation mit der Türkei mit Verbotsforderungen verfolgt wird respektive verboten wurde.

Die Eroberung Jugoslawiens wurde auch und gerade auf dem Informationssektor mit generalstabsmäßiger Planung vollzogen. Während die NATO Studios und Transmitter jugoslawischer Rundfunksender zerstörte, baute sie einen Ring aus sechs UKW-Sendern um das Einsatzgebiet herum auf. Die Rundfunkanstalten, die den größten Einsatz bei der Zerschlagung Jugoslawiens an den Tag gelegt hatten - Deutsche Welle, Radio Free Europe, Voice of America -, hatten bis dahin nur wenige Stunden am Tag Sendungen in Serbokroatisch ausgestrahlt. Unmittelbar nach der Zerstörung des RTS-Zentrums wurde der Sendebetrieb rund um die Uhr aufgenommen.

Am 26. Mai 1999 schaltete Eutelsat den von der jugoslawischen Post gemieteten Übertragungskanal für RTS und andere jugoslawische Sender ab. Weder die Tatsache, daß Jugoslawien als gleichberechtigtes Mitglied zu den damals 47 Betreibern des Konsortiums gehörte, noch die Eutelsat-Prinzipien "paneuropäisches Verbreitungsgebiet, keine Diskriminierung, fairer Wettbewerb" konnten verhindern, daß von nun an nur noch eine Wahrheit über den Krieg verbreitet wurde.

Im August 1999 zerstörten französische KFOR-Truppen den 192 Meter hohen Sendemast auf dem Berg Mokra Gora im Kosovo, der von der NATO während der Luftangriffe mehr als zehnmal verfehlt worden war. Damit wurde verhindert, daß die Programme von RTS und Radio Belgrad im südlichen Serbien und im Kosovo empfangen werden konnten. Gleichzeitig verfaßte die NATO einen sogenannten Code of Conduct zur journalistischen Arbeit in den Protektoraten Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Eine Medienkommission sollte auf dessen Basis dafür Sorge tragen, daß ausschließlich demokratische Inhalte an die Leser und Hörer der NATO-Protektorate dringen. Die Kommission hatte das Recht, Beiträge zu zensieren und Sender wie Journalisten, die sich nicht an die Vorschriften hielten, mit Geldstrafen zu belegen oder ganz aus dem medialen Verkehr zu ziehen. Was Demokratie ist und was nicht, bestimmte die NATO und wird dies auch in Zukunft tun.

Proteste europäischer Journalistenverbände gegen diese Einschränkung der Pressefreiheit waren damals so wenig zu erwarten, wie sie heute bei den medialen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran stattfinden. Das dabei zur Geltung gelangende Argument, die Regierung in Teheran gewähre keine Pressefreiheit, weist seine Urheber als Parteigänger eines quasiklerikalen Wahrheitsediktes aus, das die eigene Weltsicht verabsolutiert und die des angeblichen Gegners zunichte macht. Zweifellos sind die Repressalien der iranischen Regierung gegen Journalisten zu kritisieren und zu verurteilen, doch dies mit dem Mittel der Unterdrückung aller von iranischen Medien produzierten Inhalte zu tun zeigt, daß sie trotz allen Wissens um ihren systemkonformen Charakter gefürchtet werden.

Weder der politische Charakter noch eventuelle Verstöße gegen internationales Recht sind maßgeblich für die Feindbildproduktion der massenmedialen Propagandakompanien. Ersteres belegen die ideologischen Unterschiede zwischen jugoslawischen, kurdischen und iranischen Zielen der Zensur, letzteres die Tabuisierung der zahlreichen Rechtsbrüche, die NATO-Regierungen in denen von ihnen geführten Kriegen begehen. Es ist die schlichte Gleichrichtung an diesen Aggressionen beteiligter Kapitalinteressen, die den Schulterschluß von Rüstungsunternehmen, Rohstoffkonzernen, Finanzinvestoren und Kulturindustrie auf den Schlachtfeldern postmoderner Bestandssicherung bedingen.

Das hervorstechende Merkmal journalistischer Herrschaftsergebenheit ist die Totalität, mit der das eigene Publikum für unmündig erklärt wird. Man muß ihm die Welt erklären von den Kommandohöhen eigener Beteiligung herab, sprich es indoktrinieren. Daß Zensur überhaupt akzeptabel erscheint, belegt den autoritären Charakter dieses Demokratieverständnisses. Wenn es erst einmal in bestimmten Fällen legitim ist, darüber zu entscheiden, was die Bevölkerung lesen, hören und sehen darf, dann befindet man sich auf bestem Weg in eine nicht nur inhaltliche, sondern auch instrumentelle Gleichschaltung.

Fußnote:

[1] http://www.dw.de/störsignale-blockieren-westliche-sender/a-16315590

21. Oktober 2012