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PROPAGANDA/1507: Rennpferde - ihr Schicksal und ihr Mißbrauch ... (SB)



Einen Blick hinter die Kulissen des Pferderennsports in Frankreich zu werfen, versprach der Deutschlandfunk bei der Ankündigung einer fünfteiligen Serie zum Thema. An fünf Vormittagen und in einer Zusammenfassung der Folgen am anschließenden Samstag [1] schaffte es die Autorin, nicht einmal ansatzweise die Perspektive derjenigen einzunehmen, auf deren Rücken die nach wie vor von vielen Menschen goutierten Pferderennen ausgetragen werden. Zwar war viel von "Pferdeliebe" die Rede, doch deren Objekt ist so austauschbar wie die Liebe zum Geld, dessen es bedarf, um sich mit seinem Tauschwert Wünsche aller Art erfüllen zu können. Dabei drängt sich die Frage, was daran sportlich sein soll, sich auf den Rücken von Pferden zu setzen oder sie vor Gefährte zu spannen, um sie unter Schlägen über Rennbahnen zu hetzen, sicherlich vielen Menschen auf, die schon einmal von den tierquälerischen Praktiken gehört haben, die im Umfeld dieses sogenannten Sportes stattfinden.

Am nächsten kam die Sendereihe dem Objektcharakter der in ihrer Subjektivität vollständig negierten Tiere noch in der vierten Folge, in der unter dem Titel "Wie man Träume ersteigert" [2] über Pferdeauktionen in Frankreich berichtet wurde. So erweist sich der "Traum" in den Worten des Direktors einer Rennbahn als "Hoffnung, dass ein Tier viel Gewinn einspielt". Diese durch die richtige Wahl bei einer Auktion zu verwirklichen mache den "Zauber solcher Versteigerungen aus". Platt gesagt handelt es sich um den immergleichen magischen Akt, aus Geld mehr Geld zu machen. Daß das dazu ersteigerte Fohlen nichts als ein Mittel zu diesem Zweck ist, zeigen die Worte einer ehemaligen Amateur-Springreiterin, die im Auftrag von Kunden Pferde ersteigert und selber züchtet. Im geschilderten Fall geht es um eine trächtige Stute, die sie für 500.000 Euro erstand und wie ein besonders wertvolles Handelsgut anpreist:

Sehr gutes Pedigree, aus einer sehr, sehr schönen Familie, selbst auch gute Rennleistungen. Und das erste Produkt der Stute, die Zweijährige, ist bereits im Training. Ich kenne den Trainer und habe ihn angerufen. Und der hat mir gesagt, es wäre eine sehr, sehr vielversprechende junge Stute. Und insofern kann man sich die Mutter ja mal kaufen und sehen, ob da noch was kommt. [3]

So tief die Barriere zwischen Mensch und Tier im Weltbild dieser Frau verankert sein mag, so entlarvend ist die Sprache, mit der ein empfindungsfähiges Lebewesen wie diese Stute auf den Stand eines Dings oder einer Ware reduziert wird. Wie eine Rendite abwerfende Wertanlage "produziert" sie Fohlen, die sich im Leistungsvergleich des auf der Rennbahn ausgetragenen Wettbewerbs zu bewähren haben. Die sie reitenden Jockeys sind dafür zuständig, daß die Pferde auf der Spur ihrer Bahn bleiben und rennen, als ob es um ihr Leben ginge. Tatsächlich ist es so, denn die höchste Lebenserwartung haben die erfolgreichsten Reitpferde, während auf die Verlierer ein ungewisses, möglicherweise finales Schicksal wartet.

So wird bei Rennpferden schon durch die Selektion nach der Geburt darüber befunden, ob sie ein Leben in der für wertvolle Tiere häufig vorgesehenen Stallhaltung in Einzelboxen erwartet oder ob sie, wenn sie nicht für den Sport oder andere Verwendungszwecke taugen, in jungen Jahren im Schlachthaus enden. Wenn sie sich bei Stürzen verletzen oder nach wenigen Jahren nicht mehr in der Lage sind, die ihnen abverlangte Höchstleistung zu erbringen, ist ihnen nur im glücklichsten Falle ein Weiterleben bei PferdeliebhaberInnen beschieden, die ausgediente Rennpferde bei sich aufnehmen [4]. Nicht wenige Pferde sterben auf der Rennbahn bei Unfällen oder an stressbedingtem Herzkreislaufversagen. Bei den hochsensiblen Tieren kommt es durch die notorische Überforderung immer wieder zu Blutungen in der Lunge oder Gefäßrupturen.

Das alles findet vor dem Hintergrund einer millionenschweren Wettindustrie auf illustren Events statt, auf denen die Stars des Tages die angesagte Mode präsentieren und Champagner schlürfen. Der sogenannte Rennsport ist insbesondere in Frankreich und im Vereinigten Königreich, aber auch in Deutschland ein neofeudales Gesellschaftsereignis ersten Ranges, bei dem die Ausbeutung zum ergötzlichen Verbrauch versklavter Tiere wie ein zivilisatorisches Hochamt gefeiert wird. Ganz abgesehen von der Frage, wie überhaupt zu vertreten ist, Tiere in das Zwangskorsett von Zaumzeug und Sattel zu stecken, um sich von ihnen tragen zu lassen, ist die Ausbeutung von Pferden für einen sogenannten Sport, der sie auch beim Spring- oder Dressurreiten einem gravierenden Ausmaß an disziplinatorischer Gewalt aussetzt, eine durch hohe gesellschaftlicher Akzeptanz legitimierte Lustbarkeit. Daß das so bleibt, dafür sorgt auch ein Tierausbeutung wie selbstverständlich gutheißender Journalismus.


Fußnoten:

[1] https://www.deutschlandfunk.de/pferderennsport-in-frankreich-tradition-vor-hindernissen.922.de.html?dram:article_id=440128

[2] https://www.deutschlandfunk.de/pferdeauktionen-in-frankreich-wie-man-traeume-ersteigert.795.de.html?dram:article_id=445002

[3] a.a.O.

[4] http://chevalie.de/das-stille-leiden-der-rennpferde/

6. April 2019


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