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RAUB/0907: Ende der "bösen" Biosprit-Importe - kein Ende der Bereicherung (SB)



100 Millionen Menschen wurden im Zuge der Preisexplosion für Nahrungsmittel in den Jahren 2007/2008 in den Hunger getrieben, stellte die Weltbank vor rund einem Jahr fest. Sie verortete als Haupttriebfeder für diese Entwicklung die Biospritpolitik der relativ reichen Staaten. Nachdem in über 30 Ländern Hungerunruhen ausbrachen und deswegen sogar Regierungen stürzten, ergriffen die Politiker Gegenmaßnahmen ... nein, nein, nicht um den Hunger ein für allemal aus der Welt zu schaffen, sondern um zu verhindern, daß die bestehende Weltordnung, in der Hunger seinen festen Platz hat, nicht durch Aufständische umgestoßen wird.

Dies- und jenseits des Atlantiks forderten Politiker beispielsweise, daß fortan nur noch Biospritpflanzen importiert werden sollten, deren Produktion bestimmten Umwelt- und Sozialstandards genügten. Das klang gut. Die deutschen bzw. EU-europäischen Maßstäbe gelten in dieser Hinsicht als die strengsten der Welt, lautet eine jener "Gegenmaßnahmen", die im Bereich der Propaganda anzusiedeln sind und der Bewahrung des sozialen Friedens dienen. Dabei wird unterschlagen, daß auch vor dem rapiden Anstieg der Lebensmittelpreise - die in den ärmeren Ländern nicht annähernd wieder auf den alten Stand gesunken sind - fast 850 Millionen Menschen weltweit gehungert haben.

Die Biospritproduktion, die diese Woche Montag in dem Report "Growing Pains" der Hilfsorganisation Christian Aid für Umweltschäden, zunehmende Menschenrechtsverletzungen und Verarmung in den Entwicklungsländern verantwortlich gemacht wird, hat die Hungerlage zwar erheblich verschärft, aber weder die Einhaltung striktester Nachhaltigkeitskriterien noch eine völlige Abkehr von jeglichen Importen an Biospriterzeugnissen würden den Hunger beenden.

Um dieses menschheitsgeschichtliche Problem in Angriff zu nehmen müßte schon tiefer gegraben werden, damit die Axt an die Wurzeln eines Systems gelegt werden kann, in dem die Bereicherung nicht nur ermöglicht, sondern sogar belohnt wird. Das schließt die lokale Nutzung in der Region erzeugter Biospritpflanzen, für die sich auch Christian Aid ausspricht, nicht aus, wohl aber die zwingend auf Importe angewiesenen Biospritquoten, wie sie die Industriestaaten favorisieren. Der Anbau von Pflanzen für Biosprit stellt eine Form der Raubbeteiligung dar, solange nicht zuvor die existentielle Grundlage aller Menschen gesichert wurde.

18. August 2009