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RAUB/0945: Auch als Zuchtmeister der Unproduktiven betreibt Westerwelle Außenpolitik (SB)



Als Populist im Dienst der Klassenspaltung hat FDP-Chef Guido Westerwelle seine diplomatischen Pflichten nur scheinbar vernachlässigt. Zwar ist er auf dem internationalen Parkett kaum in Erscheinung getreten, so daß man den Eindruck erhalten konnte, der CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg habe sein Ressort gleich mit übernommen. Die Kritik seiner politischen Gegner, er solle sich seinem eigentlichen Tätigkeitsfeld zuwenden, anstatt Wahlkampf zu betreiben, indem er Sozialneid schürt, greift jedoch zu kurz. Als Zuchtmeister der Unproduktiven hat Westerwelle ein durchaus weit über die Grenzen der Republik hinaus wahrgenommenes und begrüßtes Zeichen gesetzt.

Die Bundesrepublik ist bereit, ihre Stellung als zweitgrößte Exportnation der Welt zu verteidigen, indem sie den Druck auf die Löhne weiter erhöht und die Weltwirtschaftskrise ganz zu Lasten derjenigen Menschen bewältigt, die sich in ihrer Überlebensorganisation am leichtesten steuern lassen. Wer keine Anlageprobleme hat, sondern sein Geld sofort in den Supermarkt tragen oder für die laufenden Haushaltskosten ausgeben muß, den muß man nicht umwerben, sondern kann ihn nach Belieben, etwa durch die Erhöhung indirekter Steuern oder der Sozialabgaben wie durch Zurückhaltung bei den Lohnforderungen oder die Senkung von Sozialtransfers für die Alimentation des Gemeinwesens heranziehen.

Ganz anders die Klientel eines Westerwelle. Kapitaleigner wollen umworben werden, und zwar durch möglichst günstige Investitionsmöglichkeiten, die zu sichern das Kleinhalten der Ansprüche von Lohnarbeitern, Erwerbslosen und Rentnern unbedingt voraussetzt. Um die internationalen Produktivitätsunterschiede gewinnbringend zu nutzen, werden ihre Interessen im kapitalistischen Weltsystem zum allgemeinen Willen erklärt, während sich die jeweiligen Arbeitsgesellschaften als Konkurrenten gegenübertreten. Die Befreiung des Kapitals von fiskalischen und zolltechnischen Einschränkungen im Rahmen der Freihandelsdoktrin, Investitionsschutz gegen die sozialen oder ökologischen Ansprüche einheimischer Bevölkerungen, die Durchsetzung der internationalen Arbeitsteilung gegen gewerkschaftliche Forderungen aller Art, strikte Haushaltsdisziplin zur Bedienung der Schulden internationaler Gläubiger - all das läßt sich desto glaubwürdiger einfordern, wenn das eigene Subproletariat nach Kräften kujoniert wird. So schafft Westerwelle auch beste Voraussetzungen dafür, einem krisengeschüttelten Staat wie Griechenland nichts durchgehen zu lassen. Wie stände die Bundesregierung gegenüber Athen da, wenn sie den eigenen Armen großzügige Sozialleistungen und den eigenen Arbeitern hohe Lohnforderungen zugestände?

Nationale Außenpolitik ist Weltinnenpolitik, lautet die Devise des unipolaren, an der Führungsmacht USA orientierten Paradigmenwechsels. Als US-Präsident George H.W. Bush das Ende der bipolaren Blockkonfrontation 1991 damit krönte, die Neue Weltordnung unter dem Schirm der Pax Americana zu proklamieren, meinte er die weltweite Durchsetzung des westlichen Akkumulationsregimes in Form eines globalen Marktes. Die Verwertbarkeit von allem und jedem in der Ortlosigkeit des Tauschwertäquivalents Geld, in seiner jeweiligen Währung in Echtzeit gegen jede andere Währung bestimmbar, macht alles mit allem vergleich- und damit austauschbar. Das gilt auch für menschliche Arbeit, die wie jeder andere Produktionsfaktor Warencharakter annimmt.

Im internationalen Standortwettbewerb mag Außenpolitik den Charakter klassischer Machtkämpfe um Einflußsphären, Ressourcen und Territorien annehmen. Sich dabei bestimmten ordnungspolitischen Verwertungsbedingungen zu verweigern oder zu unterwerfen ist jedoch kaum mehr eine Frage demokratischer Entscheidungen, sondern folgt einer betriebswirtschaftlichen Ratio, die im Zweifelsfall mit Waffengewalt durchgesetzt wird. Stets verlangt wird dabei, den Preis der Arbeit so zu drücken, das andere Volkswirtschaften in Zugzwang geraten und eine allgemeine Prekarisierung der Lohnarbeit erfolgt, die die Menschen noch beherrschbarer und verfügbarer macht. Auch so können Kriege geführt werden. Ein Guttenberg, der Deutschland am Hindukusch verteidigt, kollaboriert mit einem Westerwelle, der das globale Proletariat in der Bundesrepublik angreift, auf durchaus sinnvolle Weise.

1. März 2010