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RAUB/1011: Von Wald zu Holz zu REDD - Naturverwertung steigert den Mangel (SB)



Auf der gegenwärtigen UN-Klimaschutzkonferenz in Durban wird auch über das Konzept gesprochen, dem in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff einen ökonomischen Wert beizumessen. Die Idee dahinter wirkt auf den ersten Blick bestechend: Bleibt der Kohlenstoff im Holz erhalten, wandert er nicht in die Atmosphäre und trägt nicht zum Treibhauseffekt bei. Würde Wald eigens zu diesem Zweck aufgeforstet und bewirtschaftet, entzöge das der Atmosphäre sogar Kohlenstoff. Die globale Erwärmung würde gebremst.

Die Umweltbewegung ist gespalten ob dieses REDD (Reducing Emissions from Deforestation and forest Degradation - z. Dt.: Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldzerstörung) genannten Mechanismus. Organisationen wie WWF und Greenpeace befürworten ihn unter bestimmten Bedingungen, da sie in ihm einen praktikablen Weg des Klimaschutzes sehen, der BUND und indigene Gruppierungen lehnen ihn ab, weil REDD beispielsweise zu Vertreibungen oder zur Förderung des Monokulturanbau (Palmen für Biosprit) führen kann.

An der Inwertsetzung des gebundenen Kohlenstoffs wird ein grundlegender Mechanismus von Ökonomie deutlich. Es wird ein weiterer Naturbereich, ein bis dahin "unberührter" Aspekt, monetär definiert. Das hat zunächst nichts mit der Verwertung des Baums als Holz zu tun. Der gebundene Kohlenstoff wird abzählbar, bemeßbar gemacht und kann gehandelt werden, was eine zentrale Voraussetzung für Ökonomie ist.

Um überhaupt mit etwas, das als Ware definiert wurde, handeln zu können, muß zuvor ihre freie Verfügbarkeit eingeschränkt, muß ein Mangel erzeugt werden. In der menschlichen Gesellschaft ist fast alles handelbar, aber beispielsweise die Atemluft noch nicht. Entzöge man einem Menschen die Luft, stürbe er nach sehr kurzer Zeit. Eine abgestufte, portionsweise Zuteilung von Luft ist auf breiter Basis technologisch noch nicht umsetzbar. Anders verhält es sich mit Wasser. Es wurde bereits zur Ware gemacht und kann einem Menschen entzogen werden. Bis ein Mensch verdurstet, vergeht einige Zeit. Die kann von dem, der die Gewaltmittel hat, um die freie Verfügbarkeit von Wasser auch gegen den Widerstand einzuschränken, genutzt werden, dem Dürstenden ein Geschäft vorzuschlagen: Du erhältst Wasser, wenn du Bauer wirst und mir Getreide lieferst oder wenn du Soldat wirst und meinen Besitz gegen andere Dürstende, die nicht mit mir handeln wollen, verteidigst.

An diesem Beispiel werden grundlegende Eigenschaften der menschlichen Gesellschaft deutlich: Raub geht der Inbesitznahme voraus. Inbesitznahme erzeugt wiederum Mangel, der wächst, je größer die Besitzanhäufung. Somit zeigt sich der riesige Reichtum von wenigen als Ergebnis der Erzeugung von Mangel bei vielen.

Mit REDD würde diesem Raubmechanismus nicht entgegengetreten, sondern die (Baum-)Krone aufgesetzt. In der komplex aufgebauten menschlichen Gesellschaft ist die Eigentum-Mangel -Beziehung nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, häufig wird über Bande gespielt. Das könnte in unserem Beispiel des CO2-Zertifikathandels bedeuten, daß einige indigene Völker, sofern sie nicht im Rahmen einer REDD-Initiative aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben werden oder ihnen nicht Kulturtechniken wie die Brandrodung verboten werden, von der geplanten Inwertsetzung des Kohlenstoffs profitieren, da sie über die Ausgabe eines bestimmten Währungsbetrags am Raub beteiligt werden. Sie würden sozusagen einen kleinen Teil der Beute erhalten.

Einen Wald als Holz zu betrachten stellt die erste Form der Verwertung dar, ihn als Kohlenstoffsenke zu definieren die nächst höhere. Es ist im profitorientierten Wirtschaftssystem angelegt, daß die, die ihre Konkurrenten erfolgreich niedergerungen haben - zum Beispiel Banken, transnationale Konzerne, Hedge Fonds -, und in deren Händen später die REDD-Zertifikate landen werden, immer mehr Besitz anhäufen und damit woanders Verluste generieren.

Die Möglichkeit der Kapitalakkumulation hat wesentlich zur industriellen Entwicklung und damit zur massiven Befrachtung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen beigetragen. REDD würde kein Gegenkonzept zu dieser Entwicklung sein, sondern sie auf einer qualifizierteren Ebene fortsetzen. Typischerweise wirbt die Weltbank in Durban bereits dafür, auch den Kohlenstoff im Boden (Mikroorganismen, tote Pflanzen und Tiere) in den CO2-Zertifikathandel einzubeziehen. Falls der Vorschlag durchkommt , könnten Konzerne, die gentechnisch verändertes Saatgut verkaufen, mit erheblichen finanziellen Zuflüssen rechnen. Denn bei der Gentech-Saat braucht der Boden nicht gepflügt zu werden, was die Freisetzung von Treibhausgasen begrenzt. Statt dessen würde er aber ausgerechnet mit Chemikalien auf die nächste Aussaat vorbereitet.

2. Dezember 2011