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RAUB/1052: Fiskalpakt ... alles soll besser werden, indem es schlechter wird (SB)




Mit dem nominellen Inkrafttreten des Fiskalpakts zu Jahresbeginn soll alles besser werden, indem es schlechter wird. Weniger Geld insbesondere auf kommunaler Ebene, wo ein Gutteil der Sozialtransfers ausbezahlt wird, unterzieht diejenigen Bereiche, in denen konkrete Lebensqualität durch öffentliche Angebote erzeugt wird, einer weiteren Abmagerungskur. Auf Rendite und Effizienzsteigerung durch Kostensenkung abonnierte Privatisierungen treten an die Stelle einer gemeinnützigen Organisation der Gesellschaft, für die es politisch desto weniger Handlungsbedarf gibt, je mehr der soziale Notstand um sich greift.

Schuldenbremsen bei öffentlichen Ausgaben sollen einen Staatskredit gegenüber dem Finanzkapital sichern, der ihm von diesem erst zugestanden oder eben entzogen wird. Fällen "die Märkte" das Urteil eines erhöhten Ausfallrisikos, dann verschlechtern sich die Refinanzierungsmöglichkeiten der Staaten, die wiederum auf die Ausgabenbremse treten, als könnten immer weniger Staatsausgaben diejenige ökonomische Schubkraft entfalten, derer es bedürfte, um das erklärte Ziel einer konjunkturellen Belebung der krisenhaften Volkswirtschaften zu erreichen. Man will kein Geld ausgeben, das man nicht hat, obwohl das Aufnehmen von Schulden auch in der neoliberalen Standortlogik die Voraussetzung für das angestrebte Wirtschaftswachstum und damit das Erzielen von Staatseinnahmen ist.

Sparen läuft der Logik eines auf Wachstum ausgerichteten Kapitalismus zuwider, daher wird vor allem dort gespart, wo staatlich alimentierter Verbrauch die Bedingungen der Kapitalverwertung verschlechtert. Dies nicht nur, weil am Staatskonsum nicht genügend verdient wird, sondern weil das Herrschaftsinstrument des materiellen Mangels entschärft werden könnte. Wo die physische Daseinsvorsorge demokratisches Handlungsvermögen freisetzt, wo Menschen Zeit und Platz haben, die sie nötigenden Verhältnisse unabhängig von der Indoktrinationswand der Massenmedien zu durchschauen und sich im sozialen Widerstand zu radikalisieren, da wird der Gürtel ganz gezielt enger geschnallt.

Laut der Bundesregierung hält der Fiskalpakt die überschuldeten Staaten der Eurozone "dauerhaft auf Konsolidierungskurs" - sprich schaltet den Widerstand gegen das Diktat der Kapitalmacht aus -, womit "verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen und die Ursache der Krise an der Wurzel gepackt" [1] werde. Nämliches Vertrauen ging nicht durch zu große Staatsausgaben verloren, über die "die Märkte" nicht klagten, solange sie ihre Geschäfte beflügelten. Die in Form nicht mehr bezahlbarer Zinsraten für Staatsanleihen erfolgte Mißtrauenserklärung "der Märkte" ist ein strategisches Mittel, mit dem die Eurozone, in der mehrere Staatssubjekte auf Basis einer gemeinsamen, in ihrer souveränen Nutzung durch Konvergenzkriterien begrenzten Währung gegeneinander antreten, zwecks Steigerung der privaten Kapitalakkumulation unter Sachzwänge in der Kreditaufnahme und Ausgabenpolitik gestellt werden, für deren Zustandekommen sie selbst verantwortlich zeichnen.

So lange führende Staaten der Eurozone wie die Bundesrepublik und Frankreich meinen, aus diesem Konkurrenzverhältnis Vorteile für ihre Kapitaleliten ziehen zu können, wird anhand der "Märkte" über Bande gespielt. Was als direkte Staatenkonkurrenz auf kriegerische Raubzüge hinauslief, wird in der internationalen Arbeitsteilung weltweit aktiver Monopole und Oligopole als Wettbewerb zwischen Standorten inszeniert, deren politische Entwicklung dem zum numinosen Naturzwang erhobenen Diktat der Kapitalverwertung nachgeordnet wird. Werden die Kriege nicht mehr in den Zentren kapitalistischer Produktivität, sondern in den Bruchzonen zwischen der Ausbeutung von Mensch und Natur und dem Eigeninteresse der davon Betroffenen geführt, so wird diese neokolonialistischen Ordnung auch noch als Prozeß der Zivilisierung gerühmt.

So läßt sich die Zerstörung der Lebensmöglichkeiten von Milliarden elegant als ökonomischer Sachzwang ausweisen, legitimiert von der Global Governance universaler Werte, die ihre Wirksamkeit am eindrucksvollsten als Sturmgeschütze beim Erobern neuer Investitionszonen unter Beweis stellen. Das Übel bei der Wurzel packen, indem man sich weiterhin in die Position des um Besserung bemühten Schuldners begibt, legt beredtes Zeugnis davon ab, daß die Totalität des Verwertungsprimats mit einem drastischen Verlust an Klugheit und Erkenntnisfähigkeit einhergeht. Wer agiert denn auf den "Märkten", deren Vertrauen man einem säkularen Götzenglauben gleich mit materieller Askese und moralischer Selbstgeißelung zurückgewinnen will, als die maßgeblichen Akteure politischer Willensbildung? Wie sonst sollten die Gesetze und Regeln zustandegekommen sein, die dem Kapital fast überall Vorfahrt gegenüber den Interessen der von ihm bedingten Bevölkerungen zugestehen?

Der Fiskalpakt kann keine Überakkumulationskrise bewältigen, deren naheliegendste Kur darin bestände, die aufgelaufenen, durch keine materielle Produktivität gedeckten Kapitalmengen schlichtweg in Konkurs gehen zu lassen. Die Verlängerung und Ausweitung des sozialen Elends der Austeritätspolitik ist Programm eines Paktes aus Staat und Kapital, das mit Hilfe gegen jegliche demokratische Intervention immuner, wie ausgelagerte Regierungsabteilungen funktionierender Finanzdirektorate - EZB, Rettungschirme - die ihrerseits immer unergiebiger werdenden Verwertungschancen des Kapitals durchsetzt. Eine Fiskalunion, in der soziale Standards an erster Stelle ständen und die Konkurrenzverhältnisse der EU-Staaten untereinander wie nach außen aufgehoben wären, kann nicht verwirklicht werden, weil das Stellen der Macht- und Systemfrage mit allen Mitteln unterbunden wird. Wer nur anzumerken wagt, daß die EU als angeblich zivilisatorisches Entwicklungsmodell gescheitert ist, kann aus erster Hand etwas über den wütenden Charakter der Apologie bloßer Glaubenssätze erfahren.

Fußnote:

[1] http://www.handelsblatt.com/politik/international/eurozone-fiskalpakt-tritt-zu-jahresbeginn-in-kraft/7568392.html

1. Januar 2013