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RAUB/1069: Trittins Lektion - Kindeswohl aus unionschristlicher Sicht (SB)




Verderbliches Treiben, organisiert im "Pädophilie-Kartell" - CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt läßt nichts anbrennen, wenn sich eine Gelegenheit, dem politischen Gegner Schaden zuzufügen, wie diese bietet. Auch sein CDU-Kollege Philipp Mißfelder fordert den grünen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin dazu auf, nicht mehr zur Wahl anzutreten, sei doch das, was die Grünen in Göttingen 1981 in ihrem Kommunalwahlprogramm zur Straffreiheit sexueller Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen gefordert hätten, "absolut indiskutabel und abscheulich". Nichts könnte so selbstverständlich sein, daß auf den hochmoralischen Ton verzichtet würde, ohne den niemand wüßte, daß Unionspolitikern das Kindeswohl über alles geht. Am Ärger mit Pädophilen in klerikalen Kreisen haben die Parteien mit dem großen "C" genug zu schlucken gehabt, jetzt kann endlich gegen die wirklich verwerflichen Kinderschänder ausgeholt werden. Wo sich katholische Priester im Bewußtsein sündhaften Tuns beflecken, um mit um so größerer Demut Zuflucht im Schoße der Kirche zu suchen, da geht aus der längst überwundenen Libertinage vermeintlich wohlmeinender sexueller Befreiung auch nach 30 Jahren noch akute Gefahr für die sittliche Gesundheit der Nation aus.

Der von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder beklagte "blanke Hohn gegenüber allen Missbrauchsopfern, die zu Recht mehr Ehrlichkeit von der Gesellschaft gegenüber Kindesmissbrauch verlangen" [1], läßt ein nicht zufällig verengtes Verständnis der Probleme erkennen, mit denen Kinder und Jugendliche zu kämpfen haben. CDU/CSU profitieren von einer sexistisch aufgeladenenen Medien- und Kulturproduktion, ohne zu fragen, ob Kinder durch die Ökonomisierung einer nach wie vor von Attributen der Dominanz und Unterwerfung bestimmten Sexualität Schaden nehmen. Die Unionsparteien leisten sich eine Kinderarmut, die fast ein Fünftel aller Personen unter 18 Jahren mit schlechteren Lebens- und Aufstiegsmöglichkeiten bestraft, ohne daß diese irgend etwas dazu getan hätten, daß ihre Lebenszeit durchschnittlich zehn Jahre kürzer sein wird als die des wohlhabendsten Fünftels der Bundesbürger. Wenn es nach den Unionsparteien geht, dann werden Kinder einkommensarmer Eltern auf sozialeugenische Weise diskriminiert, wie die von Familienministerin Ursula von der Leyen durchgesetzte Anrechnung des Elterngelds auf Leistungen nach Hartz IV belegt. Wo sich Kinder und Jugendliche aus ökonomischen Gründen prostituieren, da schauen Unionschristen ebenso weg wie bei der Sexualisierung einer Produktwerbung, die den Menschen zur Ware macht, weil der Verbraucher ohne Fleischbeilage merken könnte, daß er mit Plazebos abgefüttert wird.

Die Kinder von Flüchtlingen und Migrantinnen sind als Empfänger christdemokratischer und christsozialer Nächstenliebe ohnehin abgeschrieben. Wer sie in Einkaufsmeilen und Bahnhofsvierteln bettelnd antrifft, bei dem rennt der Bundesinnenminister offene Türen ein, wenn er die Verschärfung der tausende Todesopfer fordernden Flüchtlingsabwehr an den europäischen Außengrenzen verlangt. Ein Mißfelder, der die Erhöhung von Hartz IV als "Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie" (Spiegel Online, 20.02.2009) geißelt, beschädigt ganz gezielt das Ansehen von Eltern, die darunter leiden, ihren Töchtern und Söhnen nicht bieten zu können, was sie in der sozialrassistisch durchwirkten Gesellschaft vom Stigma des "Losers" befreite. Wenn schon Heranwachsende beim Schönheitschirurgen Schlange stehen, weil die soziale Selektion auch vor ihnen nicht Halt macht, wenn Schülerinnen und Schüler Symptome psychosozialen Stresses zeigen, weil sie schon in jungen Jahren Angst davor haben, in dieser Gesellschaft abgehängt und ausgegrenzt zu werden, dann verstehen Unionspolitiker dies als bloße Kollateralschäden einer ansonsten allemal beabsichtigten, den Menschen so früh wie möglich auf die Überlebenslogik der kapitalistischen Marktkonkurrenz drillenden Erziehung.

Da kommt ein Trittin gerade recht, um ihm etwas um die Ohren zu schlagen, für das er sich heute ebensowenig stark machte wie etwa für die Abschaffung der NATO oder andere rotgrüne Jugendsünden. Es würde ihm auch nichts nützen, vice versa an die personelle Kontinuität der Regierungsparteien zum NS-Staat zu erinnern, an den aktiven Schutz, den Nazis und SS-Schergen in ihren Reihen genossen. Da sei die Gnade der späten Geburt vor, die der ehemalige KB-Funktionär Trittin nicht in Anspruch nehmen kann, weil er nicht schon in jungen Jahren zu Kreuze gekrochen ist, sondern erst, als er sich aufmachte, nach höchsten Ämtern zu greifen. Das ist um so bitterer für ihn, als man der grünen Gründergeneration nicht anlasten kann, an linken Gesinnungsvergehen festzuhalten. Wenn das, was Trittin derzeit erlebt, der Lohn dafür ist, all diejenigen bekämpft zu haben, die nicht wie er rechts überholen, was von links anzugreifen ist, dann wird ihm eine Lektion erteilt, die keinen Zweifel an der Unerbittlichkeit der neofeudalen Hackordnung läßt.


Fußnoten:

[1] http://www.tagesspiegel.de/politik/paedophilie-debatte-bei-den-gruenen-politologe-franz-walter-verteidigt-trittin-gegen-ruecktrittsforderungen/8794904.html

17. September 2013