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REPRESSION/1291: Pauschale Stigmatisierung zum Islam konvertierter Bürger (SB)



Was bezwecken staatliche Sicherheitsbehörden damit, wenn sie mit Terrorwarnungen an die Öffentlichkeit gehen? Wenn der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Zierke, und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, unisono behaupten, daß Islamisten versuchen könnten, im Vorfeld der Bundestagswahlen mit Anschlägen Einfluß auf die öffentliche Meinung zu nehmen, dann steht der Bürger vor dem Problem, was er konkret gegen diese Gefahr unternehmen kann.

Sicherlich könnte er defensiv damit umgehen, indem er den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verlangt, um den angeblich zu diesem Zwecke aktiv werdenden Terroristen das Motiv für eventuelle Anschläge in Deutschland zu nehmen. Eben dies scheint nicht im Sinn der Bundesregierung zu sein, gibt sie doch eine Durchhalteparole nach der andern aus. Als solche kann auch diese Stellungnahme der Chefs zweier Sicherheitsbehörden verstanden werden. So könnte man ihr die Aufforderung entnehmen, sich durch Anschläge nicht davon abhalten zu lassen, Parteien zu wählen, die den Afghanistankrieg fortsetzen wollen.

Da jedoch kein Attentat erfolgt und die Bekanntgabe der Gefahr ausschließlich präventiver Art ist, liegt nahe, daß sie der Verschärfung der Bedrohungslage in der Bundesrepublik und des daraus resultierenden Mißtrauens der Bevölkerung gegenüber gesellschaftlichen Außenseitern gewidmet ist. Wenn Zierke ganz konkret zum Islam konvertierte Bundesbürger ins Visier nimmt und behauptet, diese kämen als Attentäter insbesondere in Frage, weil sie in der "deutschen Infrastruktur" zuhause wären, weil sie "gesellschaftlich integriert" wären und weil sie "aufgrund ihres Aussehens" nicht auffielen, dann bietet er dem geschürten Mißtrauen ein eindeutiges Ziel an.

Die Produktion eines solchen Feindbilds ist signifikant für den präventiven Maßnahmestaat, dem bürgerliche Freiheiten und Grundrechte nicht mehr heilig, sondern Mittel zum Verbergen sinistrer Absichten sind. Wer zum Islam konvertiert, wird als potentieller Terrorist stigmatisiert, gerade weil er gut integriert ist. Böte er seiner Umwelt eindeutig identifizierbare Merkmale für sein Bekenntnis, dann wäre er dem grassierenden Antiislamismus gemäß als Muslim ebenfalls suspekt. Wenn also in Deutschland lebende Menschen ohne migrantischen Hintergrund in diesem Glauben ihre religiöse Heimat finden, dann sind sie unter allen Umständen verdächtig und stellen ein zu überwachendes Sicherheitsrisiko dar.

Das angeblich gegen die islamistische Gefahr zu verteidigende Zivilisationsmodell christlich-europäischer Genese beerdigt auf diese Weise ganz ohne Zutun angeblicher Terroristen die Werte, die es vorgeblich von deren fanatisierter Weltanschauung unterscheiden soll. Selbst wenn es Ankündigungen islamischer Gruppen gegeben hat, Anschläge in der Bundesrepublik zu begehen, dann könnte diese der Absicht geschuldet sein, den Staat zu der Reaktion zu veranlassen, die er nun zeigt, um Christen und Muslime weiter voneinander zu entfremden.

Eine pauschal gegen eine Gruppe der Bevölkerung gerichtete Verdächtigung kann im Sinne der angeblich erwünschten gesellschaftlichen Kohäsion nur kontraproduktive Folgen haben. Es scheint allerdings wichtiger zu sein, dem präventiven Sicherheitsstaat Vorwände zu liefern, die Freiheitsrechte aller Bürger einzuschränken. Dafür gibt es aus herrschaftstechnischer Sicht viele Gründe, die über die Rechtfertigung geostrategischer Pläne hinausgehen.

2. Februar 2009