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REPRESSION/1538: "Nationale Kraftanstrengung" - Ärmel hochkrempeln, zupacken, abschieben! (SB)



Ärmel hochkrempeln, zupacken, abschieben! Frei nach dieser Maxime überbieten deutsche Politiker einander in der Formulierung unerbittlicher Zwangsmaßnahmen gegen Flüchtlinge, denen das Recht abgesprochen wird, in der Bundesrepublik Schutz zu suchen. Zum Abschluß der Herbstkonferenz der Innenminister gab Thomas de Maizière die Marschrichtung vor: Bund und Länder bereiteten einen Beschluß für eine "nationale Kraftanstrengung" vor, um Abschiebungen und "freiwillige" Rückführungen zu erleichtern. "Wenn man abschiebt, reisen auch mehr freiwillig aus", machte der Bundesinnenminister keinen Hehl aus der Stoßrichtung, über die auf der Konferenz Einmütigkeit herrschte. Für einen abgeschobenen Menschen verließen zwei weitere freiwillig das Land. Diese freiwillige Ausreise müsse durch finanzielle Anreize ausgebaut werden, doch dürfe der finanzielle Anreiz nicht so hoch sein, daß deswegen mehr Menschen nach Deutschland kämen. De Maizière geht davon aus, daß von den über eine Million Menschen, die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, rund 500.000 keinen Asylstatus bekommen, und die will man loswerden.

Der Minister hält eine Gesetzesänderung für erforderlich, um die Probleme bei der Identitätsfeststellung aus der Welt zu schaffen. Da viele Flüchtlinge keine oder mehrere Papiere hätten, müsse man Druck ausüben, daß es sich nicht lohne, seine Identität nicht offenzulegen. Auf ernsthaften Widerspruch stieß er dabei nicht, hielt doch der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) lediglich halbherzig dagegen, daß der vorhandene "gesetzliche Rahmen ausreichend" sei. Er sprach sich bei den Abschiebungen für eine bessere Anwendung des bestehenden Rechts aus. Die Willkommenskultur könne nur aufrecht erhalten werden, wenn man sich um die Schutzbedürftigen kümmere und die anderen ausweise. Die Bürger müßten sehen, daß der Staat handlungsfähig sei, um das Vertrauen nicht zu beeinträchtigen.

Vor der Konferenz hatte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) den harten Hund gemacht und mit einem Bündel extremer Vorschläge, die das Herz jedes Rechtsradikalen höher schlagen ließen, den Rahmen der Diskussion erweitert. Strobl machte sich unter anderem für Rückführungszentren in Ägypten und für Abschiebungen ohne Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Betroffenen stark. Auch will er die Möglichkeit der Abschiebehaft ausweiten sowie Flüchtlingen, die ihre Identität verschleiern, umgehend die Duldung verweigern. Daß diese Absichten mit dem Grundgesetz und geltendem Richterrecht schwerlich vereinbar sind, ficht ihn nicht an. Biegen läßt sich die Rechtslage allemal und wenn das nicht reicht, müssen eben neue Gesetze her.

Durchaus dankbar, daß Strobl den Part des Hardliners übernommen hat, dem gegenüber sich jeder andere Vorschlag als moderat verkaufen läßt, brachte de Maizière die Einrichtung einer bundesweiten Koordinationsstelle für Rückführungen ins Spiel. Auf diese Weise könnten praktische Fragen der Zusammenarbeit geklärt werden, etwa wer wann mit welchem Flugzeug fliegt. Vor allem nordafrikanische Herkunftsländer müßten mit Hilfe von Abkommen stärker überzeugt werden, Menschen zurückzunehmen. Daß in Ägypten eine Militärdiktatur herrscht, erwähnte der Bundesinnenminister ebensowenig wie sein Kollege aus Baden-Württemberg, schließlich unterhält die Bundesrepublik gute Beziehungen zu dem dortigen Regime. Was die Sicherheitslage in Afghanistan betrifft, sei diese kompliziert, aber auch die Regierung in Kabul stimme Rückführungen zu, erklärte de Maizière, als lasse sich damit die Abschiebung von Flüchtlingen in ein Kriegsgebiet rechtfertigen. [1]

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster gab Strobl im Gespräch mit dem Deutschlandfunk [2] Rückendeckung. Die Zuwanderung müsse gesteuert und begrenzt werden, auch wenn dies nicht immer schön sei. Seines Erachtens spreche der baden-württembergische Innenminister "ausschließlich von einer Verschärfung gegenüber Ausländern (...), die nachvollziehbar ausreisepflichtig sind und die aktiv daran arbeiten, ihre Rückführung zu verhindern". Er könne sich nicht vorstellen, daß man da "nicht konsequent durchgreifen" dürfe. Schließlich kenne er viele Beispiele, wo die Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werde, so der Obmann im Innenausschuß des Bundestages und ehemalige Direktor bei der Bundespolizei. Innenpolitiker müßten eben damit leben, auch die unangenehmen Dinge machen zu müssen. Wie unangenehm diese Dinge für die abgeschobenen Flüchtlinge sind, erörterte Schuster nicht, schließlich gelte es Recht und Ordnung umzusetzen, und dann heiße das auch "Steuern, Begrenzen, Verabschieden".

Von der Frage der Moderatorin, ob das nicht "ein bißchen zu weit" gehe, wo Strobls Ideen doch mindestens zum Teil der Verfassung und dem Asylbewerber-Leistungsgesetz widersprächen, läßt sich Schuster nicht irritieren. Hier gehe es doch um Ausländer, die "erstens vollziehbar ausreisepflichtig sind und zweitens aktiv daran arbeiten, diese Rückführung zu verhindern, indem sie täuschen, indem sie beispielsweise untertauchen, Abschiebungen verhindern". Er könne sich schlecht vorstellen, daß man da nicht entschlossen vorgehen dürfe. Lege das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf vor, der eine solche Verschärfung beinhalte, könne man mit Sicherheit davon ausgehen, daß es so richtig sei. Schließlich sei das BMI das Verfassungsressort und habe sich die Sache sicher dreimal überlegt. Wer eine solche Exekutive hat, braucht sich in der Tat keine tiefsinnigen Gedanken über Karlsruhe zu machen.


Fußnoten:

[1] http://www.tagesspiegel.de/politik/innenminister-in-saarbruecken-de-maiziere-fordert-nationale-kraftanstrengung-bei-abschiebungen/14914568.html

[2] http://www.deutschlandfunk.de/abschiebung-von-fluechtlingen-zuwanderung-steuern-und.694.de.html?

30. November 2016


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