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KRIEG/1301: Kein Entkommen aus Gaza (SB)



Die Flucht von 300 Palästinensern mit doppelter Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen erinnert daran, daß es den Zurückgebliebenen unmöglich ist, der drohenden Gefahr zu entkommen. Während die israelische Regierung den unter anderem aus den USA, Rußland, der Türkei und Kasachstan stammenden Personen die Ausreise über den Grenzübergang Eres erlaubt, müssen 1,4 Millionen Menschen ungeschützt des Unheils harren, das über sie hereinbricht, wenn zusätzlich zu den Luftangriffen israelische Panzer durch die Straßen Gazas rollen.

Seit fast drei Jahren ist es dem Gros der Palästinenser unmöglich, diesen schmalen Streifen Lands, in dem sie ihr Dasein wie in einem großen Gefangenenlager fristen, zu verlassen. Sie existieren in einem von Gnaden Israels am Leben erhaltenen oder zum Sterben verurteilten territorialen Konstrukt, das seit dem Abzug der israelischen Siedler und Soldaten nicht mehr besetzt ist, dessen Besetzung jedoch niemals aufgehört hat, weil seine Bevölkerung in allen Lebensbelangen von den Entscheidungen der israelischen Regierung abhängig ist. Der ungeklärte staatsrechtliche Zustand des Gebiets und seine hermetische Abschottung, die Anfang November durch die fast vollständige Unterbindung der von internationalen Organisationen gewährleisteten Versorgung verschärft wurde, machen Gaza zu einem warnenden Beispiel dafür, was ganzen Bevölkerungen droht, die nicht den Weisungen der von US-Präsident George H.W. Bush 1991 ausgerufenen Neuen Weltordnung folgen.

Wenn in Gaza vorzugsweise zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens Bomben und Raketen einschlagen, dann kann die Bevölkerung nicht einmal fliehen, um der Möglichkeit zu entgehen, dabei zu Schaden zu kommen. Sie lebt praktisch auf dem Präsentierteller einer ordnungspolitischen Maßnahme, die schon vor drei Jahren unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung das Recht der Palästinenser negiert hat, eine Regierung nach eigenen Vorstellungen zu wählen. Nach zwei Monaten der Totalblockade verfügen die ohnehin unterversorgten Krankenhäuser nicht mehr über die Mitteln, dem Ansturm von über 2000 meist schwerverletzten Kriegsopfern gerecht zu werden. Was Kinder in einer Situation erleben, in denen ihre Eltern nicht in der Lage sind, sie zu schützen und angemessen zu ernähren, in der sie in stromloser Dunkelheit dem Lärm der Düsenjäger und Bombeneinschläge ausgesetzt sind, die ihre Häuser erschüttert, möchte man sich nicht vorstellen.

Die Gleichgültigkeit, mit der dieser Krieg hierzulande mehrheitlich quittiert wird, läßt nichts Gutes ahnen für die Zeiten, in denen die Bundeswehr selbst in Aggressionen verstrickt sein wird, die über ihre bisherigen Besatzerfunktionen hinausgehen.

2. Januar 2009