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KRIEG/1441: Wille zur Grausamkeit qualifiziert für höchste Befehlsgewalt ... (SB)



Ein "Kriegermönch" werde er aufgrund seiner spartanischen Lebensweise genannt, lobt die Tageszeitung Christian Science Monitor (08.07.2010, www.csmonitor.com) den vom Pentagon designierten US-Oberbefehlshaber CENTCOM. Als eines der sechs alle Weltregionen abdeckenden Militärkommandos umfaßt CENTCOM mit dem Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien alle größeren von den US-Streitkräften geführten Kampfeinsätze. Dem bisherigen Befehlshaber CENTCOM, General David Petraeus, wurde die Führung des Afghanistankriegs übertragen, doch sein voraussichtlicher Nachfolger, der General des US Marine Corps James Mattis, bringt nicht weniger praktische Erfahrung als dieser mit sich.

Wie die CSM-Hagiographie glauben machen will, habe Mattis seinen Truppen im Krieg gegen den irakischen Widerstand in der Provinz Anbar den Auftrag gegeben, dem Gegner keinen Schaden zuzufügen, wenn es nicht sein muß. Mattis sei "in vielerlei Hinsicht das Vorbild dessen, was er sich von seinen Soldaten und Marineinfanteristen wünscht: Wild entschlossen, wenn er provoziert wird, und kein Augenzwinkern im Angesicht der Grausamkeit des Krieges, aber entschieden, Aufklärung und Nachsicht ebenso zu einem Maßstab des Mutes zu machen wie Gewalt" [1].

Hintergrund dieser Verklärung sind Äußerungen, die seit der Nominierung dieses Generals zum CENTCOM-Chef in der von ihm bereits heimgesuchten Region Furore machen. 2005 brüstete er sich, wie CSM keinesfalls unterschlägt, auf einem Vortrag vor Offizieren in San Diego mit dem "Höllenspaß", den es mache zu kämpfen und Menschen umzubringen. Mattis gab vor, gerne zu "raufen", und stellte afghanische Männer als notorische Frauenfeinde dar, die sowieso keine Männlichkeit mehr übrig hätten, daher mache es besonderen Spaß, sie zu erschießen. Sollten sich afghanische Männer durch diese Worte herausgefordert fühlen, so hätten Mitglieder des irakischen Widerstands noch mehr Gründe dazu, diese Wahl des US-Oberbefehlshabers als Affront zu verstehen.

Als Kommandeur der 1st Marine Division befehligte Mattis eine als besonders blutrünstig bekannte Einheit US-amerikanischer Angriffstruppen, die an vorderster Front beim Vormarsch auf Bagdad 2003 und an beiden Angriffen auf die Stadt Falluja beteiligt war. Mehrere Kriegsberichterstatter haben bezeugt, daß die Marineinfanterie zu den schießwütigsten Einheiten der US-Streitkräfte gehören. Sie gehen meist auf Nummer sicher, das heißt sie bringen jeden um, der in ihr Visier gerät, weil ja auch Kinder, Alte und Frauen Selbstmordattentäter sein könnten. Das US Marine Corps ist bekannt dafür, daß es seine Soldaten schon in der Ausbildung so schleift, daß sie zu gnadenlosen Killern werden, wenn man sie einmal von der Leine der strikten Disziplin läßt, für die ihre Waffengattung nicht minder berühmt ist.

Mattis war als befehlshabender Offizier im Einsatz, als das 1st Marine Corps am 19. Mai 2004 das in der Nähe der syrischen Grenze gelegene Dorf Mukaradeeb angriff, in dem gerade eine Hochzeit gefeiert wurde. Obwohl ein Video nachträglich den Beweis dafür lieferte, daß es sich tatsächlich um ein Hochzeitsfest gehandelt hatte, behauptete die US-Führung, daß sich irakische Widerstandskämpfer in der Siedlung aufgehalten hätten. Mattis erklärte diesen Beweis und die gut dokumentierten Aussagen der Überlebenden vor der Presse für null und nichtig. In völliger Mißachtung landesüblicher Gepflogenheiten behauptete er, daß es einfach naiv wäre anzunehmen, daß mitten in der Wüste Hochzeitsfeste stattfänden. Die Anwesenheit von zwei Dutzend Männern im wehrfähigen Alter war ihm Grund genug, seine Einheit nicht nur aus der Luft, sondern auch am Boden mit mörderischer Gewalt gegen die Hochzeitsgäste und die Familien der beiden Paare, die damals getraut wurden, vorgehen zu lassen.

42 Menschen fielen diesem Angriff zum Opfer, darunter elf Frauen und 14 Kinder. Um drei Uhr morgens wurde das Dorf bombardiert, wobei das eigens für den Anlaß errichtete Hochzeitszelt zerstört wurde. Anschließend rückten gepanzerte Fahrzeuge mit Unterstützung von Kampfhubschraubern vor, wobei sie unablässig mit ihren Maschinenwaffen feuerten. Dabei zielten sie vor allem auf das größte Haus des Dorfes und die Menschen, die sich auf der Straße befanden. Da es keine Gegenwehr gab, wurden Dutzende von Soldaten mit Unterstützung zweier Transporthubschrauber direkt ins Dorf gebracht, wo sie zwei Häuser mit Sprengstoff präparierten und in die Luft jagten.

Die Marines, die sich in der Dunkelheit des frühen Morgens mit ihren Nachtsichtgeräten einen taktischen Vorteil verschaffen wollten, konnten sich durchaus ein Bild vom friedlichen Charakter ihres Ziels machen. Eine Verwandte der zumeist umgekommenen Gastgeber berichtete damals gegenüber der Tageszeitung The Guardian [2], daß die angreifenden Soldaten nach dem Bombardement auf alles gezielt hätten, was sich noch bewegte. Sie sei mit ihrem jüngsten Kind im Arm, gefolgt von ihren beiden Jungen, auf ein Haus zugelaufen, um dort Schutz zu suchen. Dabei schlug in der Nähe eine Granate ein und verletzte sie so sehr an den Beinen, daß sie nicht mehr laufen konnte. Kurz darauf wurde sie von einer Kugel am Arm getroffen, dann entdeckte sie, daß ihre beiden Jungen bereits tot waren. Der eine war von einer Granate regelrecht geköpft worden. Als sich die amerikanischen Soldaten näherten, blieb sie liegen und stellte sich tot. Einer überprüfte das mit einem Stiefeltritt und ließ sie liegen. Auf diese Weise überlebten sie und ihr jüngstes Kind.

Mattis kommentierte den Vorwurf, ein Massaker an einer Hochzeitsgesellschaft begangen zu haben, mit den Worten, daß in Kriegen "böse Dinge" geschähen. Das trifft erst recht auf die Eroberung Fallujas zu, an der er in führender Position beteiligt war. Dabei wurden rund 6000 Zivilisten getötet, Einwohnerangaben zufolge wurden von den 50.000 Gebäuden der Stadt 36.000 zerstört, darunter zahlreiche Schulen, Krankenhäuser und Moscheen. Die Schlacht von Falluja im November 2004, der bereits mehrere Angriffe der Invasoren vorausgegangen waren, ist mit dem Begriff des Schlachtens angemessen beschrieben. Es handelte sich um ein monströses Massaker, über dessen Ausmaß in der deutschen Berichterstattung nur sehr wenig bekannt wurde.

Der weiteren Karriere des Generals James Mattis ist sein Wille zur Grausamkeit allemal förderlich. Daß eine sich christlich nennende Zeitschrift dies gerne beschönigt, weil sie sonst Schwierigkeiten hätte, die Kriege der US-Regierung weiterhin gutzuheißen, ist verständlich. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, welche Qualitäten US-Generäle in erster Linie dazu qualifizieren, über das Schicksal ganzer Bevölkerungen zu verfügen

Fußnoten:

[1] http://www.csmonitor.com/USA/Military/2010/0708/Gen.-James-Mattis-Petraeus-s-new-boss-boasts-a-salty-mouth-keen-mind

[2] http://www.guardian.co.uk/world/2004/may/21/iraq.rorymccarthy

12. Juli 2010