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KRIEG/1453: Zu wenig Anerkennung für die "Arbeit" der Bundeswehrsoldaten? (SB)



Viele Bundeswehrsoldaten beklagen sich darüber, daß ihre "Arbeit" in Afghanistan hierzulande nicht gewürdigt werde. Will man Hauke Friederichs auf Zeit Online (01.09.2010) glauben, dann macht den Soldaten zu schaffen, daß die deutsche Bevölkerung die ihnen vermeintlich zustehende Anerkennung vorenthält. Während in den USA das Motto "Support our troops" unabhängig vom Einverständnis der Bevölkerung mit der jeweiligen Kriegsstrategie durchgänge Bedeutung habe, schlage sich die mehrheitliche Ablehnung des Afghanistankriegs bei den Bundesbürgern als "unfreundliches Desinteresse" gegenüber den Soldaten nieder, so ein von Friederichs zitierter Blogger.

Wenn denn schon der Begriff der Arbeit für das Kriegshandwerk verwendet wird, dann liegt es nahe, die dabei verrichtete Leistung wie bei jedem anderen Lohnabhängigen in pekuniärer Form abzugelten. Der normale Fließband- und Kanalarbeiter erhält keine besondere Anerkennung dafür, daß er sich zum Preis mitunter schwerwiegender körperlicher Einschränkungen für ein Unternehmen oder die Allgemeinheit verbraucht. Er wird dafür bezahlt, und er wäre höchst unzufrieden, wenn ihm diese Arbeit lediglich mit lobenden Worten entgolten würde. Die in Afghanistan kämpfenden Bundeswehrsoldaten sind allesamt freiwillig in diesen Einsatz gegangen, und sie erhalten neben ihrem Sold einen Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von bis zu 120 Euro täglich. In drei Tagen kann sich auf dem Konto eines für mehrere Monate am Hindukusch stationierten Bundeswehrsoldaten eine Summe anhäufen, von der ein Hartz IV-Empfänger einen ganzen Monat leben muß. Hinzu kommen materielle Vergünstigungen bei der täglichen Versorgung sowie der Grundsold.

Wem dieser als Ausgleich der Bedrohung von Leib und Leben gewidmete Bonus als zu gering erscheint, der braucht nicht in diesen Krieg zu ziehen, weil der Staat bislang außer bei Berufssoldaten keine Handhabe hat, Soldaten dazu zu nötigen. Wenn der Soldat dem offiziellen Kriegsvorwand, es gehe in Afghanistan darum, Deutschland gegen Terroristen zu verteidigen, Glauben schenkt und daraus ableitet, daß er dort in einer besonders heroischen Mission unterwegs sei, dann wurde er bereits vom ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler eines besseren belehrt. Vor kurzem hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus noch einmal wiederholt, daß die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands zu den Aufgaben der Bundeswehr gehöre, ohne daß ihm daraus ein Strick gedreht wurde.

Vom Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit ist man also auch bei der Bundeswehr nicht frei. Wenn dort Gewaltdienstleistungen für deutsche Finanzinstitute und Industrieunternehmen vollzogen werden, dann ist dies nicht ehrenvoller als der Einsatz der vielen Erwerbstätigen, denen immer härtere Arbeitsbedingungen auferlegt werden, um die Profitrate zu steigern. Wie nun sehen die Leistungen aus, mit denen sich die Soldaten für ihren Lohn und ihre Zulage qualifzieren? Wenig überzeugend ist das Erschießen eines afghanischen Demonstranten vor dem Stützpunkt der Bundeswehr in Faisabad, das angeblich auf das Konto des afghanischen Wachpersonals geht. Die rund 10.000 Demonstranten haben anläßlich der in den USA angedrohten Koran-Verbrennung gegen die Anwesenheit der Bundeswehr in ihrem Land protestiert, was nicht gerade als überzeugender Beleg für gelingendes Nation-Building wirkt. Weil die Bundeswehr als Besatzungsmacht in einem anderen Land steht, sterben Menschen, die in der Regel bettelarm sind und von einem Lebensstandard und Schutz, wie ihn deutsche Soldaten genießen, nur träumen können.

Einen Leistungsbeweis anderer Art legte kürzlich US-Oberbefehlshaber David Petraeus vor. Allein in den letzten drei Monaten hätten seine Sondereinheiten 235 militärische Führer der "Aufständischen" getötet oder gefangengenommen. 1066 einfache Besatzungsgegner wurden getötet, 1673 festgenommen, so die Bilanz, die Petraeus in einer Pressekonferenz (03.09.2020, Associated Press) präsentierte. Wer immer als "Aufständischer" bezeichnet wird, muß keineswegs ein waffentragender Kombattant sein, wie die Opfer bei Angriffen der NATO stets mitbetroffene Zivilbevölkerung belegt. Fast 4000 Spezialoperationen, also verdeckte Operationen mit dem Ziel des Umbringens oder der Gefangennahme, wurden zwischen Mai und August diesen Jahres von den US-Streitkräften in Afghanistan durchgeführt, so Petraeus stolz. Die weniger lautstark präsentierte Seite der Kriegführung des Targeted Killing präsentierte ein Petraeus-Berater aus dem Irak im Mai 2009 vor dem Außenpolitischen Ausschuß des US-Repräsentantenhauses. Oberst David Kilcullen rechnete den Abgeordneten vor, daß die USA seit 2006 mit Drohnenangriffen 14 Al Qaida-Führer getötet hätten, dabei aber 700 pakistanische Zivilisten ums Leben kamen.

Auf das von der CIA im Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan durchgeführte Programm extralegaler Hinrichtungen, sprich Mord, wurden 2009 etwas über 25.000 Flugstunden von Drohnen verwendet. 2010 soll sich diese Zahl fast verzehnfachen. Der verdeckte, informelle Krieg nimmt also Formen an, die an das blutige Phoenix-Programm in Vietnam erinnern, bei dem zwischen 20.000 und 50.000 Vietcong und Zivilisten auf zum Teil überaus brutale Weise von Sondereinheiten des US-Militärs und operativen Kräfte der CIA ermordet wurden.

Vor diesem Hintergrund ist die mangelnde moralische Unterstützung der "Arbeit" der Bundeswehrsoldaten keineswegs negativ zu bewerten. Anerkennenswert ist, wenn Soldatinnen und Soldaten zu der Einsicht gelangen, daß die Bundeswehr sich dem originären Verfassungsauftrag gemäß strikt auf die Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik beschränken sollte, daß sie aus Afghanistan abzieht und daß die NATO abzuschaffen ist. Anerkennenswert sind alle Aktivitäten, die gegen die negative Wertschöpfung kriegerischer Produktivität, in der das neokonservative Transformationsprinzip der kreativen Zerstörung maximiert wird, verstoßen. Wenn jemand in dieser Gesellschaft Anerkennung verdient und nicht erhält, dann die kleine Schar von Antimilitaristinnen und Antimilitaristen, die sich weder durch staatliche Repression noch mangelnde gesellschaftliche Unterstützung von ihrem Einsatz dafür, die antastbare Würde des Menschen unantastbar zu machen, abhalten läßt.

12. September 2010