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KRIEG/1501: Panzerdeal mit Saudi-Arabien ein Schlag gegen arabische Demokratiebewegung (SB)



"Die Bundesrepublik sollte nicht -- sei es aus kommerziellen, sei es aus strategischen Gründen -- der große Waffenexporteur werden. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Regierung nicht schamhaft verstecken soll, was sie tut ..." Was CSU-Chef Franz Josef Strauß im Interview mit dem Spiegel 1978 zu Protokoll gab, tat er nicht als ehemaliger Verteidigungsminister mit engen Verbindungen zur deutschen Rüstungsindustrie kund. Es war ein Angriff auf die sozialliberale Koalition, die in Sachen Rüstungsexporte nichts anderes tat als jede andere BRD-Regierung vor ihr. Und so hatte der rührige CSU-Politiker denn ein Einsehen und antwortete auf die Frage, was er von dem Prinzip der Bonner Regierung halte, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, mit dem berühmt gewordenen Credo jedes Rüstungslobbyisten: "Ich verstehe überhaupt nicht, was Waffen in Nicht-Spannungsgebieten verloren haben." [1]

Franz-Josef Strauß wäre als ehemaliger Landesvater eines Industriestandorts mit einer Anzahl wichtiger Rüstungsbetriebe sicherlich nicht unglücklich darüber, wenn er wüßte, daß die Bundesrepublik heute drittgrößter Exporteur von Kriegswaffen in alle Welt ist. Der Logik, daß diese gerade dort gebraucht werden, wo hegemoniale Ziele kaum mehr anders als auf militärische Weise erreicht werden können und sich friedliche Möglichkeiten der Konfliktlösung immer mehr erschöpfen, scheint sich auch die schwarzgelbe Bundesregierung nicht entziehen zu wollen. Der bislang unbestätigte, aber auch undementiert gebliebene Bericht von Spiegel Online, laut dem die Regierung Saudi-Arabiens an mehr als 200 Panzern vom Typ Leopard 2 Interesse bekundet habe und damit im Bundessicherheitsrat auf offene Ohren gestoßen sei [2], verweist auf eine lange Tradition deutschen Engagements in Krisenregionen von entschieden antihumanitärer Art.

Allerdings gibt es für die grüne Opposition im Bundestag, die den angestrebten Deal unter Verweis auf die Rüstungsexportrichtlinien mit starken Worten geißelt, keinen anderen Grund, in den Harnisch zu gehen, als die eigene Verantwortung für entsprechende Waffenexporte vergessen zu machen. Die Genehmigung der Lieferung von 298 ausgemusterten Exemplaren des Leopard 2 an die Türkei im Jahr 2005 erfolgte unter dem Vorwand einer angeblich gegenüber der kurdischen Bevölkerung nicht mehr gegebenen Gefahr durch die Regierung in Ankara. Diese etwa von der ehemaligen Kurdenaktivistin und grünen Sicherheitsexpertin Angelika Beer vertretene Ansicht [3] wurde nicht nur durch die anhaltende Repression gegen diese Minderheit widerlegt, sie liegt auf einer Linie mit der auch von grünen PolitikerInnen unterstützten Bombardierung Libyens, dessen Bevölkerung man angeblich auf diese Weise Schutz bieten will. Unbeirrt von der anhaltenden Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung genehmigt die schwarzgelbe Bundesregierung die Lieferung weiterer Leopard 2-Panzer in die Türkei, die nicht zuletzt aufgrund dieser Waffenhilfe größter Abnehmer deutscher Rüstungsgüter ist.

Hochentwickelte, für die Aufstandsbekämpfung ebenso wie in offenen Feldschlachten einzusetzende Panzer nach Saudi-Arabien zu exportieren übertrifft die Brisanz der Aufrüstung des NATO-Staates Türkei jedoch um einiges. Das saudische Königshaus übt nicht nur eine weit repressivere Herrschaft über seine Bevölkerung aus als die Regierung Erdogan, es ist aufgrund dessen auch akut durch die Revolten in der arabischen Welt bedroht. Seine Bereitschaft, diese mit aller Brutalität niederzuschlagen, hat es bereits in Bahrain unter Beweis gestellt. Die Invasion saudischer Truppen erfolgte unter praktischer Gutheißung der US-Regierung, die einen wichtigen Marinestützpunkt in dem kleinen Golfkönigreich unterhält. Um die legitimen Forderungen der bahrainischen Bürger zu hintertreiben, wurde in Washington irreführenderweise unterstellt, die schiitische Bevölkerungsmehrheit des Landes werde vom Iran für dessen unheilige Zwecke instrumentalisiert.

Mit diesem großen Nachbarn steht Saudi-Arabien denn auch auf eher unfreundlichem Fuß, was die Aufrüstung des Landes mit Kriegswaffen um so prekärer macht. Die schon von der Bush-Regierung initiierte Strategie, arabische Staaten mit sunnitischer Mehrheit in eine gemeinsame Front mit Israel gegen den Iran zu manövrieren, ist keineswegs gescheitert, sondern gewinnt durch die Veränderungen in der arabischen Welt neue Relevanz. Die im Rahmen der Neuordnung der Region durch die frühere US-Administration artikulierte Absicht, den "schiitischen Halbmond" vom Iran über Irak bis zum Libanon unter Einbeziehung des mit dem Iran verbündeten Syrien zu zerschlagen, bietet sich als Konterstrategie zur Sicherung der westlichen Hegemonie über die nach Eigenständigkeit strebenden arabischen Bevölkerungen an.

Mit der Lieferung von über 200 Leopard 2-Panzern an Saudi-Arabien baute die Bundesrepublik ihren Einfluß auf eine Krisenregion aus, deren Entwicklung maßgeblich von den USA bestimmt wird. Die Regierung in Riad hat der US-amerikanischen Rüstungsindustrie zuletzt ein Waffengeschäft im Umfang von 60 Milliarden Dollar beschert. Die seit Jahrzehnten enge Zusammenarbeit zwischen ihr und Washington sorgt auch dafür, daß von Saudi-Arabien keine Gefahr für Israel droht. Als Garant der US-amerikanischen Hegemonie in der Region kann das saudische Königshaus dementsprechend sicher sein, daß die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung in Washington als notwendige Voraussetzung zum Erhalt des Status quo verstanden wird. Eine Rebellion gegen das autoritäre Regime in Riad, demgegenüber der Iran fast als Hort der Demokratie erscheint, wird auf diese Weise so gut wie unmöglich gemacht. Weder die EU noch die USA können Interesse an einem Machtwechsel in Riad haben, der die Möglichkeit eines grundlegenden Kurswechsels der Außenpolitik des Landes eröffnete.

Kein Wunder also, daß die Bundesregierung sich in der Sache bedeckt hält. Mit der Genehmigung des Panzer-Deals erwiese sie sich um ein weiteres als Unterstützerin despotischer arabischer Regimes. Während die NATO-Staaten mit dem Finger auf Gaddafi zeigen und die Befreiung der Libyer von einem politischen System herbeibombardieren, das der Bevölkerung weit mehr Rechte gewährt als die saudische Monarchie, wird am Persischen Golf der nächste Krieg für die Durchsetzung neokolonialistischer Verhältnisse vorbereitet.

Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40942726.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,772190,00.html

[3] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/311413/

4. Juli 2011