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KRIEG/1530: Lodengrüne Genderdebatte ... gleiche Rechte für Landserinnen (SB)



Propagiert man ein im ideologischen Dunstkreis der Neuen Rechten angesiedeltes "rückwärtsgerichtetes, biologistisches Menschenbild mit traditionellen Geschlechterrollen", wenn man die Forderung nach mehr Gleichstellung von Soldatinnen in der Bundeswehr nicht unterstützt? Handelt es sich um ein emanzipatorisches Anliegen, wenn man "verstärkt auf die Besetzung von militärischen und zivilen Führungspositionen in der Bundeswehr durch Frauen" hinwirkt, "im Hinblick auf die Karrieremöglichkeiten vor allem auch die Vereinbarkeit von Familie und Dienst" fördert sowie sicherstellt, "dass Werbemaßnahmen der Bundeswehr Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen", um "den Anteil von Soldatinnen kurzfristig auf mindestens 15 % zu erhöhen"? Was die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2000 erstrittenen und 2001 verwirklichten Öffnung der Bundeswehr für den Dienst an der Waffe durch Soldatinnen beantragen, dokumentiert das ganze Elend einer Gleichstellungspolitik, die sich wesentlicher politischer Fragestellungen entzieht.

In einem Antrag (17/7351) [1] vom 19. Oktober 2011 drängen grüne Abgeordnete darauf, den Anteil der 17.500 Soldatinnen der Bundeswehr von derzeit 9 auf 15 Prozent zu erhöhen und ihrer Gleichstellung im Rahmen der Reform der Streitkräfte "einen weiteren Schub zu verleihen". Ohne echte Gleichberechtigung werde die Bundeswehr nicht in der Lage sein, glaubwürdig zu vermitteln, daß sie ein "Arbeitsplatz für Frauen und Männer" sei, um "qualifizierte und motivierte Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen". Moniert wird, daß die Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 18. Mai 2011 anfangs keinen einzigen Hinweis auf Frauen und Gleichstellung enthielten, so daß nachgebessert werden mußte. Zur Erinnerung - mit den dort formulierten Leitsätzen werden Kriege im Zeichen des "nationalen Selbstbehauptungswillens" geplant, den mit militärischen Mitteln durchzusetzen Verteidigungsminister Thomas De Maizière dazu veranlaßt, die Bundeswehr "vom Einsatz her" zu denken [2]. Von Verteidigung im Sinne des Grundgesetzauftrags zu sprechen ist angesichts der Zwecke und Ziele, die diesem Dokument zu entnehmen sind, nur noch sehr bedingt zutreffend.

So heben die Grünen in ihrem Antrag, gänzlich unbeeindruckt von der eigenen Kritik an der biologistischen Dequalifizierung moderner Kriegerinnen, hervor, daß Frauen "einen wichtigen Beitrag für ganzheitliche Ansätze zur Verhütung und Beilegung von Konflikten leisten und zudem den Zugang zu der weiblichen Bevölkerung in Konfliktregionen oft erst ermöglichen" könnten. Sie verweisen dazu auf die UN-Resolution 1325, in der gefordert wird, die Rechte von Frauen in Kriegsgebieten besser zu schützen und sie gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, in Mediationsprozesse und in den Wiederaufbau einzubeziehen. Die Auslegung der Grünen, die Kriegführung der Bundeswehr sei identisch mit den in Resolution 1325 [3] gemeinten Formen der Konfliktbewältigung, ist schon deshalb abenteuerlich, weil in dem gesamten Dokument nur in sehr geringem Maße davon die Rede ist, daß es um die Rechte von Soldatinnen gehe. Zwar wird dort ein größerer Beitrag "von Frauen bei den Feldmissionen der Vereinten Nationen" angestrebt, "insbesondere bei den Militärbeobachtern, der Zivilpolizei, bei Menschenrechts- und humanitärem Personal", doch damit erschöpft sich die Auslegbarkeit des Dokuments im Sinne einer Militarisierung der Konfliktbewältigung durch Frauen. In allererster Linie geht es um den Schutz von Frauen vor kriegsbedingten Formen der Gewalt, denen sie seit jeher in besonderem Maße ausgesetzt sind. Wenn also frauenbewegte Grüne in einem sicherheitspolitischen Kontext, in dem die politische Bedeutung der Bundeswehr gemeinhin diskutiert wird, die stärkere Einbeziehung von Soldatinnen in die Bewältigung internationaler Konflikte fordern, dann instrumentalisieren sie die Rechte besonders schutzwürdiger Menschen einmal mehr für imperialistische Interessen.

Wie immer der Zugang, den sich deutsche Soldatinnen in Afghanistan zu dort lebenden Frauen verschaffen, aussehen mag, so erfolgt er aus der Höhe militärischer Besatzer, die in diesem Land auch von säkularen Afghaninnen als Teil des Problems und nicht der Lösung betrachtet werden. Die Probleme, die afghanische Mütter in einem Land, in dem bis zu einem Drittel der Bevölkerung hungert, bei der Versorgung ihrer Kinder haben, die Traumata, die Frauen und Kinder durch Bombardierungen, Überfälle und die gezielte Ermordung einzelner Personen durch Killerkommandos der NATO erleiden, sind Bestandteil militärischer Interventionen, auch wenn sie von Soldatinnen ausgehen. Schlimmstenfalls könnte die Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung mit der Absicht erfolgen, kriegswichtige Informationen zu erhalten, die auf anderem Wege nicht verfügbar wären. Was die angeblich positive Rolle der NATO bei der allgemeinen Durchsetzung von Frauenrechten betrifft, so reicht ein Blick nach Libyen aus, um den Zynismus dieser Behauptung zu dokumentieren.

Die Auseinandersetzung mit patriarchalischer Herrschaft innerhalb des zutiefst patriarchalischen Systems des Militärs zu führen und darüberhinaus zur Legitimation imperialistischer Kriege beizutragen verengt den Gleichstellungsgedanken auf die Adaption dessen, was sozialrevolutionäre Frauen seit jeher bekämpfen. Die Karriere als Soldatin verändert nicht die Bundeswehr, sondern erweitert das Regime militärischer Kujonierung und Unterwerfung auf Frauen. Es gibt keinen Grund, dies einem Menschen aufgrund seines Geschlechts oder Zwischengeschlechts zu verwehren. Doch das angeblich emanzipatorische Ideal, endlich auch am Abzug eines MGs, am Steuerknüppel eines Bombers oder an der Konsole einer Drohne auf Menschenjagd zu gehen, belegt die erfolgreiche Okkupation einst linker Forderungen durch im Wortsinn herrschende Interessen. So erweist sich eine unter diesem Vorzeichen geführte Genderdebatte als Fleisch vom Fleische jener homophoben Verächtlichkeit, der Soldatinnen und Soldaten gleichermaßen ausgesetzt sind, wenn sie im leistungs- und durchsetzungsbetonten Drill der Kampfausbildung nicht ihren "Mann" stehen können.

Gleichstellung reduziert sich auf Vergleichbarkeit unter der Maxime, die "Arbeit" des Tötens und Zerstörens auf eine Weise zu verrichten, die im Ernstfall eben doch "geschlechterneutral" ist. Zu behaupten, wie es die grünen Bundestagsabgeordneten, unter ihnen Hans-Christian Ströbele, tun, daß Männer und Frauen "nach wie vor aufgrund ihrer unterschiedlichen Sozialisation andere Wege bei der Konfliktvermeidung oder -lösung" einschlügen, entspringt der gezielten Verwechslung von Vorwand und Praxis imperialistischer Kriegführung. Hätte ein weiblicher Offizier das Massaker von Kunduz nicht befohlen, obwohl es im Rahmen einer übergeordneten strategischen Ratio erfolgte und sich der verantwortliche Befehlshaber heute in der Bundeswehr des Ruhmes eines heimlichen Helden erfreut? Erfahrungen aus anderen Streitkräften, in denen sich Soldatinnen ganz im Gegenteil dazu genötigt fühlen, sich unter den Augen ihrer männlichen Kollegen durch besonders hartes Vorgehen gegen die einheimische Bevölkerung hervorzutun, sprechen dagegen [4]. Die bereitwillige Beteiligung von Gender-Aktivistinnen in kriegslegitimierende Projekte wie etwa die Internationale Konferenz Gender, Frieden und Sicherheit [5] zeugt nicht minder als die Gleichstellungspolitik der Bundeswehr davon, daß die Positionierung gegen kriegerische Gewalt Ausdruck eines Mutes ist, der jeglicher Genderisierung vorausgeht, weil das prinzipielle Eintreten für das schwache, in den Staub geworfene und bis in die letzte Zelle ausgebeutete Leben frei von der Notwendigkeit gesellschaftlicher Anerkennung ist.

Fußnoten:

[1] http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=Deutscher%2BBundestag%2BDrucksache%2B17%2F7351&source=web&cd=1&ved=0CB0QFjAA&url=http%3A%2F%2Fdip.bundestag.de%2Fbtd%2F17%2F073%2F1707351.pdf&ei=bSS5TvHPCqiB4AS1sYWUCA&usg=AFQjCNFJsvJYM6WeS26-9i8V_5SXOKXg2g

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/hege1716.html

[3] http://www.gwi-boell.de/downloads/WortlautderUN.pdf

[4] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/volk1406.html

[5] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/volk1435.html

http://www.gender-peace-security.de/

8. November 2011