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KRIEG/1532: Menschenrechtskrieger Tom Koenigs ruft zur nächsten Front (SB)



Dem Grünenpolitiker und Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Tom Koenigs, geht die Interventionsbereitschaft der Europäer in Afrika längst nicht weit genug. Wie er im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur [1] unterstrich, könne und müsse man im Vorfeld "militärischer Einsätze" sehr viel mehr Druckmittel zur Anwendung bringen, als das bislang praktiziert wird. Dies war eines der Themen bei einer Veranstaltung in Berlin, bei der sich die Grünen am Vortag dafür ausgesprochen hatten, nicht nur zu warnen, sondern frühzeitig in Aktion zu treten. Schließlich müsse man Staaten, die sich in einer "Streßsituation" befänden, beim Schutz ihrer Bevölkerung unterstützen wie auch der Zivilgesellschaft in solchen Ländern stärker zur Seite stehen. Das habe Europa in Nordafrika falsch gemacht. Dort habe man auf die Diktatoren gesetzt und die aktive demokratische Zivilgesellschaft übersehen, die ganz andere Interessen verfolge.

Will Koenigs allen Ernstes glauben machen, die europäischen Regierungen hätten irrtümlich auf nordafrikanische Regimes gebaut? Stellte er die auf der Hand liegende Überlegung an, daß Despoten aus europäischer Sicht gerade deshalb geschätzt wurden, weil sie ihre Bevölkerung fest im Griff hatten, käme er zwangsläufig zu Schlußfolgerungen, die er tunlichst ausblendet. Die Hegemonialpolitik Europas ließe sich umgehend als System der Ausbeutung und Unterdrückung analysieren, das mit Hilfe der Statthalterschaft und Kollaboration außerordentlich repressiver Führungskreise in Nordafrika entuferte. Waren die Anliegen der Menschen in diesen Ländern nie etwas anderes als Verhandlungsmasse, derer man sich im Zweifelsfall zum eigenen Nutzen bediente, so gilt das um so mehr für Interventionen im Namen der Menschenrechte.

Die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect), auf die sich Koenigs beruft, hebelt das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates und damit das absolute Interventionsverbot, wie es in Art. 2 Ziff. 7 der Charta der Vereinten Nationen verankert ist, aus. Während zuvor schon die sogenannte humanitäre Intervention dieses Prinzip aufgeweicht hatte, geht die Schutzverantwortung noch darüber hinaus: Sie legalisiert den Eingriff bei innerstaatlichen Konflikten und spricht dem betreffenden Staat das Recht auf Nichteinmischung ab. Zudem erweitert sie die Palette der Zwangsmaßnahmen in Gestalt eines gestaffelten Systems von Sanktionen.

Die Legalisierung des Angriffskriegs samt seiner vorgelagerten Zwangsmaßnahmen, denen wie im Falle eines langjährigen Embargos mitunter noch mehr Menschen zum Opfer fallen als dem letztendlichen Waffengang selbst, bestätigt die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, indem sie von ihnen absieht. So müssen denn auch die grünen Menschenrechtskrieger den auf der Hand liegenden Umstand vernebeln, daß allein die Führungsmächte darüber entscheiden, wo und mit welchen Mitteln einzugreifen, wer zu eliminieren und wer vor den internationalen Strafgerichtshof zu zerren sei.

Daß selbst ein karrieristisch gestählter lodengrüner Politiker wie Tom Koenigs auf dem seifigen Boden vermiedener Widerspruchslagen auszurutschen droht, nimmt nicht wunder. Bei einem solchen Ausmaß an gezielter Verdrängung zugunsten eigener Vorteilsnahme brechen verräterische Argumente geradezu an die Oberfläche durch. Auf den mürrischen Vorwurf des Journalisten, daß die Einflußnahme von außen im Falle Syriens offensichtlich nicht funktioniere, belehrt Koenigs ihn schlau, daß dort eine militärische Intervention vollkommen unmöglich sei. Die Armee sei groß und loyal, die Nachbarschaft nicht bereit, derartiges zu tolerieren. Sollte demnach der einzige Schutz eines Staates gegen einen Angriffskrieg europäischer Mächte seine Wehrhaftigkeit und Bündnispolitik sein, heißt das im Umkehrschluß, daß man im Falle mißliebiger und schwacher Regierungen sofort zuschlagen könne.

Das habe in Libyen bestens funktioniert, zieht Koenigs zufrieden Bilanz. Gaddafi habe ein Massaker in Bengasi angekündigt, worauf nach Versagen aller anderen Druckmittel ein Militärschlag autorisiert worden und das Massaker verhindert worden sei. Das Prinzip habe sich also bewährt, und daß es im weiteren Verlauf auch Verstöße gegen den Schutz der Zivilbevölkerung gegeben habe, sei bedauerlich und müsse genauso kritisiert werden, so Koenig. Wo er angesichts Zehntausender Opfer des Krieges euphemistisch von "Verstößen" spricht, meint er offensichtlich nicht den Luft- und teils auch Bodenkrieg der beteiligten NATO-Staaten. Natürlich nicht, träte dabei doch der Aberwitz zu Tage, vermutlich bis zu 50.000 Menschen abzuschlachten, ganze Städte zu verwüsten und dies als erfolgreichen Schutz der Zivilbevölkerung zu verkaufen.

Solche Widersprüche läßt sich Koenigs tunlichst nicht auf die Füße fallen, da sie ihn schließlich zur sachkundigen Beförderung weiterer und vermehrter Interventionen tragen sollen. An akutem Handlungsbedarf herrscht seines Erachtens kein Mangel, hätten sich doch "bedauerlicherweise" anders als in Libyen die regionalen Organisationen noch nicht von Assad abgewandt. Glücklicherweise gebe es keine Schwelle für den Krieg, da der Sicherheitsrat mit seinen Mehrheiten darüber entscheide. Das sei auch sehr weise, da die Fall-zu-Fall-Basis zögerliches Abwarten verhindere und den Einsatz adäquater Mittel je nach regionaler Lage gestatte.

Der Grünenpolitiker preist mit dem Sicherheitsrat einen Inbegriff auf überlegener Waffengewalt basierender Willkür als weises Regime der Ermächtigung, das die lästigen Hürden vor der Intervention im Handumdrehen überspringt und zuschlägt, wo immer dies opportun erscheint. Nicht lange fackeln, heißt die Devise, denn Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberung, wie sie die Schutzverantwortung für die Verhängung von Sanktionen voraussetzt, sind durchaus dehnbare Begriffe. Da sie von denjenigen in Stellung gebracht werden, die über die Machtmittel verfügen, sie gegen Schwächere durchzusetzen, was umgekehrt niemals der Fall ist, verwandeln sie sich in geschmeidige Instrumente legalisierter Herrschaftssicherung mit gewaltsamen Mitteln.

Das ist ein Szenario nach dem Geschmack grüner Politiker wie Tom Koenigs, die nicht nur als Mitläufer trommeln, sondern in führender Position den Ton angeben wollen. Koenigs zeigt, wie der Marsch durch die Instituionen geht, war ihm doch als Protegé Joseph Fischers, der den Auslandseinsatz der Bundeswehr salonfähig gemacht hat, ein Gipfelsturm beschieden. Vom Umweltdezernenten und Stadtkämmerer in Frankfurt am Main führte ihn sein Weg schnurstracks zu den Vereinten Nationen, wo er sich als stellvertretender Sonderbeauftragter des Generalsekretärs im Kosovo die Sporen verdiente. Es folgte die Leitung der UN-Friedenssicherungsmission in Guatemala, worauf er als Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe ins Auswärtige Amt wechselte. Koenigs war zudem UN-Sonderbeauftragter für die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und zog 2009 als Abgeordneter in den Bundestag ein. Stets unter dem Banner der Menschenrechte und lange unter den Fittichen Fischers ist er längst flügge geworden und kreist vorerst nur in Gedanken am Himmel Syriens und des Irans, während er Sanktionspläne schmiedet, um seinen nächsten Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Fußnote:

[1] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1600991/

10. November 2011