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KRIEG/1563: Kriegstreiber drängen auf gewaltsamen Regimewechsel in Syrien (SB)




Ginge es den westlichen Mächten tatsächlich um eine Parteinahme für die Bevölkerung Syriens gegen Ausbeutung und Unterdrückung, sähe die Unterstützung Zehntausender syrischer Flüchtlinge anders aus. Daß ihnen die finanziellen Mittel zu deren Versorgung ausgehen, beklagen internationale Helfer, wobei das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bilanziert, daß nicht einmal 20 Prozent der vor einem Monat für die Syrien-Nothilfe veranschlagten 84 Millionen Dollar von Geberländern bereitgestellt worden seien. Bei einem Arbeitstreffen in Genf äußerten auch viele andere Hilfsorganisationen ähnliche Sorgen. Wie eine Sprecherin der UNHCR berichtete, hätten von den 34 humanitären Organisationen, die an der Unterstützung der inzwischen rund 61.000 syrischen Flüchtlinge in benachbarten Ländern beteiligt sind, bislang nur acht finanzielle Unterstützung von Geberstaaten erhalten. [1]

Was in Syrien auf dem Spiel steht, faßte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN mit den Worten zusammen, er erachte einen Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für "sehr positiv". Dieser habe seine Legitimität verloren, und seine Entmachtung würde den iranischen Einfluß in der Region schwächen. Allerdings unternehme die internationale Gemeinschaft nicht genug, um Assad zum Rücktritt zu zwingen. "Der Sturz Assads wird ... ein heftiger Schlag für den Iran sein ... Es wird ein sehr positives Ereignis sein", so Barak. [2]

Die Vereinigten Staaten, die führenden Mächte Europas und Israel haben den Regimewechsel in Damaskus auf die Tagesordnung gesetzt, der den Angriff auf den Iran vorbereiten soll. Diese Reihenfolge ist nicht zwingend notwendig, würde den riskanten Militärschlag gegen Teheran aber erleichtern, der die gesamte Region in ein Blutbad zu stürzen droht. Hielte Rußland nicht mit Blick auf seine eigenen geostrategischen Interessen der syrischen Führung halbwegs den Rücken frei, würde das Land vermutlich längst das Schicksal Libyens teilen.

Die Aggressoren sehen sich unter diesen Umständen genötigt, die Palette kriegsvorbereitender Schritte vollständig auszuschöpfen. Sie agieren dabei wie immer in solchen Fällen mit verteilten Rollen, um inhaltliche Kontroversen vorzutäuschen, Prozeßverläufe zu simulieren, Rücksicht auf die Stimmungslage in der jeweils eigenen Bevölkerung zu nehmen, divergierende Partialinteressen auszusteuern und nicht zuletzt den längst geplanten Angriffskrieg zu legitimieren.

"Wir müssen anfangen, im Sicherheitsrat sehr energisch auf eine Resolution nach Kapitel VII hinzuarbeiten", erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton nach einem Treffen von Mitgliedern der "Freunde Syriens" in Paris, jener dubiosen Gruppe arabischer und westlicher Staaten zur Neuordnung der Region nach ihren Maßgaben. Die Sanktionen sollten neben der Beschränkung von Reisen und Finanzgeschäften auch ein Waffenembargo beinhalten. Der Sicherheitsrat müsse so den Druck auf das Assad-Regime erhöhen, um es zur Einhaltung des Sechs-Punkte-Plans zu bringen.

Die 1945 unterzeichnete Charta der Vereinten Nationen befaßt sich in Kapitel VII mit der Vorgehensweise im Falle einer Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Danach muß der Sicherheitsrat zunächst feststellen, "ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt" (Artikel 39). Um einer Verschärfung der Lage vorzubeugen, kann das Gremium die Konfliktparteien auffordern, den "für notwendig oder erwünscht erachteten vorläufigen Maßnahmen Folge zu leisten" (Artikel 40). Artikel 41 regelt, welche Maßnahmen jenseits militärischer Gewalt wie etwa der Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder wirtschaftliche Sanktionen ergriffen werden könnten. Reichen die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen nicht aus oder haben sie sich als unwirksam erwiesen, kann der Sicherheitsrat laut Artikel 42 zu militärischen Mitteln greifen.

Was unter dem Eindruck des gerade zu Ende gegangenen Zweiten Weltkriegs als Instrumentarium zu einer Verhinderung künftiger Waffengänge konzipiert worden war, trug bereits die Möglichkeit in sich, diesen Ansatz eines Tages in sein Gegenteil zu verkehren. Heute wird die Abfolge gestaffelter Sanktionen nicht eingesetzt, um Kriege zu verhindern, sondern um sie gezielt herbeizuführen, ohne dabei unverhohlen als Aggressor in Erscheinung zu treten. Auf diese Weise okkupieren die USA und ihre Verbündeten die Doktrin internationaler Sicherheit zu Rechtfertigung ihrer weltweiten Feldzüge.

Vor den NATO-Verteidigungsministern in Brüssel sprach Clinton von einem "Wendepunkt", an dem die Gewalt in Syrien entweder ende, oder die USA andere Wege fänden, um Druck auf Damaskus auszuüben. Zuvor hatte die Außenministerin in einem CNN-Fernsehinterview erklärt: "Die USA stehen bereit, das zu tun, was die Internationale Gemeinschaft zu Syrien entscheidet." Zu dieser Aussage steht nur scheinbar in Widerspruch, daß US-Verteidigungsminister Leon Panetta zurückhaltendere Töne anschlägt. Seines Erachtens gebe es keine Wunderwaffe, um das Blutvergießen in Syrien über Nacht zu beenden. "Uns muss bewusst sein, dass eine Militärintervention die angespannte Lage verschlimmern und noch mehr Zivilisten in Gefahr bringen könnte", sagte er vor dem Militärausschuß des Kongresses. [3] Panetta setzt darauf, die syrische Opposition zu stärken, was seinerseits der Absicht geschuldet ist, die derzeitige Führung des Landes gewaltsam durch eine prowestliche zu ersetzen.

Die modifizierte Militärdoktrin US-Präsident Barack Obamas sieht eine stärkere Einbindung der europäischen NATO-Partner bei Konflikten im Nahen und Mittleren Osten vor, während sich die USA in derartigen Fällen auf die logistische Unterstützung beschränken wollen, wie dies tendentiell bereits im Libyenkrieg praktiziert wurde. Auch im Falle Syriens sind es erneut die Franzosen, die in vorderster Front als Kriegstreiber in Erscheinung treten. So forderte Außenminister Alain Juppé beim Treffen der Syrien-Kontaktgruppe in Paris "robust ausgerüstete" UN-Beobachter, die etwa 500 Mann umfassen und auch über Hubschrauber verfügen sollten. Frankreichs sozialistischer Spitzenkandidat François Hollande erklärte dazu, er würde im Falle seiner Wahl einen Militäreinsatz in Syrien unter UN-Führung unterstützen.

Unterdessen haben die Aufständischen in Syrien die sogenannte internationale Gemeinschaft zu einer Militärintervention auch ohne UN-Mandat aufgefordert. General Mustafa Ahmed al-Scheich, Chef des Militärrats der "Freien Syrischen Armee", rief in einer Videobotschaft auf einer Website der Opposition "Länder, die dem syrischen Volk nahestehen" auf, eine Militärallianz zu bilden und auch ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats "wichtige Einrichtungen des Regimes" zu bombardieren. So hat der Chor der Kriegstreiber viele Stimmen, die in ihrem Zusammenklang ein und dieselbe Botschaft des gewaltsamen Regimewechsels in Syrien intonieren, der längst beschlossene Sache ist.

Fußnoten:

[1]‍ ‍http://www.n-tv.de/politik/Uno-arbeitet-an-Resolution-article6078206.html

[2]‍ ‍http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article2253804/Unruhe-in-Homs-USA-will-Sanktionen-verschaerfen.html

[3]‍ ‍http://www.neues-deutschland.de/artikel/224820.interventionswettlauf-um-syrien.html

21.‍ ‍April 2012