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KRIEG/1593: Barack Obama strebt Legalisierung des Drohnenkriegs an (SB)




Friedensnobelpreisträger Barack Obama treibt den Krieg auf die Spitze. Hatte sein Amtsvorgänger George W. Bush mit feindlichen Kombattanten, Entführungsflügen, Folterlagern und Guantánamo eine neue Dimension der Verrechtlichung imperialistischer Waffengänge und exzessiver Repression geschaffen, so übertrifft ihn der Nachfolger im Weißen Haus um Längen. Warum Menschen gefangennehmen, verschleppen, quälen und ohne Gerichtsverfahren auf unabsehbare Zeit festhalten, wenn man sie doch gefahrlos aus der Luft töten kann? Wie könnte man die eigenen Truppen besser aus der Schußlinie halten, enorme Aufwände und Kosten vermeiden, nicht zuletzt unangenehme Fragen nach grausamen Haftbedingungen, erzwungenen Geständnissen und der juristischen Farce von Militärtribunalen vermeiden? Von höchster Stelle Tötungsbefehle auszugeben und weltweit extralegal zu exekutieren realisiert ein Höchstmaß an exekutiver Gewalt jenseits geltender Rechtsnormen, parlamentarischer Kontrolle und medialer Kenntnisnahme.

Soweit bekannt, wurden seit Obamas Amtsantritt rund 400 Drohnenangriffe in Pakistan, im Jemen und in Nordafrika durchgeführt, bei denen insgesamt 3000 Menschen getötet worden sein sollen. Vieles deutet darauf hin, daß diese offiziellen Angaben von den tatsächlichen Todeszahlen bei weitem übertroffen werden. Schätzungen zufolge fallen jeder gezielten Tötung im Schnitt sechs weitere Menschen zum Opfer, bei denen es sich in aller Regel um Zivilisten handelt. Ohnehin entzieht sich die tatsächliche Identität der Getöteten jeder Überprüfung, so daß man davon ausgehen kann, daß nachträglich als "Terrorist" deklariert wird, wer immer bei einem solchen Raketeneinschlag umgekommen ist.

Daß Obamas Drohnenkrieg derzeit in den USA zur Sprache kommt, verdankt sich dem Nominierungsverfahren des designierten CIA-Chefs John Brennan, der vor einem Senatsausschuß Rede und Antwort stehen muß. Der Sohn irischer Einwanderer gilt als Chefstratege hinter den Drohnenangriffen und hatte offenbar als Obamas Anti-Terror-Berater Einfluß auf seinen Präsidenten wie kaum ein anderer in dessen Umfeld. "Im Weißen Haus ist Johns harte Arbeit legendär", schwelgte Obama in Superlativen, als er Brennan zum neuen Geheimdienstchef nominierte. Dieser hatte ein Büro im Keller des Amtssitzes, von wo aus er den geheimen Drohnenkrieg koordinierte und dem Präsidenten riet, wann er zustimmen und wann er ablehnen sollte. [1]

Aus Sicht des künftigen CIA-Chefs sind Drohnenangriffe absolut gerechtfertigt: "Mit chirurgischer Präzision und Laser-genauem Fokus können wir damit den Krebstumor namens Al-Kaida-Terrorist ausschalten." Diese Formulierung, Gegner mit Geschwüren gleichzusetzen, die man herausschneiden müsse, kommt nicht von ungefähr. Sie steht für das ideologische Fundament einer Ermächtigung zum sogenannten Antiterrorkrieg, der gegen entmenschlichte Widersacher zu führen sei, die alle Ansprüche auf humane Behandlung welcher Art auch immer verwirkt hätten.

Brennan steht in persona für die Kontinuität und Qualifizierung repressiver Willkür in der US-Administration, halten sich doch hartnäckig Gerüchte, er habe unter der Bush-Regierung nach dem 11. September 2001 das Konzept für Folterverhöre von Terroristen mit Schlafentzug und Waterboarding unterstützt. Brennan hat dies stets bestritten, verzichtete aber wegen kritischer Presseberichte vor vier Jahren auf Obamas Angebot, Geheimdienstchef zu werden.

Offenbar hält man den Zeitpunkt nun für geeignet, zumal der US-Präsident gedenkt, den Anlaß der Senatsanhörung für eine legalistische Offensive zu nutzen. Obama will dem Kongreß bislang geheimgehaltene Dokumente über die Rechtfertigung gezielter Tötungen von US-Bürgern im Ausland zur Verfügung stellen. Er hat das Justizministerium angewiesen, juristische Einschätzungen zur gezielten Tötung durch Drohnen und mit anderen Mitteln an die Geheimdienstausschüsse des Kongresses weiterzuleiten. Aus einer als Strategiepapier bezeichneten Kurzform des Berichts über die Regeln für Drohneneinsätze geht hervor, daß diese wesentlich weiter gefaßt sind, als bislang bekannt war. So wird die gezielte Tötung von US-Bürgern im Ausland gerechtfertigt, wenn diese führende Mitglieder von Al-Kaida oder verbündeten Terrororganisationen seien. Das gelte auch für den Fall, daß es keinen konkreten Anschlagsverdacht gegen die Personen gebe.

Diesen Freibrief, willkürlich jeden verdächtigen und töten zu dürfen, rechtfertigte Obamas Sprecher Jay Carney mit den Worten: "Wir führen diese Angriffe aus, weil sie notwendig sind, um echte Bedrohungen zu entschärfen, Anschlagspläne zu stoppen, künftige Attacken zu verhindern und amerikanische Leben zu retten. Diese Angriffe sind legal, sie sind moralisch vertretbar und sie sind sinnvoll." [2] Die Stoßrichtung dieser Initiative zielt mithin über die selbstermächtigten Hinrichtungen per Drohne hinaus auf die Legalisierung dieser Praxis in Händen des obersten Kriegsherrn der USA ab. "Wir brauchen ein legales Fundament", hatte Obama bereits im letzten Jahr in einem Fernsehinterview erklärt. Wie Vorgänger George W. Bush von Juristen Foltertechniken rechtlich absichern ließ, bedient sich Barack Obama derselben Verfahrensweise für seinen Drohnenkrieg, der einen neuen Tiefpunkt der Gewaltenteilung markiert, wenn man einmal deren Existenz unterstellen wollte.

Im Vorfeld der Anhörung Brennans hatte eine Gruppe von elf Senatoren aus beiden großen politischen Lagern in einem Brief an den Präsidenten Zugang zu den juristischen Papieren gefordert. Zum einen steht nach wie vor der Vorwurf im Raum, die US-Regierung habe ohne einen Gerichtsbeschluß den Befehl zu einem Drohnenangriff auf den US-amerikanischen Al-Kaida-Prediger Anwar al-Awlaki 2011 im Jemen gegeben. Zudem haben mehrere US-Zeitungen enthüllt, daß die CIA einen Stützpunkt in Saudi-Arabien unterhält, von dem aus Drohneneinsätze im benachbarten Jemen geflogen werden. Dabei gilt John Brennan als ein Architekt der bislang geheimgehaltenen Vereinbarung mit dem saudischen Königshaus. Die Zeitungen hatten schon seit längerem Kenntnis von dem Stützpunkt, jedoch bis jetzt nicht darüber berichtet, weil die US-Regierung aus Gründen der nationalen Sicherheit darum gebeten hatte. Dies unterstreicht das enorme Ausmaß an Kollaboration diverser führender US-amerikanischer Medien mit Obamas Drohnenkrieg.

Auf die Herausgabe der Regeln und Verfahren für Drohneneinsätze hatten die New York Times und die American Civil Liberties Union geklagt. Wenn letztere nun einen "kleinen Schritt in die richtige Richtung" begrüßt, ist dem die Warnung hinzuzufügen, daß es schon lange um etwas anderes als Transparenz geht. Präsident Obama sieht sich nicht etwa genötigt, die Hintergründe des Drohnenkriegs offenzulegen, der vor aller Augen geführt wird. Es sind keine Geheimnisse, die er nun dem Senat und der Öffentlichkeit enthüllt, vielmehr legt er das Konzept einer Verrechtlichung dieser Form der Kriegsführung vor. Nicht ohne Grund steht der präsidiale Tötungsbefehl gegen US-Bürger im Mittelpunkt der Kontroverse: Ist diese letzte Hürde genommen, kann niemand mehr sicher sein, aus heiterem Himmel per Drohnenbeschuß von einem lebenden Menschen in einen toten Terroristen verwandelt zu werden.

Fußnoten:

[1] http://www.tagesschau.de/ausland/us-drohnen102.html

[2] http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-02/usa-drohnen-angriffe-obama-kongress

7. Februar 2013