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KRIEG/1608: Von Strauß bis De Maizière - Ministerschelte adelt das Amt (SB)




Nachdem Franz Josef Strauß am 16. Oktober 1956 zweiter Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland geworden war, ging es zügig voran. Bereits im folgenden Jahr legte er Pläne für eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr vor, die er gemeinsam mit Bundeskanzler Konrad Adenauer energisch vorantrieb. Wenngleich die Kampagne "Kampf dem Atomtod" der Friedensbewegung eine wesentliche Erneuerung bescherte, gelang es der parlamentarischen Opposition nicht, die weitverbreitete Ablehnung der Atombewaffnung im Wahlkampf zu nutzen. Die Union erreichte eine absolute Mehrheit, Strauß wurde erneut Verteidigungsminister. Am 25. März 1958 beschloß man die atomare Aufrüstung der Bundeswehr, die damit im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO im Kriegsfall Atomwaffen einsetzen konnte.

Bekanntlich war Strauß' Amtsführung von diversen Skandalen begleitet. Laut Aussagen des ehemaligen Lockheed-Verkäufers Paul White erhielten der Vorstand der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, und Strauß Gelder im Zusammenhang mit dem Verkauf von Flugzeugen des Typs Lockheed Constellation und Electra an die Lufthansa. Der Kauf bzw. die Lizenzproduktion von 916 amerikanischen F-104G-Starfightern führte zum Lockheed-Skandal, der in Deutschland auch Starfighter-Affäre genannt wurde. Der Hersteller hatte in mehreren NATO-Staaten die Entscheidung zur Beschaffung des Modells durch Bestechung beeinflußt. Die in diesem Zusammenhang gegen Strauß vorgebrachten Bestechungsvorwürfe konnten jedoch nie bewiesen werden. Die deutsche Variante des Starfighters wurde angesichts einer Bilanz von 269 Abstürzen mit 116 toten Piloten als "Witwenmacher" bitter verspottet. Strauß wurden auch die Fibag-Affäre, die Onkel-Aloys-Affäre und der HS-30-Skandal zur Last gelegt, doch ging er juristisch unbeschadet daraus hervor. Allerdings führte die sogenannte Spiegel-Affäre letzten Endes dazu, daß er 1962 als Verteidigungsminister abgelöst wurde.

Die deutsche Wiederbewaffnung und Einbindung als vollwertiges NATO-Mitglied war damals nicht nur ein ideologischer und politischer Kraftakt, sondern zugleich ein Preis, den die breite Mehrheit der Bevölkerung nur zu gern für das Wirtschaftswunder zu zahlen bereit war. Wurde der eigene Teller endlich wieder übervoll, verbannte das Hohelied deutscher Arbeitstugend jeden Gedanken an das waffenstarrende Fundament des ökonomischen Erfolgs zu Hause und in aller Welt. An diesem Grundprinzip bürgerlichen Vorteilsstrebens hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn der Sozialstaat längst zum Auslaufmodell erklärt worden ist. Demzufolge bleibt jede Kritik am Kriege zahnlos, die nicht bis zu seiner Notwendigkeit im Kontext der vorherrschenden Wirtschaftsweise und deren hegemonialer Expansion vordringt.

Der preußische Administrator Thomas de Maizière - um auf den amtierenden Hausherrn im Verteidigungsressort zu sprechen zu kommen -, könnte über einen Bruchteil dessen stolpern, was der bayrische Brachialpolitiker und erfolgreiche Wirtschaftslobbyist Franz Josef Strauß einst locker ausgesessen hat. Dieser Vergleich trägt zwar nicht zur Entlastung des derzeitigen Amtsinhabers bei, sollte aber ein Schlaglicht darauf werfen, womit man es bei dieser Funktion zu tun hat. Wer immer diesen Posten innehat, ist die personifizierte Schnittstelle zwischen politisch-ökonomischen und militärischen Interessen, die gewissermaßen die Dreifaltigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse repräsentieren. Die Frage, ob man es mit einem guten oder schlechten Amtsinhaber zu tun hat, ob dieser untadelig oder im Gegenteil untragbar geworden ist, kann sich im Grunde nur dann allen Ernstes stellen, wenn man sich für deutsche Angriffskriege unter gewissen Umständen erwärmen kann. Lehnt man diese prinzipiell ab, hat man keinen Bedarf an einem Verteidigungsminister und sollte folglich jene Kandidaten am schärfsten kritisieren, die dieses Amt zur allgemeinen Zufriedenheit der Bundesbürger ausüben.

Sollten die vielzitierten 562 Millionen Euro, die man mit dem Euro Hawk angeblich in den Sand gesetzt hat, zum entscheidenden Argument werden, ließen sich viele weitere Rechnungen aufmachen. Man muß nicht bis zum Starfighter zurückgehen, um zu erkennen, daß die meisten verpulverten Steuergelder nicht in gescheiterte, sondern im Gegenteil in umgesetzte Rüstungsprojekte fließen, von denen wiederum viele selbst unter konventionellen Erwägungen fragwürdig anmuten. Wofür braucht die Bundeswehr 140 neue Kampfflugzeuge oder gar 53 Transportflugzeuge A400M, zumal der Radpanzer Puma mit allen Teilen seiner Verkleidung zu schwer ist, um von letzteren befördert zu werden? Indessen führt auch diese Debatte schnurstracks in die Befürwortung der Aufrüstung, wägt man doch schlechtes gegen gutes Kriegsgerät ab.

Will man dem Gezerre um Thomas de Maizière überhaupt etwas Nützliches abgewinnen, so allenfalls den Umstand, daß Drohnenkauf und Drohnenkrieg dadurch zu einem schlagzeilenträchtiges Thema avanciert sind. Da Politik und Militär gerade dabei sind, bewaffnete Drohnen anzuschaffen, diese Form extralegaler Hinrichtung ohne Kriegserklärung und ohne Rücksicht auf die Souveränität anderer Staaten jedoch hierzulande noch von vielen Menschen als unrechtmäßig empfunden und abgelehnt wird, entbehrt die Kontroverse nicht einer gewissen Brisanz. Sie könnte zumindest dazu geeignet ein, Fragen des Völkerrechts auf die Tagesordnung zu setzen oder besser noch jede Verrechtlichung des Krieges grundsätzlich als dessen Vorbereitung und Beförderung auszuweisen.

8. Juni 2013