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KRIEG/1609: Mitschießen, mitregieren - anders geht es nicht! (SB)




Wer im deutschen Bundestag auf der Regierungsbank Platz nehmen will, muß die wesentlichen Kriterien für Regierungsfähigkeit erfüllen. Warum die Linkspartei nicht dazugehört, hat die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, im Interview mit der "Rheinischen Post" kurz und bündig zusammengefaßt: Wenn eine Partei in einer Welt, in der es in vielen Regionen brennt, keine außenpolitische Verantwortung übernehmen will, sondern einfach nur die nationale Brille aufsetzt, dann kann man mit einer so aufgestellten Partei nicht regieren, befindet Roth. "Die Linke weigert sich strikt, zwischen einzelnen Militär-Einsätzen zu differenzieren. Ob nun der Einsatz in Afghanistan, im Kosovo, im Libanon oder in Mali: für die Linke alles gleich". Daher sei die Linkspartei außenpolitisch "regierungsunfähig". [1]

Auf ihrem Delegiertentreffen in Dresden, wo die Linkspartei über das Programm zur Bundestagswahl im Herbst berät, hat Parteichefin Katja Kipping zutreffend erwidert, die Grünen seien als einstige Friedenspartei für Kriegseinsätze, wie etwa in Libyen. "Dort geht es aber nicht um Menschenrechte, sondern um ökonomische und geostrategische Interessen." Und die SPD solle man an die Friedenspolitik Karl Liebknechts erinnern, wenn im Bundestag wieder einmal die Abstimmung über Kriegseinsätze anstehe.

Die Linke ist im Unterschied zu allen übrigen im Berliner Parlament vertretenen Parteien keine Protagonistin des Krieges zur Durchsetzung deutscher Interessen, was sie zwangsläufig als deren politische Sachwalterin disqualifiziert. Sozialdemokraten und Grüne haben unter Schröder und Fischer für den Befreiungsschlag gesorgt, indem sie die Bundeswehr von der Kette des klassischen Verteidigungsfalls ließen. Verteidigung ist heute überall, und irgendein Vorwand für Angriffskriege wird sich immer finden, zumal man die tollpatschigen Gehversuche wie Scharpings Hufeisenplan längst hinter sich gelassen hat. Wer da nicht mitzieht, hat das Vorrecht verwirkt, am Kabinettstisch Herrschaftsinteressen zu administrieren.

Auf seiner Parteitagsrede warf der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, den Sozialdemokraten eine "hirnlose und kindische Abgrenzungspolitik nach links" vor. "Dabei wäre es doch höchste Zeit für einen Lagerwahlkampf", scheint Riexinger die Verhältnisse gründlich mißzuverstehen. SPD und Grüne dürfen sich auf Bundesebene nicht mit der Linkspartei kontaminieren, liefen sie doch andernfalls Gefahr, hinter die Grenze systemrelevanter Zuträgerschaft zurückzufallen. Das ist weder unbedacht noch albern, sondern eine wohlbegründete Unvereinbarkeit mit jenen, die Verfügungsgewalt von der Opferseite her definieren.

Wer wie die Grünen im Eiltempo aufgeschlossen hat, um in Reih und Glied mitzumarschieren, darf gerne darüber diskutieren, welche Kriege opportun und welche problematisch sind. Solange man die militärische Intervention nicht grundsätzlich in Frage stellt, trägt jede Debatte um das Für und Wider der Bundeswehreinsätze um so mehr zu deren Verrechtlichung und Akzeptanz bei. Diese Lektion haben die Grünen so rasch und gründlich gelernt, daß man endlich zu verstehen glaubt, was mit der Worthülse "Nachhaltigkeit" gemeint sein könnte: Ein mit Nachdruck vorangetriebener gar nicht so langer Marsch durch die Institutionen und ein eisernes Festhalten am einmal erreichten Amtssessel.

Kriegsverweigerung ist natürlich nicht das einzige, was Claudia Roth der Linkspartei vorzuwerfen hat. So rügte die Grünenpolitikerin auch deren "Europakritik", worin sie "nur noch von der CSU übertroffen" werde. Abfällig äußerte sich die Grüne auch über die inhaltliche Aufstellung der Linken, denn um eine Kooperation überhaupt in Betracht zu ziehen, "müsste erst mal klar sein, wofür die Linkspartei eigentlich noch steht. Sie hat zu den wichtigsten Themen, wie zum Beispiel zur Energiewende oder dem Klimaschutz, keine erkennbare Position".

Den Einwand, auch unter den Grünen fänden sich Stimmen, wonach die Kooperation von Rot-Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen gut ausgegangen sei, weist die Parteivorsitzende entschieden zurück. Erstens habe es dort keine Tolerierung durch die Linkspartei, sondern vielmehr eine Minderheitsregierung gegeben, die mit wechselnden Mehrheiten regiert hat. Auf Landesebene sei das ein gutes Modell gewesen. Zweitens halte sie "angesichts der globalen Herausforderung eine Bundesregierung ohne eigene Mehrheit zu bilden", für nicht vorstellbar. Ein Widerspruch ist das nicht, wenn Sozialdemokraten und Grüne auf Länderebene oder tiefer die Linkspartei im Zweifelsfall als Steigbügelhalter vereinnahmen, dies auf Bundesebene jedoch vehement von sich weisen: Das eine ist ein Trittbrett, das andere das Podium.

So sicher die Sozialdemokraten Plan B für eine große Koalition in der Schublade haben, so akribisch nehmen die Grünen auch die Schwarzen als möglichen Partner für morgen oder übermorgen unter die Lupe - man will ja schließlich regieren. Daß auch Die Linke mitregieren will, liegt zwar in ihrer Natur als Partei, ist aber fatal. So kritisiert Riexinger, daß die SPD stolz auf die Agenda 2010 sei. "Wie kann man stolz darauf sein, Millionen von Menschen in die Armut geschickt zu haben? Darauf kann man nicht stolz sein, dafür muß man sich schämen." Wer so rede, mache sich als linke Kraft unglaubwürdig.

Hier stellt sich allerdings die Frage, wieso Riexinger die Sozialdemokratie überhaupt dem linken Lager zurechnen möchte, für das er so gerne einen gemeinsamen Wahlkampf führen würde. Angesicht dieser immer wieder hervorbrechenden Haßliebe, die Die Linke offensichtlich mit der SPD verbindet, steht zu befürchten, daß das auch auf dem Dresdner Parteitag vielbeschworene Ende der Flügelkämpfe nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zur Selbstaufgabe der Linkspartei ist, ohne die eine Regierungsbeteiligung nicht zu haben sein dürfte.

Fußnote:

[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/824471.gruenen-chefin-roth-kritisiert-aussenpolitik-der-linken-regierungsunfaehig.html

15. Juni 2013