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KRIEG/1721: Söldner - gekaufte Armeen ... (SB)



Der Bundeskanzler seinerseits betonte nachdrücklich, dass unter keinen Umständen zugestimmt werden könne, dass Deutsche als Söldner oder Landsknechte in fremde Armeen eintreten.
Konrad Adenauer 1949 im Bundestag [1]

Während der bürgerliche Staat sein Gewaltmonopol insbesondere dort mit Zähnen und Klauen durchsetzt, wo er staatsfeindliche Bestrebungen wittert, gilt das nicht in gleichem Maße für die Privatisierung sicherheitsrelevanter Aufgaben bis hin zur Kriegsführung mit Söldnern, die seinen Interessen dienlich sind. Die Gefahr, daß sich derartige Hilfstruppen verselbständigen, da sie sich tendentiell der gesetzlichen und parlamentarischen Kontrolle entziehen, nimmt er eben deswegen gern in Kauf. Neben der Kostenfrage, die unter neoliberaler Doktrin vorzugsweise zugunsten einer Privatisierung ausgelagert wird, um den Fortbestand der profitgetriebenen Akkumulation zu sichern, spielt die Überantwortung an Akteure, die der Öffentlichkeit wenig bekannt und demzufolge kaum überprüfbare sind, eine maßgebliche Rolle. Während Polizisten und Soldaten vergleichsweise regulierten Dienstpflichten, Handlungsspielräumen und Aufträgen unterliegen, verfolgen private Dienstleister und deren Arbeitskräfte in erster Linie Unternehmensziele, nämlich möglichst ungestört gute Geschäfte zu machen. Das schließt Einsätze und Verfahrensweisen ein, die für Staatsbedienstete aus rechtlichen oder politischen Gründen nicht in Frage kommen oder zu riskant wären.

Nach NS-Staat und Zweitem Weltkrieg gebot der Kunstgriff, mit der Bundesrepublik einen neuen deutschen Staat zu schaffen, der mit dem untergegangenen alten angeblich nichts zu tun hatte, eine vorläufige Abkehr von Militarisierung und natürlich auch Söldnertum. "Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft", heißt es denn auch im sogenannten Söldnerparagraphen 109h des Strafgesetzbuches. Und Konrad Adenauer erklärte Ende 1949 im Bundestag: "Der Bundeskanzler seinerseits betonte nachdrücklich, dass unter keinen Umständen zugestimmt werden könne, dass Deutsche als Söldner oder Landsknechte in fremde Armeen eintreten."

Dabei hatte die französische Fremdenlegion bereits seit 1945 besonders viele Deutsche rekrutiert, die aus Überlebensgründen oder um ihre Vergangenheit zu verschleiern in diesen Sold gingen. Als der Bundestag 1959 darüber debattierte, ging man von etwa 15.000 deutschen Staatsangehörigen in der Fremdenlegion aus, worunter sich offenbar sogar zahlreiche Minderjährige befanden. Dieses Söldnertum westlicher Staaten wurde zu Zeiten des Kalten Krieges oftmals von östlicher Seite bekanntgemacht und angeprangert: "Statt diese Händler mit deutschem Menschenfleisch unschädlich zu machen, hat die Regierung Adenauers die Behörden in Westdeutschland aufgefordert, alle Fünfe gerade sein zu lassen und den Sklavenhändlern mit jungen deutschen Menschen ihre Arbeit zu erleichtern", hieß es seitens der DDR.

Im Jahr 1964 drohte die Übernahme des ehemaligen Belgisch-Kongo durch eine Rebellenarmee, was US-Regierung und CIA durch den Einsatz von Söldnern zu verhindern suchten. Darunter befand sich auch Siegfried Müller, der die Öffentlichkeit suchte und unter dem Namen "Kongo-Müller" bekannt wurde. Er brüstete sich in Interviews mit seinem Aufstieg vom Wehrmachtssoldaten über diverse Umwege zum Major und Bataillonskommandeur im Kongo, wo ihn jeder kenne. Während ihn das DDR-Fernsehen 1966 als widerwärtigen Menschenjäger präsentierte, kam eben dieser Gestus im Westen offenbar gut an. Selbst wenn Söldner wie Müller sich ihrer Greueltaten rühmten und Körperteile ihrer getöteten Opfer als Trophäen vorführten, wurden sie von den westlichen Medien als Retter der freien Welt gefeiert, welche die Zivilisation verkörperten und die barbarischen Wilden in die Schranken wiesen. [2]

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges haben sich die Söldneragenturen von Südafrika ausgehend gravierend verändert. Das Apartheidregime unterhielt einen riesigen Militär- und Sicherheitsapparat, dessen hoch professionelle Soldaten nun andere Erwerbsmöglichkeiten suchten. In der Folge kam es zu einem Boom der privaten Militär- und Sicherheitsdienstleister, die heute in sämtlichen Krisengebieten der Welt tätig sind. Der Umsatz dieses gigantischen Geschäfts liegt derzeit bei deutlich mehr als einhundert Milliarden Dollar pro Jahr. Sie kümmern sich um die Logistik, Treibstoffnachschub, Wachdienste, stellen aber auch private Soldaten, die ins Kampfgeschehen eingreifen. In der Hochphase der Konflikte im Irak und in Afghanistan beschäftige die US-Regierung dort bis zu 260.000 Zivilisten und private Sicherheitskräfte, weit mehr als reguläre Soldaten im Einsatz waren. [3]

In der Bundesrepublik wird das Thema des Söldnertums nach wie vor eher geleugnet oder verschleiert. Zwar nannte der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft für 2016 die Zahl von 263.358 Beschäftigen in der Branche, die beispielsweise beim Objektschutz, Personenschutz, in Nahverkehr und Einzelhandel, bei Geldtransporten, vor Kasernen und Kernkraftwerken eingesetzt werden und aktuell gut sieben Milliarden Euro Umsatz machen. Doch militärische Einsätze im engeren Sinn sind das nicht, wohl aber im freilich viel selteneren Fall von ehemaligen oder gar aktiven Angehörigen der Bundeswehr, die sich als Söldner verdingen. Wenngleich diese zwar theoretisch keinen persönlichen Anteil an einem Konflikt haben und mitunter je nach Einkünften die Seiten wechseln, vertreten sie doch häufig bestimmte ideologische Interessen wie seinerzeit der erklärte Antikommunist Siegfried Müller. Abgesehen von der Rechtslage bleibt es daher politisch brisant, wenn deutsche Soldaten in solchen Zusammenhängen auftauchen.

So erregte 2008 die "Libyen-Affäre" Aufsehen, als Staatsanwälte gegen deutsche Polizisten und Soldaten ermittelten, die im Urlaub Geheimpolizisten Gaddafis geschult haben sollen. 2010 machte die Asgaard German Security Group Schlagzeilen, deren Chef Thomas Kaltegärtner, ein früherer Panzergrenadier, 100 ehemalige Bundeswehrsoldaten nach Somalia entsenden wollte, wo die Firma für einen dubiosen Warlord aktiv werden sollte. Da die Bundeswehr zur gleichen Zeit im benachbarten Uganda Kämpfer der somalischen Übergangsregierung ausbildete, war Asgaards Treiben natürlich nicht opportun und rief die Strafverfolgungsbehörden auf den Plan. Die Anklagen wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Außenwirtschaftsgesetz werden nun endlich vor dem Amtsgericht Münster verhandelt. Das Unternehmen legt Wert auf die Feststellung, daß es kein Söldnerunternehmen sei.

Wo es deutschen militärischen und wirtschaftlichen Interessen dient, wird der Einsatz privater Dienstleister durchaus begrüßt. So machte sich 2011 Hans-Joachim Otto (FDP), Koordinator der schwarz-gelben Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, für bewaffnete private Sicherheitsteams auf deutschen Schiffen zum Schutz vor Piraten stark. Die Deutschen Reeder waren einverstanden, und der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière lobte dies als "gute Lösung". 2013 berichteten deutsche Medien, mehrere Dutzend aktive Soldaten der Bundeswehr seien nebenher für deutsche und ausländische Firmen in Afghanistan und anderen Kriegsgebieten oder auf Handelsschiffen am Horn von Afrika tätig.

Was den Übergang von Soldatinnen und Soldaten ins Zivilleben betrifft, räumt das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr zwar ein, daß die Berufsförderer Bildungsmaßnahmen im Sicherheitsbereich bewilligt haben, führt aber eigenen Angaben zufolge keine Vermittlung bei Arbeitsplatzangeboten durch, sofern diese erkennbar auf einen Einsatz in Krisengebieten abzielen. Die Koalition hielt es mit den vielzitierten drei Affen, als sie im November 2016 auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag lapidar erklärte: "Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über die Aktivitäten deutscher Sicherheits- und Militärfirmen in Krisen- oder Kriegsgebieten vor." Auch über private Aktivitäten ehemaliger oder gar in Dienst stehender Bundeswehrangehöriger schien sie nicht allzu viel wissen zu wollen. Wie es in der Antwort dazu nichtssagend hieß, wäre aktiven Soldaten eine Beschäftigung bei privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen nur im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit möglich.

Die Privatisierung des Krieges spielte in der Bundesrepublik seit ihrer Gründung also durchaus eine Rolle, die indessen bis heute ungeachtet aller eigenständigen militärischen Ambitionen in Berliner Regierungskreisen eher bescheiden anmutet, zumindest gemessen an den internationalen Platzhirschen der Branche. Namen wie Academi (früher Blackwater), DynCorp International, ADT, Allied Universal oder Booz Allen Hamilton in den USA, die britische G4S, Securitas in Schweden oder die kanadische Gardaworld beschäftigen teilweise Zehntausende Mitarbeiter und machen Milliardenumsätze. Als integraler Bestandteil moderner Kriegsführung ist deren Eskalation und Fortschreibung ihr Geschäftsmodell. 400 Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges mit seinen Landsknechtheeren, die Mitteleuropa verwüsteten und seine Bevölkerung halbierten, zeugt die Renaissance des Söldnertums von erneuten tiefgreifenden Verwerfungen im Gefüge von Herrschaft, Ausbeutung und Verfügung, diesmal jedoch in globalen und womöglich finalen Dimensionen.


Fußnoten:

[1] www.deutschlandfunk.de/privatisierter-krieg-die-rueckkehr-der-soeldner.724.de.html

[2] www.deutschlandfunk.de/soeldner-im-kalten-krieg.1148.de.html

[3] www.deutschlandfunk.de/soeldner-in-den-usa-wie-die-privatisierung-des-krieges.724.de.html

23. November 2018


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