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FLUCHT/003: Nigeria - Fluchtwelle nach "Bombenregen" in Kano setzt sich fort (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Februar 2012

Nigeria: Fluchtwelle nach 'Bombenregen' in Kano setzt sich fort

von Mustapha Muhammad

Verletzter im Murtala-Muhammed-Krankenhaus in Kano - Bild: © Mustapha Muhammad/IPS

Verletzter im Murtala-Muhammed-Krankenhaus in Kano
Bild: © Mustapha Muhammad/IPS

Kano, Nigeria, 9. Februar (IPS) - "Wir können nicht in Kano bleiben, solange es hier Bomben regnet", meint die schwangere Funke Nweke, als sie mit ihrer fünfjährigen Tochter Nnenna an der New Road der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Norden Nigerias in den Luxusbus steigt, der beide in den Süden des Landes bringen soll. "Überall verfolgt uns das Knattern der Maschinengewehre. Wir sind hier nicht mehr sicher."

Am 6. Februar verübte die radikal-islamistische Gruppe 'Boko Haram' in Kano und Maiduguri, der Hochburg der Kämpfer, ihre jüngste Anschlagswelle. Am Tag darauf kam es zu weiteren Detonationen. Bei den Anschlägen starben insgesamt vier Personen einschließlich eines Selbstmordattentäters. Die Sicherheitskräfte töteten nach eigenen Angaben am 7. Februar acht Boko-Haram-Mitglieder.

Kano hatte am 20. Januar die schlimmste Serie von Selbstmordattentaten, Bombenanschlägen und Schießereien erlebt. Der Kongress für Bürgerrechte, eine unabhängige Organisation mit Sitz in Kaduna, schätzt die Zahl der Todesopfer auf 256. Die Polizei in Kano spricht von 184 Toten.


Spaß am Töten

Boko Haram hat sich zu den Januar-Anschlägen bekannt. Mit den Übergriffen habe man auf die Festnahme, Verfolgung und Misshandlung von Mitgliedern reagiert, hieß es. "Wir sind verantwortlich", meinte der Kommandant der Gruppe, Abubakar Shekau, auf einem auf Youtube ausgestrahlten Video. "Wir bringen Polizisten, Militärs und andere Personen um, die mit ihnen gemeinsame Sache machen", sagte er. "Und mir macht es Spaß, Menschen wie Böcke und Hühner zu erlegen, vorausgesetzt Gott befiehlt mir, sie zu töten."

Die Anschläge haben eine Massenflucht von Nord nach Süd ausgelöst. Etwa 10.000 Christen sollen Hilfsorganisationen zufolge die Region verlassen haben.

Wie der Führer der ethnischen Igbo, Boniface Ibekwe, gegenüber IPS berichtete, haben aus seiner Gemeinde Hunderte von Menschen Kano verlassen. "Ich kann keine genauen Zahlen nennen, aber wir sind dabei, Listen zu erstellen", sagte er im IPS-Interview. "Viele sind bereits weg, andere werden im Krankenhaus behandelt oder vermisst. In der Regel sind es die Frauen und Kinder, die Kano verlassen. Die Mehrheit der Männer bleibt."

Zwei Tage nach den Anschlägen in Kano stöberten die Sicherheitskräfte im gesamten gleichnamigen Bundesstaat mehr als 300 Waffenlager auf. Wären die Sprengsätze explodiert, hätte dies eine Katastrophe in dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas ausgelöst, meinte dazu ein auf die Entschärfung von Bomben spezialisierter Polizist.

Die Anschläge richten sich vor allem gegen die christlichen Igbo. Sie sind einflussreiche Geschäftsleute. "Sollten sie alle die Region verlassen, wäre das schlimm für die Wirtschaft der nördlichen Bundesstaaten", meinte Garba Ibrahim Shekau, Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der Bayero-Universität in Kano. Dann werde es zu einer Warenverknappung und einem dramatischen Preisanstieg kommen.

Nach den Anschlägen im letzten Monat wurden mehr als 200 Mitglieder von Boko Haram verhaftet. "In 80 Prozent der Fälle handelte es sich um Bürger des Tschad", sagte ein Polizeioffizier, der sich Anonymität ausbat. Am 2. Februar gaben die Behörden die Festnahme des Boko-Haram-Sprechers Abu Qaqa bekannt. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012