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KOLLATERAL/010: Ägypten - Ungewisse Zukunft für Libyen-Flüchtlinge aus Schwarzafrika (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2012

Ägypten: Strandgut des Arabischen Frühlings - Ungewisse Zukunft für Libyen-Flüchtlinge aus Schwarzafrika

von Grit Porsch



Berlin, 16. Juli (IPS) - Das Flüchtlingslager Salloum im Westen Ägyptens, fünf Kilometer von der libyschen Grenze entfernt, ist kein Ort, an dem man sich länger als nötig aufhalten möchte. Doch für die etwa 2.000 Menschen, die hier leben, ist er ein sicherer Hafen, den viele nicht verlassen wollen, auch wenn ihr Antrag auf Asyl abgelehnt wurde. Als Migranten aus schwarzafrikanischen Ländern hatten sie lange in Libyen gearbeitet, bis sie im vergangenen Jahr nach Gaddafis Sturz aus dem Land gejagt wurden.

"Hier ist es schrecklich, doch es ist besser, hier zu bleiben anstatt nach Hause zurückzugehen", sagte der Sudanese Al-Hag Al-Hassan Jabir aus Nord-Darfur dem UN-Informationsdienst IRIN. 25 Jahre lang hatte der Ingenieur in Libyen gearbeitet, dann floh er mit Ehefrau und zwei Kindern nach Salloum.

Im vergangenen Juni hatte die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte (IHF) den Umgang der Libyer mit Schwarzafrikanern als alarmierend bezeichnet.

Auch Adam Issa Izzaddin, der aus dem Tschad stammt und lange im libyschen Bengasi gelebt hatte, musste Hals über Kopf mit seiner vierköpfigen Familie fliehen. "Wir konnten nicht einmal ein paar Kleider mitnehmen, und überall wurde geschossen", berichtete er. Ein Angebot der Internationalen Organisation für Migration (IOM), ihn zurück in sein Heimatland zu bringen, hat er ausgeschlagen. In den Tschad könne er nicht zurück, dort werde er gesucht, erklärte der Libyen-Flüchtling.

Der Eritreer Ashenafi Geberu, der als Arbeiter in Bengasi gelebt hatte, sieht keine Möglichkeit, nach Libyen zurückzukehren. "Dort bringen sie alle Schwarzen um. Hätte ich ein gutes Heimatland und eine gute Familie, ich wäre der erste, der von hier weggeht, von Salloum habe ich genug."

Lagerleiter Elham Mohamed Garelnabe klagt über gelegentliche Zusammenstöße der Flüchtlinge mit Libyern, die sich im Grenzgebiet aufhalten. "Einige Libyer haben gedroht, das Lager niederzubrennen", berichtete er. Das ägyptische Militär kontrolliert zwar das Grenzgebiet, doch die Lagerinsassen organisieren inzwischen Schutztruppen, um selbst für ihre Sicherheit zu sorgen.

Im Flüchtlingslager Salloum gibt es für rund 2.000 Menschen außer Latrinen nur zwei tragbare Toiletten. Die Trinkwassertanks sind rar. Für die Jugendlichen gibt es wenige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, im ganzen Lager gibt es nur einen Platz zum Fußballspielen. Lose, niedrig hängende Elektrokabel stellen ebenso eine Gefahr dar wie die Gasöfen, auf denen gekocht wird. Einer der Öfen hatte im März einen Brand ausgelöst, der 50 Unterkünfte zerstört hat.


UNHCR will Salloum bis Ende 2013 auflösen

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und die ägyptische Armee sind dabei, ein besseres Lager mit neuen Zelten aufzubauen. Es soll Anfang August fertig sein. Die Trinkwasserversorgung sei allerdings auch hier problematisch, räumte Gaston Nteziriba ein, UNHCR-Vertreter in Salloum. "Das Wasser kommt aus der einzigen Entsalzungsanlage im 200 Kilometer entfernten Mersa Matruh. Wenn es Probleme gibt, wird die Leitung geschlossen. Davon ist auch das Lager betroffen."

Damit Salloum bis Ende 2013 geschlossen werden kann, bemüht sich UNHCR vorrangig um die Umsiedlung seiner Insassen. Etwa 300 Flüchtlinge haben bereits seit Februar 2011 das ägyptische Lager verlassen können. (Ende/IPS/mp/jt/2012)


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http://www.unhcr.org/
http://www.hrw.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2012