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FRAGEN/011: Kenneth Kaunda, ein afrikanischer Humanist, der sich mit Gandhi verglich - Teil 3 (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Kenneth Kaunda, ein afrikanischer Humanist, der sich mit Gandhi verglich - Teil 3

Interview mit Amzat Boukari-Yabara von Olivier Flumian, 17.09.2021



Porträt - Foto: Council.gov.ru, CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0], via Wikimedia Commons

Kenneth Kaunda im Jahr 2020
Foto: Council.gov.ru, CC BY 4.0
[https://creativecommons.org/licenses/by/4.0], via Wikimedia Commons

Vor einigen Wochen verstarb der ehemalige Präsident von Sambia, Kenneth Kaunda. Obwohl er außerhalb der englischsprachigen Welt kaum bekannt ist, verdient er mehr als einen kurzen Absatz in den Geschichtsbüchern.

Kaunda war ursprünglich der Anführer der Bewegung, die der damaligen britischen Kolonie Nordrhodesien 1964 die Unabhängigkeit unter dem Namen Sambia brachte. Er wurde der erste Präsident und blieb es bis 1991.

Pressenza blickt auf den Werdegang dieser großen Persönlichkeit der Unabhängigkeitsgeneration zurück, die sich als Humanist verstand und deren Erfahrung, mit ihren Licht- und Schattenseiten, Anerkennung verdient. Wir haben den Historiker und panafrikanischen Aktivisten Amzat Boukari-Yabara interviewt, der die wichtigsten Momente dieser Lebensgeschichte schildert.

Heute kommen wir zum Ende und beleuchten das Vermächtnis des Vaters der sambischen Unabhängigkeit.


Die Beziehungen seiner Regierung zu den westlichen Ländern waren unbeständig. Wie kann man seine Außenpolitik beschreiben?

Wechselhaft, weil sie von den Kräfteverhältnissen und augenblicksbestimmten strategischen Interessen abhing. Kaundas Diplomatie verband Pragmatismus und konstruktiven Realismus. Auf seiner ersten offiziellen Reise als Staatsoberhaupt begab er sich primär in den Vatikan, nach London und im Anschluss nach New York zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. Während er zahlreiche interafrikanische Vermittlungsmissionen organisierte, führte er einen ständigen diplomatischen Machtkampf mit London, um Sanktionen gegen das rhodesische und südafrikanische Regime zu verhängen.

Vor dieser ersten Reise hatte Kaunda im Frühjahr 1964 Paris und dann Belgrad besucht. Als er von George Pompidou in Matignon empfangen wurde, versuchte er in Hinblick auf die bevorstehende Unabhängigkeit, Investoren und Industrielle zu gewinnen, um die Infrastruktur seines Landes für eine Transformation insbesondere im Bereich der Kohlechemie, auszubauen. Später wehrte sich Kaunda gegen die französische Finanzierung eines Staudamms in Mozambik, der den portugiesischen Kolonialinteressen diente.

Titos Jugoslawien gewährte er eine Bergbaukonzession und im Jahre 1970 ermöglichte ihm logistische Unterstützung aus Belgrad die Organisation der dritten bündnisfreien Konferenz in Lusaka. Kaunda wendete sich auch Maos China zu, um den Bau der Eisenbahnlinie zu verwirklichen, die Sambia mit dem tansanischen Hafen Dar-es-Salaam verbinden sollte. Kaunda lehnte die Politik der Einflussnahme und der Einmischung der beiden Blöcke ab, weil er es für unmöglich hielt, sich zu entwickeln und zu vereinen, wenn man Feinde hatte oder ständig von Washington oder Moskau verdächtigt oder instrumentalisiert wurde.


Nach freien Wahlen wurde er 1991 von seinem Gegner Frederick Chiluba abgelöst. Warum hat er seine Macht verloren?

Seine Machtposition, die Wirtschaftskrise, die Volksaufstände und die Gefahr eines Militärputsches haben ihn zermürbt. Der Sturz des südafrikanischen Apartheidregimes ging auch mit einem Moment der Entspannung einher. Kaunda war nicht von Grund auf machthungrig. Er hatte bereits gezögert, das Amt eines Staatsoberhaupts auszuüben, weil er sich mehr einen Führer nach dem Vorbild Ghandis vorstellte. Er "verlor die Macht", öffnete das Land aber dem Mehrparteiensystem, indem er durch die Wahlurnen einen Übergang sicherstellte. Kaunda hob spöttisch hervor, dass jene, die ihn nun von der Macht verdrängten, dies der Bildungspolitik verdankten, die er selbst begründet hatte.


Sein politisches Engagement endete nicht mit seinem Rücktritt von der Präsidentschaft. Wie ging es weiter?

Kenneth Kaunda stand in Opposition zu Präsident Chiluba. Bei den Präsidentschaftswahlen in 1996 sollte er durch eine Verfassungsänderung, die es jeder Person ausländischer Herkunft verbot, zu kandidieren, aus dem Rennen gedrängt werden. Die Wahl wurde von der UNIP boykottiert, die Repressalien hinnehmen musste. Am Weihnachtstag 1997 wurde Kaunda verhaftet und 5 Monate lang unter Anklage der Unterdrückung von Informationen in Zusammenhang mit einem gescheiterten Staatsstreich im Oktober 1997 gefangen gehalten. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.

Kaunda engagierte sich danach in verschiedenen sozialen Bereichen. Der ehemalige Staatschef, der international einen äußerst positiven Ruf genoss, setzte sich in Foren für Frieden, Entwicklung und Demokratie ein oder im Kampf gegen HIV/AIDS, an dem einer seiner Söhne 1987 verstorben war. Als Patriarch, großer Musikliebhaber und Musiker, der übrigens die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba auf dem Klavier begleitete, pflegte er sein Image als weiser Mann und Ältester, der bis zu seinem Tod sehr gefragt war und viel besucht wurde.


Kaunda ist der letzte der großen afrikanischen Führer des Unabhängigkeitszeitalters, der gestorben ist. Welche Erinnerung hinterlässt er heute in seinem Land und auf dem Kontinent?

Man kann den letzten der großen Anführer unter verschiedenen Gesichtswinkeln betrachten. Kenneth Kaunda war wahrscheinlich der älteste der großen Führer und afrikanischen Präsidenten, die noch am Leben sind. Er gab die Position des Ältesten an Sam Nujoma weiter, den in 1929 geborenen ehemaligen Präsidenten von Namibia. Es leben noch einige Veteranen des Kampfes gegen Kolonialismus und Apartheid, aber die Zeit fordert unwiderruflich ihren Tribut. Diese führenden Persönlichkeiten, die den schlimmsten Regimen die Stirn boten, sind im Allgemeinen der großen Mehrheit der afrikanischen Jugend unbekannt, vor allem der französischsprachigen, die den auf immer jung bleibenden Märtyrern wie Patrice Lumumba oder Thomas Sankara den Vorzug geben.

Ich habe den Eindruck, dass Kaunda, der "Löwe von Sambesi", das Andenken eines unbeirrbaren Führers hinterlässt, der offen für den Dialog war, vielleicht manchmal zu sehr. Seine lange Amtszeit - und sein langes Leben, das von großer Disziplin zeugt - machen ihn zu einem Bezugspunkt und zu einem kontroversen Thema in der politischen Geschichte seines Landes. Trotzdem erkennt die ganze Welt seine Bedeutung als großer Staatsmann an. In Hinblick auf den Panafrikanismus war er ein konstruktives Element der afrikanischen Einheit, das stets danach strebte, Gegensätze zu überwinden. Ein Mann der Synthese, aber wie bei jedem Politiker wird das Vermächtnis, das er hinterlässt, vor allem von dem abhängen, was seine Erben daraus machen.


Die Übersetzung wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt.


Link zum französischen Originalartikel:
Kenneth Kaunda, un humaniste africain qui se réclamait de Gandhi - partie III
18.08.2021 - Olivier Flumian
https://www.pressenza.com/fr/2021/08/kenneth-kaunda-un-humaniste-africain-qui-se-reclamait-de-gandhi-partie-iii/

Die beiden ersten Teile des Interviews finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → Infopool → Politik → Meinungen
FRAGEN/009: Kenneth Kaunda, ein afrikanischer Humanist, der sich mit Gandhi verglich - Teil 1 (Pressenza)
FRAGEN/010: Kenneth Kaunda, ein afrikanischer Humanist, der sich mit Gandhi verglich - Teil 2 (Pressenza)


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 26. Oktober 2021

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