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OFFENER BRIEF/020: Shimon Peres spricht nicht in unserem Namen! (Occupation Magazine)


Occupation Magazine - Januar 2010

Israelische Bürgerinnen und Bürger erklären:

Shimon Peres spricht nicht in unserem Namen!


Wir schreiben diesen Brief als israelische Bürgerinnen und Bürger. Einige von uns sind Holocaust-Überlebende aus der zweiten und dritten Generation und wir sind alle aktiv im Kampf für Frieden und Gerechtigkeit für alle Bewohner der geplagten Region. Wir sind besorgt über Deutschlands schädliche und unmoralische Nahost-Politik. Unser Appell betrifft auch den bevorstehenden Besuch des israelischen Präsidenten Shimon Peres in Deutschland in dieser Woche. Während es gewiss berechtigt ist, Angriffe auf unschuldige israelische Zivilisten zu verurteilen und dagegen vorzugehen, ist es moralisch nicht hinnehmbar, dass deutsche Entscheidungsträger israelische Angriffe auf unschuldige Zivilisten kontinuierlich ignorieren, ja sogar verteidigen, obwohl diese Angriffe eine viel höhere Zahl an Opfern zur Folge haben, hauptsächlich im Libanon und in den besetzten palästinensischen Gebieten. Wir sind ebenso besorgt über das Klima der Angst, das in der deutschen Politik herrscht, wenn moderater und gut begründeter Kritik an den schweren israelischen Menschenrechtsverletzungen mit McCarthy-Methoden entgegnet wird, wie z. B die Angriffe auf Heidemarie Wieczorek-Zeul und Herman Dierkes.

Wenn Präsident Shimon Peres in Berlin landet, sollte ihn keiner, der es ehrlich meint, automatisch mit Lob überhäufen, sondern ihn höflich aber bestimmt fragen, warum er Mitglied und dienstältester Propagandist von Israelischen Regierungen ist, die Cluster Munition, Pfeilgeschosse und weiße Phosphorbomben in dicht besiedelten Wohngebieten in Gaza und Libanon eingesetzt, immer mehr Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten gebaut und getrennte Rechtssysteme für israelische Siedler und ihre palästinensischen Nachbarn verhängt haben. Man kann ihn auch fragen, warum er die Verschleppung und Misshandlung eines israelischen Bürgers in Rom (Mordechai Vanunu im September 1986) autorisiert hat - eine eindeutige Verletzung internationalen Rechts - und warum es für einen Staat im Nahen Osten zulässig sein soll, Atomwaffen zu besitzen, was notwendigerweise einen gefährlichen Rüstungswettlauf in dieser explosiven Region auslöst. Man kann ihn auch fragen, warum er als Ministerpräsident im April 1996 die massiven Bombenangriffe auf Dörfer im Südlibanon autorisierte, die ausdrücklich darauf zielten, eine Flut von Flüchtlingen auszulösen um Beirut zu überschwemmen. Wir vermuten, dass Herr Peres nicht begriffen hat, dass todbringende kollektive Bestrafung einer Zivilbevölkerung illegal ist. Deutschland muss offensichtlich Lehren ziehen aus dem Holocaust und aus der Völkermordpolitik, die Deutsche auch gegen andere ausgeführt haben. Die wirkliche Lehre, die gezogen werden muss besteht darin, dass jeder sich für die universellen Prinzipien der Menschenrechte einsetzt. Deshalb hat Deutschland nicht nur eine moralische Verpflichtung gegenüber Juden, sondern auch gegenüber palästinensischen und libanesischen Zivilisten. Präsident Shimon Peres, der sich zahlreicher schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat, darf nicht als Repräsentant des Weltjudentums betrachtet werden. Er spricht nicht einmal für alle israelischen Juden.

Wir appellieren an die deutsche Regierung damit aufzuhören, die schweren Menschenrechtsverletzungen zu ignorieren und zu rechtfertigen, die von Shimon Peres und dem israelischen Staat begangen werden, einschließlich derer, die im Goldstone-Report dokumentiert sind. Wir appellieren an die deutsche Regierung, ihre Waffenlieferungen einzustellen, die diese Menschrechtsverletzungen ermöglichen.


Dieser Appell wurde unterschrieben u. a. von:
Adam Yishay Amorai
Udi ALoni
Zohar Atai
Ofra Ben-Artzi
Natalie Cohen
Michael Engel
Eva Ferrero
Prof. Rachel Giora
Yoav Haas
Dr. Roni Hammermann
Iris Hefets
Shir Hever
Seffy Hurwitz
Ofer Neiman
Dr. David Nir
Prof. Nurit Peled-Elhanan (Sacharow-Menschrechtspreis 2001)
Moshe Perlstein
Gideon Spiro (Überlebender der "Kristallnacht")
Maya Wind
Tom Yuval


(Übersetzung Doris Pumphrey)

www.kibush.co.il/downloads/SHIMON%20PERES_GERMANY.doc


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Quelle:
Occupation Magazine, Januar 2010
News, summaries and commentary by people opposing the occupation
E-Mail: kibush1@hotmail.com
Internet: http://www.kibush.co.il/


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2010