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STANDPUNKT/029: Stuttgart21 hat kein Kommunikationsproblem (Naturfreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 8. Oktober 2010

Stuttgart21 hat kein Kommunikationsproblem

Das Megaprojekt ist vielmehr Ausdruck einer überholten Zeit


Berlin, 8. Oktober 2010 - Die zunehmenden Auseinandersetzungen um Stuttgart21 seien nicht primär die Folgen eines Kommunikationsproblems, mahnt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller. Stuttgart21 sei mittlerweile ein Symbol für den gesellschaftlichen Zweifel an einem Fortschritt geworden, der nur Größe und Geschwindigkeit kenne. "Die Kathedralen der Moderne leeren sich. (...) Der Vorschlag einer Volksbefragung ist richtig", so Müller.

Ob Stefan Mappus oder Angela Merkel, ob Rüdiger Grube oder die Kommentatoren großer Zeitungen: Sie alle haben für das Desaster um Stuttgart21 eine falsche Erklärung. Denn dass das Milliardenprojekt falsch vermittelt worden sei, ist - Pardon - großer Unsinn. Der Konflikt ist nicht nur ein Ausdruck der Folgen von Macht und Arroganz, das eigentliche Problem liegt tiefer.

Die zunehmenden Auseinandersetzungen folgen aus der Unvereinbarkeit zweier unterschiedlicher Denkweisen: Die Führungsspitze der Deutschen Bahn AG, die baden-württembergische Landesregierung und auch die Bundesregierung hängen einem untergehenden Verständnis von Fortschritt an, das nur Größe und Geschwindigkeit kennt. Doch die Menschen zweifeln an den Heilsbotschaften dieses Fortschritts - und wenden sich ab: Die Kathedralen der Moderne leeren sich.

Das ist die eigentliche Frage, um die es geht, das ist der eigentliche Grund für das wachsende gesellschaftliche Unbehagen, das bei wechselnden Anlässen und unterschiedlichen Themen immer wieder aufbricht: Ist die herrschende Philosophie des "schneller, höher, weiter" noch zeitgemäß oder führt uns dieser Größenwahn nicht direkt in die Krise?

Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in diese Denkweise, zumal die Globalisierung sie aus den gewohnten und vertrauten Zusammenhängen gerissen hat. Sie sehnen sich zurück ins Vertraute und Gefestigte. Das ist die Reaktion auf drei Jahrzehnte Beschleunigungswahn des Finanzkapitalismus, dessen Ergebnisse nicht überzeugen können.

Stuttgart21 ist mittlerweile auch ein Symbol für das Innehalten und das Überdenken, für die Frage, ob es wie bisher weitergehen darf. Insofern ist die Rolle des Schlichters Heiner Geißler von Anfang an falsch konstruiert: Im eigentlichen Konflikt kann es nämlich keinen Kompromiss geben, sondern nur ein Umdenken. Ein Vermittler kann - wenn überhaupt - nur den Konflikt offen legen und Wege finden, wie er rational ausgetragen werden kann.

Doch dieser grundsätzliche Konflikt ist mit Friedenspflicht oder Schlichtung leider nicht zu lösen. Ministerpräsident Stefan Mappus, aber auch der Schlichter Heiner Geißler haben die wahre Dimension dieses Konflikts nicht verstanden.

Deshalb ist der Vorschlag richtig, zu einer Volksbefragung zu kommen.


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Quelle:
Presseinformation vom 08.10.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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Warschauer Str. 58a, 10243 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010