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STANDPUNKT/530: Neokonservatives Denken in den USA und mögliche Folgen (Jürgen Heiducoff)


Neokonservatives Denken in den USA und mögliche Folgen
- zwischen Gedankenspielen und schrecklicher Realität -

von Jürgen Heiducoff, 2. Januar 2016


Das neue Jahr soll nicht mit Miesmacherei beginnen.
Aber es gibt große und reale Gefahren, auf die hingewiesen werden muss.
Mit der Auflösung der UdSSR und dem Zerfall des Ostblockes blieben die USA als einzige weltweit agierende Macht übrig.
Und so meinten US - Strategen, sie könnten die Welt als Schachbrett betrachten, auf dem sie für beide Seiten spielen könnten.

Wer hätte in den frühen 1990er Jahren gedacht, dass sich Russland nach einer langen Phase des Niederganges wieder auf der Bühne der Weltpolitik meldet? Natürlich fehlt diesem politischen und militärischen Selbstbewusstsein die erforderliche wirtschaftliche Basis.
Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, dass die Volksrepublik China zur zweit größten Volkswirtschaft hinter den USA heran wächst? Wer hätte diesem Land zugetraut, das diesem Wachstum entsprechende politische und militärische Selbstbewusstsein zu entwickeln?

Misstrauisch beobachtet das politische Washington die Annäherung Russlands an China und die politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der BRICS - Staaten.
Nichts haben die USA an militärischer und militärtechnologischer Macht eingebüßt. Die vielen Kriege, die durch die USA rund um die Welt geführt wurden und werden, haben zu ihrer wirtschaftlichen Konsolidierung beigetragen. Viele Amerikaner sehen ihre Nation und damit sich als die erfolgreichen Macher auf der Weltbühne.
Und nun wollen die neu heranwachsenden Mächte die unipolare Welt ins Wanken bringen?

Das fordert vor allem die neokonservativen Kräfte hinter den Kulissen der Macht im "freien" Amerika heraus.
Sie fürchten bei andauerndem wirtschaftlichen Wachstum Chinas Konkurrenz auf dem Weltmarkt und wollen das Reich der Mitte schwächen. Deshalb bezeichnet das offizielle Washington das 21. Jahrhundert als "Amerikas Pazifisches Jahrhundert". Die Nachbarstaaten Chinas sollen auf Konfrontationskurs gegen Peking gebracht werden. In der Zeitschrift "Foreign Policy" (November 2011) klingt das aus der Feder der damaligen US Außenministerin H. Clinton so:

Eine breit verteilte militärische Präsenz der USA im Raum zwischen Pazifischem und Indischem Ozean biete große Vorteile. So wären die Vereinigten Staaten besser positioniert, um humanitäre Missionen zu unterstützen und mit ihren Partnern robuster gegen Bedrohungen für den regionalen Frieden und die Stabilität vorzugehen. Die USA wollten Partner, die anderer Auffassung sind, zu Reformen und zu besserer Regierungsführung sowie zum Schutz von Menschenrechten und politischen Freiheiten auffordern. Clintons Beitrag schloss mit dem Ausblick, dass Amerika für die nächsten 60 Jahre in der asiatisch-pazifischen Region präsent und dominant bleiben werde.

Die USA provozieren China immer wieder militärisch mit Manövern in den angrenzenden Seegebieten um Korea, mit der Präsenz der US Navy und strategischer Bomber in und über den Seegebieten ostwärts und südlich Chinas.
Die USA provozierten Russland mit Manövern der NATO Speerspitze an seiner unmittelbaren Westgrenze und nun mit der Verstärkung der NATO Aufklärungsfähigkeiten im Handlungsraum russischer Luftstreitkräfte in Syrien. Dazu sollen Komponenten des AWACS - Systems in die Türkei verlegt werden.

All dies ist eine Politik der Nadelstiche gegen China und Russland, die das Ziel verfolgt, die Geduld der beiden Staaten herauszufordern.
Und das ist ein "Spiel mit dem Feuer", denn da finden Nadelstiche gegen Atommächte statt.

Die Experten in den USA wissen sehr wohl, dass sie mit konventionellen Streitkräften weder China, noch Russland beikommen können. Der eiskalten Logik zu folgen, hieße zur thermonuklearen Denkoption zu gelangen.

Die Umsetzung einer solchen Denkoption in die Praxis würde die Zerstörung der Lebensgrundlagen für die Menschheit auf diesem Planeten zur Folge haben können.
Auch ein "Spiel mit nuklearer Bedrohung" ist unverantwortlich.
Das ist auch den US-Strategen klar, auch den neoliberal beeinflussten Politikern.

Wie lange aber ist ein Balancieren auf dem schmalen Grat zwischen taktischen Nadelstichen und atomarem Schlag möglich?
Wann kann ein nicht mehr korrigierbarer Fehlgriff eines Gliedes in der Kette des Systems zur Auslösung des Starts nuklearer Vernichtungsmittel ausgeschlossen werden?
Ich meine, es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass es auf der Uhr der Existenz unserer Welt fünf vor zwölf ist. Und keiner weiß genau, wie schnell diese Uhr tickt.
Wer vermag diese Uhr zum Stillstand zu bringen?

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Quelle:
© 2016 by Jürgen Heiducoff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2016

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