Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → MEINUNGEN


STANDPUNKT/831: Umsturzversuch in Caracas (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 25. Januar 2019
german-foreign-policy.com

Umsturzversuch in Caracas


CARACAS/BERLIN - Die Bundesregierung unterstützt den venezolanischen Umstürzler Juan Guaidó und fordert wenige Tage nach der Amtseinführung von Präsident Nicolás Maduro Neuwahlen in Venezuela. Guaidó hatte erklärt, Maduro nicht anzuerkennen, und sich am Mittwoch selbst zum Präsidenten ausgerufen. Führende deutsche Außenpolitiker vor allem aus der CDU drängen Berlin, noch einen Schritt weiterzugehen und Guaidó als Präsidenten anzuerkennen. Dies haben die Vereinigten Staaten und eine Reihe rechtsgerichteter Regierungen Lateinamerikas, darunter die vom Militär kontrollierte Regierung Brasiliens, bereits getan. Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik, zum Teil auch die Bundesregierung selbst haben in der Vergangenheit regelmäßig die den alten, wohlhabenden venezolanischen Eliten entstammende Opposition in dem Land unterstützt. Vor allem die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) hat dabei auch Organisationen gefördert, die an Putschversuchen beteiligt waren. Deren Vertreter fanden sich mehrere Male zu politischen Gesprächen im Auswärtigen Amt und im Bundeskanzleramt ein.

Rückendeckung aus Berlin

Die Bundesregierung hat sich am gestrigen Donnerstag klar auf die Seite des venezolanischen Umstürzlers Juan Guaidó gestellt. Guaidó, Parlamentspräsident seines Landes, hatte sich schon am Mittwoch in Chacao, einem wohlhabenden Viertel der Hauptstadt Caracas, selbst zum Präsidenten proklamiert und angekündigt, eine Übergangsregierung einsetzen sowie Neuwahlen anberaumen zu wollen. [1] Der Forderung nach Neuwahlen hat sich gestern ein Berliner Regierungssprecher angeschlossen, der darüber hinaus dem Parlament in Caracas, also implizit auch dessen Präsidenten, "eine besondere Rolle" zuschrieb. [2] Führende deutsche Politiker fordern darüber hinaus Guaidós Anerkennung als Präsident. Wie der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärt, sei Guaidó der "einzige legitime Vertreter des venezolanischen Volkes"; Maduro dagegen müsse "abtreten". Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, äußert, es wäre "richtig", Guaidó als Präsidenten "von Europa aus anzuerkennen". [3] Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, fordert die Bundesregierung auf, Guaidó unmittelbar "Unterstützung" zukommen zu lassen. [4] Notwendig sei "internationale Unterstützung, auch die deutsche".

Putschistenförderung

Auf Unterstützung von Vorfeldorganisationen der deutschen Außenpolitik, teilweise auch der Bundesregierung selbst hat die Opposition gegen die Regierungen von Hugo Chávez und seinem Nachfolger Nicolás Maduro stets bauen können. Dies war schon bei dem - letztlich gescheiterten - Putsch gegen Präsident Chávez im April 2002 der Fall. Die in den Umsturzversuch involvierte Partei Primero Justícia von Henrique Capriles Radonski, damals Bürgermeister des wohlhabenden Hauptstadt-Distrikts Baruta, war zuvor von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert worden. Die Adenauer-Stiftung unterstützte Primero Justícia laut Berichten auch noch nach dem Putsch, den sie als harmlosen "Generalsprotest" abtat (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Zudem zahlte sie, wie es 2010 in einer Analyse des FRIDE-Instituts in Madrid hieß, jährlich "rund 500.000 Euro" für gemeinsame Projekte mit der venezolanischen Opposition, unter anderem für "langfristige Beratungsprozesse" zur "politischen Kommunikation".

"Politische Kommunikation"

Bereits in der Vergangenheit hat die venezolanische Opposition nach Angaben der Adenauer-Stiftung Wahlen, die sie nicht gewinnen konnte, für "politische Kommunikation" genutzt. Das war etwa nach der Präsidentenwahl am 14. April 2013 der Fall, die nach Chávez' Tod am 5. März 2013 notwendig geworden war und die Maduro mit 50,6 Prozent knapp für sich entscheiden konnte. Forderungen der Opposition um den unterlegenen Kandidaten Enrique Capriles, eine manuelle Neuauszählung vorzunehmen, stufte die Adenauer-Stiftung als PR-Manöver ein. Da die Wahlen so sorgfältig geregelt gewesen seien, dass es "für eine Manipulation der Stimmenauszählung wenig Raum" gebe, sei nicht damit zu rechnen, dass sich bei einer Überprüfung der Wahlzettel "ein wesentlich anderes Ergebnis nachweisen" lassen werde, urteilte die CDU-nahe Organisation. [6] Die venezolanische Opposition ziele "also nicht primär auf die Verkündung eines anderen Wahlergebnisses, das ihr den Sieg zuspricht", sondern schlicht darauf, eine angeblich "fehlende Legitimität der Regierung" anzuprangern und damit Maduros Position auf nationaler wie auf internationaler Ebene bereits vor dem Beginn seiner Präsidentschaft zu unterminieren.

Gespräche im Bundeskanzleramt

Die Adenauer-Stiftung hat zudem Politikern der venezolanischen Opposition wichtige Kontakte in Berlin und in Brüssel vermittelt. Anfang 2011 etwa lud sie einem Bericht des Informationsportals amerika21 zufolge unter anderem Politiker von Primero Justícia in die deutsche Hauptstadt ein; diese führten dort Gespräche mit Bundestagsabgeordneten. [7] Im Januar 2015 sowie im Juni 2016 öffnete sie einer venezolanischen Oppositionsdelegation sogar die Türen zu Gesprächen im Auswärtigen Amt und im Bundeskanzleramt. Anfang September 2017 wiederum lud Kanzlerin Angela Merkel den damaligen Parlamentspräsidenten Venezuelas, Juli Borges, zu einem Gespräch über die dortige politische Lage ein. Borges war damals auf Europareise und traf etwa auch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und der britischen Premierministerin Theresa May zusammen. Er hatte laut Berichten den Putsch im April 2002 persönlich unterstützt. [8] Jetzt hat er aus seinem Exil im Nachbarland Kolumbien - ihm wird die Beteiligung an einem gescheiterten Mordanschlag auf Maduro im vergangenen August vorgeworfen [9] - den Umsturzversuch von Parlamentspräsident Juan Guaidó begrüßt. [10]

"Zur Tat!"

Während Deutschland und die EU Guaidó politisch unterstützen, haben die Vereinigten Staaten sowie diverse rechtsgerichtete Regierungen Lateinamerikas ihn bereits als Präsidenten anerkannt. Vor allem Washington verschärft seinen Aggressionskurs. Bereits im September war berichtet worden, die Trump-Administration habe mit oppositionellen venezolanischen Militärs Gespräche über einen möglichen Putsch geführt. [11] Am 15. Januar hatte Guaidó in einem Beitrag in der Washington Post, den die Zeitung online auch in spanischer Sprache zur Verfügung stellte, offen aufgerufen, "zur Tat" zu schreiten. [12] Nachdem die venezolanische Regierung in Reaktion auf Guaidós Anerkennung durch die USA die diplomatischen Beziehungen zu ihnen abgebrochen hat, weigert sich Washington, Maduros Forderung zu entsprechen und seine Diplomaten binnen 72 Stunden aus Caracas abzuziehen. US-Außenminister Mike Pompeo hat zudem erklärt, die Trump-Administration sei bereit, auf Bitte der Opposition rasch Hilfslieferungen ins Land zu schaffen. [13] Dies käme dem Versuch gleich, die angemaßten Amtsgeschäfte des selbsternannten "Präsidenten" Guaidó auf venezolanischem Hoheitsgebiet in Gang zu bringen. Damit stünde eine womöglich gewaltsame Internationalisierung des Konflikts bevor.


Anmerkungen:

[1] Harald Neuber, Marta Andujo: Putschversuch in Venezuela verschärft Spannungen, Opposition erklärt Gegenpräsidenten. amerika21.de 24.01.2019.

[2], [3] Bundesregierung fordert "freie und glaubwürdige Wahlen" in Venezuela". welt.de 24.01.2019.

[4] Röttgen fordert Bundesregierung zur Unterstützung von Oppositionschef Guaidó auf. rp-online.de 24.01.2019.

[5], [6] S. dazu Wahlprotest als Taktik.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/5905/

[7], [8] S. dazu Gespräche im Kanzleramt.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7376/

[9] S. auch Putschversuch in Caracas.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7660/

[10] Capriles Radonski asegura que Venezuela apoya a Juan Guaidó. efectococuyo.com 23.01.2019.

[11] Ernesto Londoño, Nicholas Casey: Trump Administration Discussed Coup Plans With Rebel Venezuelan Officers. nytimes.com 08.09.2018.

[12] Juan Guaidó: Maduro is a usurper. It's time to restore democracy in Venezuela. washingtonpost.com 15.01.2019.

[13] Joel Gehrke: Pompeo pledges $20M aid package to Venezuela after request from Maduro opposition leader. washingtonexaminer.com 24.01.2019.

*

Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang