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STANDPUNKT/969: Klägliches Kulturpaket (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 24 vom 12. Juni 2020
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Kultursplitter

Klägliches Kulturpaket

Von Herbert Becker


Ein großer "Wumms" sei das Konjunkturpaket der Regierung, meinte Olaf Scholz, die rund 130 Milliarden Euro müssten jetzt sein und Wirtschaft und Gesellschaft könnten damit wieder Fahrt aufnehmen. Eine bescheidene Summe von einer Milliarde Euro soll davon für die "Kultur" sein, die zuständige Staatsministerin Monika Grütters frohlockt. Sie redet sogar von einem "Neustart, der nun möglich gemacht werde". Das kleine Päckchen für die "Kultur" bietet dann für die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen und die Umsetzung von Hygienekonzepten 250 Millionen Euro, mit weiteren 450 Millionen Euro sollen vor allem private Kulturstätten unterstützt werden, um Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zu holen und neue Projekte anschieben zu können. 150 Millionen Euro werden für die Förderung alternativer, auch digitaler Angebote zur Verfügung gestellt sowie 100 Millionen Euro für Einrichtungen und Projekte, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden. Konkreter wird es nicht, was und wer genau an Geld kommen kann, was denn "alternativ und digitalisiert" gefördert werden soll, alles bleibt im Nebel der Ankündigungen. Wichtig ist der Regierung, dass die "Leuchttürme" bald wieder funktionieren, alles andere soll sehen, wie und wann man zurechtkommt.

Dieses Paket ist jämmerlich, alleine die tatsächlichen Größenordnungen in der Kulturwirtschaft machen deutlich, wovon die Rede sein müsste. Weit über 150.000 Menschen sind direkt als künstlerisch Tätige gemeldet. Der geschätzte Jahresumsatz der gesamten Branche liegt bei 160 Milliarden Euro, die bisherigen Verluste seit Februar/März sind schon auf fast 15 Milliarden angewachsen. Ende offen. Während viele Künstlerinnen und Künstler noch auf das Geld warten, das aus früheren "Hilfen" seit März auf ihren Konten ankommen sollte, während Zehntausende von Beschäftigten, die hinter den Bühnen, im Museumsbetrieb, in der Film- und Fernsehwirtschaft noch in Kurzarbeit sind, tönt die Regierung vom "kreativen Beginn einer neuen Ära". Ob die kleinen Bühnen, die Clubszene, die Galerien und andere mehr diesen Kollaps überhaupt überstehen werden, ist noch unklar. Denn viele dieser "Betriebe" leben vom Engagement der Ehrenamtlichen. Ob die die Kraft finden, trotz eigener wirtschaftlicher Not das kleine Museum, das bescheidene soziokulturelle Zentrum wieder ans Laufen zu bringen, bleibt fraglich. Dem "Kulturpäckchen" fehlt es - wie eigentlich immer - noch an den konkreten Durchführungsverordnungen und da dieser politische Bereich hauptsächlich Ländersache ist, wird es dauern.

Zu befürchten ist, es wird ein Großreinemachen geben, die staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen werden es schaffen, die kleinen, privaten oder sogar alternativen Betreiber und Förderer von Kunst und Kultur werden, wenn überhaupt, nur mühsam auf die Beine kommen. Und eines sollte nicht vergessen werden: Vor der Pandemie und dem Lockdown war doch nichts in Ordnung, es musste zu Recht protestiert und gefordert werden, um "kulturelle Bildung" für die arbeitenden Menschen zu ermöglichen. Es kann und darf doch jetzt nicht nur darum gehen, konkrete und ausreichende Hilfen zu fordern - ein tatsächliches Umdenken, eine andere Kulturpolitik im Bund, den Ländern, den Kommunen muss gefordert werden. Eine Kulturwirtschaft, die nur "Business as usual" will, bleibt in den Fangarmen der Herrschenden. So verständlich der dringende Wunsch ist, endlich wieder vor Publikum spielen zu können, in einer Ausstellung präsentieren, Veranstaltungen durchführen zu können, wenn die oft nur - pardon - "gequirlte Scheiße" zu hören und zu sehen ist, wenn das passiert, hat die Kulturwirtschaft eine mögliche Chance für einen wirksamen Neustart vertan.


Über den Autor
Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 52. Jahrgang,
Nr. 24 vom 12. Juni 2020, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2020

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