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STANDPUNKT/1060: "Egal woher du kommst, wenn du schwarz bist, bist du Afrikaner*in" (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Welt
"Egal woher du kommst, wenn du schwarz bist, bist du Afrikaner*in"

von Carlos Ramos


Rot-schwarz-grüne Flagge der panafrikanischen Bewegung - Grafik: by Schattenblick

Die UNIA (Uni­ver­sal Negro Im­pro­vement As­so­cia­ti­on and Af­ri­can Com­mu­nities Le­ague) ge­stal­te­te 1920 die rot-schwarz-grüne Flag­ge der pan­afri­ka­ni­schen Be­we­gung. Rot steht für das Blut, das alle Men­schen schwarz­afri­ka­ni­scher Ab­stam­mung ver­eint und das für die Be­frei­ung ver­gos­sen wird; schwarz für das schwar­ze Volk, des­sen Exis­tenz als Na­ti­on, wenn auch nicht als Na­tio­nal­staat, durch die Prä­senz der Flag­ge zum Aus­druck ge­bracht wird, und grün für die rei­chen Na­tur­schät­ze Afri­kas.
Gra­fik: by Schat­ten­blick

(Ber­lin, 23.10.2023, npla) - Was ist Pan­afri­ka­nis­mus? Pan­afri­ka­nis­mus ist eine po­li­ti­sche, phi­lo­so­phi­sche, kul­tu­rel­le und so­zia­le Be­we­gung, die sich für den Zu­sam­men­schluss, die Ver­tei­di­gung der Rech­te des afri­ka­ni­schen Vol­kes und die Ver­ei­ni­gung des afri­ka­ni­schen Kon­ti­nents zu einem ein­zi­gen afri­ka­ni­schen Staat ein­setzt. Die Idee der Ein­heit be­zieht sich so­wohl auf die Men­schen in Afri­ka als auch auf die Afri­ka­ner*innen in der Dia­spo­ra. Die Theo­rie des Pan­afri­ka­nis­mus wurde vor allem von Afri­ka­ner*innen aus der ame­ri­ka­ni­schen Dia­spo­ra ent­wi­ckelt. Wich­ti­ge Im­pul­se brach­ten Nach­fah­ren von Ver­sklav­ten wie Wil­liam Du Bois und Mar­cus Gar­vey ein, die in der ame­ri­ka­ni­schen Dia­spo­ra auf­ge­wach­sen waren. Ihre Ideen wur­den von po­li­ti­schen Ak­ti­vist*innen auf dem afri­ka­ni­schen Mut­ter­kon­ti­nent auf­ge­grif­fen, dar­un­ter Kwame Nkru­mah, der zwi­schen 1960 und 1966 ers­ter Prä­si­dent des west­afri­ka­ni­schen Staats Ghana war.


Was hat es mit Rot-Schwarz-Grün auf sich?

Fer­nan­do ist ein ku­ba­ni­scher Pan­afri­ka­nist, Bas­ket­ball­spie­ler, Hip-Hop­per, Künst­ler und Ak­ti­vist der vier­ten Pan­afri­ka­nis­ti­schen In­ter­na­tio­na­le. Die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der po­li­ti­schen Be­deu­tung des Schwarz­seins liegt bei ihm in der Fa­mi­lie. Fer­nan­do er­zählt: "Ich glau­be, die erste In­spi­ra­ti­on kam von mei­nem Vater. Mein Vater war ein Künst­ler, ein afro­ku­ba­ni­scher Mann, der sehr stolz auf seine Iden­ti­tät als Schwar­zer war, und das hat er mir von klein auf ver­mit­telt. Die zwei­te An­re­gung kam durch meine Ge­schwis­ter, die alle älter sind als ich. Ei­ni­ge von mei­nen Brü­dern gin­gen nach New York, nach Brook­lyn, als ich noch klein war, und als sie zu­rück­ka­men, hatte die Rasta-Kul­tur sie ziem­lich ge­prägt. Bas­ket­ball war meine erste große Liebe, so bin ich zum Hip-Hop ge­kom­men. Wenn ich mir be­stimm­te Stü­cke an­hör­te, wurde ich neu­gie­rig und woll­te wis­sen, wovon sie reden und was es mit dem Rot, Schwarz und Grün auf sich hat."


Ent­mensch­li­chung und Re­vol­te

Die Ur­sprün­ge des Pan­afri­ka­nis­mus lie­gen in der Zeit der Skla­ve­rei, der Ko­lo­ni­sie­rung Ame­ri­kas und Afri­kas durch die Eu­ro­pä­er, des trans­at­lan­ti­schen Men­schen­han­dels, des Men­schen­raubs und der ab­scheu­li­chen Ge­schäf­te­ma­che­rei mit Schwar­zen Men­schen. Die ers­ten An­sät­ze für die pan­afri­ka­ni­sche Ideo­lo­gie und po­li­ti­sche Phi­lo­so­phie ent­stan­den an den Küs­ten Afri­kas. In den Sam­mel­sta­tio­nen für die mensch­li­che Ware. In den La­za­ret­ten, in denen die Ge­fan­ge­nen in Qua­ran­tä­ne ge­hal­ten wur­den und dar­auf war­te­ten, auf den be­rüch­tig­ten Skla­ven­schif­fen ab­trans­por­tiert zu wer­den. Sie ent­stan­den ge­nau­so auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent, im Wi­der­stand und den heim­li­chen Ver­brü­de­run­gen der Ge­fan­ge­nen und ihrer Flucht von den Plan­ta­gen in die Berge, weit weg von den Kon­troll­in­stan­zen der Skla­ven­händ­ler. Die­je­ni­gen, die es ge­schafft hat­ten zu ent­kom­men, nann­ten sich selbst Ci­mar­ro­nes und lie­ßen sich in selbst­or­ga­ni­sier­ten Ge­mein­schaf­ten nie­der, die je nach Ort Pa­len­ques, Cum­bes, Qui­lom­bos oder Mam­bi­ses ge­nannt wur­den. Re­bel­lio­nen Schwar­zer Men­schen hat es immer ge­ge­ben; die Schwar­zen Völ­ker haben ihre ei­ge­ne re­vo­lu­tio­nä­re Tra­di­ti­on. Auf­stän­de und Re­bel­lio­nen in Abya Yala, in La­tein­ame­ri­ka, sind his­to­risch be­legt. In Ko­lum­bi­en grün­de­te Benko Bio­hos mit an­de­ren ent­lau­fe­nen Sklav*innen Pa­len­que de San Ba­si­lio, Yangá führ­te im Hoch­land bei Ver­acruz in Me­xi­ko eine Ko­lo­nie ehe­mals ver­sklav­ter Men­schen an, Zumbí und Dan­dara kamen aus dem Qui­lom­bo de Pal­ma­res und leis­te­ten an­ti­ko­lo­nia­len Wi­der­stand in Bra­si­li­en. Auch in Ecua­dor, Peru, Ve­ne­zue­la, Su­ri­nam und Kuba fin­det man Spu­ren von Auf­stän­den und Ge­gen­wehr. In Ja­mai­ka in der Ka­ri­bik kam es be­reits um 1700 zu Auf­stän­den von Men­schen, die ihrer Ver­skla­vung ent­kom­men waren und in den Blue Moun­tains kämp­fe­ri­sche au­to­no­me Sied­lun­gen be­grün­de­ten. In Haiti wurde zwi­schen 1793 und 1804 die Un­ab­hän­gig­keit er­kämpft. Es war die erste er­folg­rei­che Schwar­ze Re­vo­lu­ti­on, und Haiti wurde zur ers­ten Schwar­zen Re­pu­blik welt­weit. All diese Bei­spie­le his­to­ri­scher Tri­um­phe geben den Schwar­zen Völ­kern noch heute Hoff­nung und Selbst­ver­trau­en.


Nicht Un­ter­drü­ckung ist der wich­tigs­te Motor, son­dern die Hoff­nung

Abuy Nf­u­bea, spa­ni­scher Jour­na­list aus Äqua­to­ri­al­gui­nea und Ge­ne­ral­se­kre­tär der Vier­ten Pan­afri­ka­ni­schen In­ter­na­tio­na­le, sagt über die Kämp­fe Schwar­zer Men­schen: "Das Motiv für den Kampf ist nicht die Un­ter­drü­ckung, son­dern die Hoff­nung. Wenn man den Men­schen ein Mi­ni­mum an Hoff­nung gibt, wer­den sie kämp­fen. Die Theo­rie des Klas­sen­kampfs be­sagt, dass sich die Men­schen gegen Un­ter­drü­ckung er­he­ben, und wenn die Un­ter­drü­ckung groß genug sei, trä­ten die Men­schen in Ak­ti­on. Und genau das ist nicht wahr. Wäre es wahr, hät­ten sich Afri­ka und das Schwar­ze Volk, hät­ten wir uns schon längst er­ho­ben. Aber so funk­tio­niert das nicht."

In den ja­mai­ka­ni­schen Blue Moun­tains, den blau­en Ber­gen, wurde nicht nur der Ras­tafa­ria­nis­mus ge­bo­ren, son­dern auch einer der be­deu­tends­ten Pan­afri­ka­nis­mus-Kämp­fer der Welt, Mar­cus Gar­vey. Mar­cus Mo­siah Gar­vey kam am 17. Au­gust 1887 in Saint Ann's Bay, Ja­mai­ka, als Sohn einer Haus­an­ge­stell­ten und eines ge­lern­ten Mau­rers zur Welt. Sein Vater besaß eine große Bü­cher­samm­lung. Gar­vey ver­füg­te über aus­rei­chen­des au­to­di­dak­ti­sches Ta­lent, um sich das Dru­cker­hand­werk und spä­ter auch den Beruf des Jour­na­lis­ten mehr oder we­ni­ger selbst bei­zu­brin­gen. Dank sei­ner be­ruf­li­chen Fä­hig­kei­ten war er in der Lage, das Land zu ver­las­sen und die mi­se­ra­blen Ar­beits­be­din­gun­gen Schwar­zer Men­schen in den meis­ten Tei­len des ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nents ken­nen­zu­ler­nen. 1914 grün­de­te Mar­cus Gar­vey in Ja­mai­ka zu­sam­men mit sei­ner ers­ten Frau Amy Ashwood die Uni­ver­sal Negro Im­pro­vement As­so­cia­ti­on (UNIA). Die UNIA war eine uni­ver­sel­le pan­afri­ka­ni­sche Or­ga­ni­sa­ti­on, die für die Ver­bes­se­rung der Le­bens­be­din­gun­gen Schwar­zer Ge­mein­schaf­ten in allen Be­rei­chen, Wirt­schaft, Iden­ti­tät und Kul­tur, kämpf­te. Ihr Motto lau­te­te: "One God, One Aim, One De­s­tiny" - "Ein Gott, ein Ziel, ein Schick­sal". In nur fünf Jah­ren wurde die UNIA zur ein­fluss­reichs­ten Schwar­zen Or­ga­ni­sa­ti­on der da­ma­li­gen Zeit. Sie war eine der tra­gen­den Säu­len für die Ver­brei­tung von Ideen der Schwar­zen Selbst­be­stim­mung, des Selbst­wert­ge­fühls und des Schwar­zen Stol­zes. Aus der UNIA ent­wi­ckel­ten sich Mitte des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts ver­schie­de­ne Be­we­gun­gen, dar­un­ter Black Power, die Black Pan­ther Party, Bür­ger­rechts­be­we­gun­gen und sogar Un­ab­hän­gig­keits­be­we­gun­gen in Afri­ka sowie in­ter­na­tio­na­le schwar­ze So­li­da­ri­täts­be­we­gun­gen wie die Free-Man­de­la-Be­we­gung in La­tein­ame­ri­ka.


Pan­afri­ka­nist*innen heute

Iveth stammt ur­sprüng­lich aus Iz­abal im Nord­os­ten Gua­te­ma­las. Sie ver­steht sich als Teil der pan­afri­ka­ni­schen Be­we­gung und spricht über ihre Er­fah­run­gen in der Fa­mi­lie: "Ich bin in einer Schwar­zen Fa­mi­lie auf­ge­wach­sen. Es gab feste Ge­wohn­hei­ten, die das Zu­sam­men­le­ben re­gel­ten, zum Bei­spiel, wie wir das Essen tei­len. Es war eine sehr enge fa­mi­liä­re Bin­dung, in dem auch unser ge­mein­sa­mer afri­ka­ni­scher Back­ground eine wich­ti­ge Rolle spiel­te."

Im Ok­to­ber 2006 in Ma­drid wurde die Pan­afri­ka­ni­sche Be­we­gung Vier­te In­ter­na­tio­na­le Gar­vey­is­ta Ci­marrón Ras­tafa­ri Wo­ma­nist [1] als po­li­ti­sches In­stru­ment für die spa­nisch­spra­chi­ge Schwar­ze Be­völ­ke­rung ge­grün­det. Ihrem Ver­ständ­nis nach sind alle Schwar­zen Men­schen Afri­ka­ner*innen, und für alle gilt: Black is Be­au­ti­ful - eine Auf­for­de­rung, die ei­ge­ne Iden­ti­tät als Schwar­ze und Afri­ka­ner*innen glück­lich und mit Stolz an­zu­neh­men.

Pan­afri­ka­nist*innen in der spa­nisch­spra­chi­gen Welt re­prä­sen­tie­ren heute Mil­lio­nen von Men­schen in ganz Afri­ka, Eu­ro­pa und Nord- und Süd­ame­ri­ka und der Ka­ri­bik. Dana ist Leh­re­rin und lebt in einem Dorf in der Pro­vinz Rio Negro im ar­gen­ti­ni­schen Pa­ta­go­ni­en. Warum sie sich der pan­afri­ka­ni­schen Be­we­gung zu­rech­net? "Zum jet­zi­gen Zeit­punkt ist das für mich die ein­zi­ge po­li­tisch sinn­vol­le Po­si­ti­on. Und ich bin froh, dass es die­sen An­satz gibt. Ich kenne mich ganz gut aus mit den po­li­ti­schen Be­we­gun­gen, die in die­sem Land zur Aus­wahl ste­hen. Und die pan­afri­ka­ni­sche Be­we­gung ist, so­weit ich weiß, die ein­zi­ge, die wirk­lich die Macht­fra­ge stellt. Die nicht mehr und nicht we­ni­ger for­dert als die end­gül­ti­ge Be­frei­ung des Schwar­zen Vol­kes welt­weit".


Weitere Informationen über die Vierte Panafrikanische Internationale sind zu finden unter:
http://reparacionafricana.blogspot.com/

Anmerkung:
[1] https://www.facebook.com/groups/706270870267637/?locale=de_DE


URL des Artikels:
https://www.npla.de/thema/repression-widerstand/egal-woher-du-kommst-wenn-du-schwarz-bist-bist-du-afrikanerin/


Der Text ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

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Quelle:
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 21. Dezember 2024

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