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STREITSCHRIFT/017: Abriß der Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals verhindern! (Queck/Falkenhagen)


Abriss der Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bei Berlin muss verhindert werden!

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, August 2009


Am Sonntag den 23. August 2009 protestierten in Ziegenhals, Landkreis Dahme-Spreewald, südöstlich von Berlin, erneut Hunderte von Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland und anderen Ländern gegen den Abriss der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals und damit gegen die Entsorgung der kommunistischen Widerstandsgeschichte gegen das Nazi-Regime. Zu der Protestkundgebung hatte der Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte e.V. Ziegenhals anlässlich des 65. Jahrestags der Ermordung von Ernst Thälmann aufgerufen. Ernst Thälmann war einer der bedeutendsten deutschen Arbeiterführer und antifaschistischen Widerstandskämpfer. Seit 1925 war er Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), einer kampfstarken linken Partei, die auch im deutschen Reichtag zuletzt mit 100 Abgeordneten vertreten war. Sie wurde als erste antifaschistisch-demokratische Partei im März 1933 von den Hitler-Faschisten verboten, nachdem fast alle kommunistischen führenden Funktionäre und Reichstagsabgeordneten verhaftet worden waren. Kurze Zeit später wurden auch die Sozialdemokratische Partei und alle anderen demokratischen Parteien von den Nazis verboten. Ernst Thälmann wurde am 3. März 1933 verhaftet, jahrelang hinter Kerkermauern gehalten und auf persönlichen Befehl Hitlers am 18. August 1944 hinterrücks im KZ Buchenwald bei Weimar erschossen. Angeblich sei er durch einen angloamerikanischen Luftangriff ums Leben gekommen, der fand aber an dem Ort und zu der Zeit gar nicht statt.

Ernst Thälmann zu Ehren wurde in Ziegenhals 1953 die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte errichtet. Im Sportlerheim Ziegenhals hatte der Vorsitzende der KPD am 7. Februar 1933, kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers durch den Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler und der Machtergreifung der Nazis im Deutschen Reich, zum letzten Mal die Mitglieder des Zentralkomitees der KPD versammelt. Thälmann hielt dort eine historische Rede, in der er zur Aktionseinheit aller demokratischen Kräfte gegen die Hitlerdiktatur aufrief. Er wandte sich dabei auch speziell an die Sozialdemokraten mit dem dringenden Appell, alle Differenzen zu überwinden und den gemeinsamen Feind, die deutschen Nationalsozialisten zu bekämpfen und ihre Tyrannen-Herrschaft zu beseitigen. Er sagte den für die Völker verheerenden 2. Weltkrieg und die Naziverbrechen präzise voraus. Thälmann und die meisten Teilnehmer der Sitzung wurden kurze Zeit später von den Faschisten festgenommen und größtenteils ermordet. Diese historische Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland soll nun abgerissen und damit das Gedenken an den antifaschistischen Widerstand an wichtiger Stelle ausgelöscht werden.

Diese Aktion ist nicht nur gegen Kommunisten, sondern auch Sozialdemokraten und andere fortschrittliche demokratische Kräfte gerichtet.

Die Gedenkstätte Ziegenhals sollte eigentlich ein Heiligtum sein und unter besonderem Denkmalschutz der Bundesregierung Deutschland und der Landesregierung Brandenburg stehen. Das wäre auch im Sinne eines echten Denkmalschutzgesetzes in Deutschland. Der Sozialdemokrat Steinmeier als Bundesvizekanzler und der Sozialdemokrat Platzeck als Ministerpräsident von Brandenburg sollten sich besonders verpflichtet fühlen, sich für den Erhalt dieses Denkmals in Ziegenhals einzusetzen. War doch auch die große Führerpersönlichkeit der SPD, Rudolf Breitscheid, im KZ Buchenwald eingekerkert. Breitscheid war langjähriger Fraktionsvorsitzender der SPD im Reichstag und Sprecher zu außenpolitischen Fragen, bis auch die SPD von den Nazis verboten wurde. Und Rudolf Breitscheid, in Frankreich 1941 von der Vichy-Regierung verhaftet, an die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ausgeliefert und zunächst in das KZ Sachsenhausen verbracht, wurde ebenfalls am 24. August 1944 von den Nazis in Buchenwald heimtückisch ermordet, auch angeblich bei einem angloamerikanischen Luftangriff. Rudolf Breitscheid war wie Ernst Thälmann für die Aktionseinheit aller linken und demokratischen Kräfte gegen die Nazis eingetreten. Beide sind als besonders standhafte und aufrechte Kämpfer gegen den Faschismus und die faschistische Barbarei in die Geschichte eingegangen. Beide weigerten sich, als Gegenleistung für ihre Freilassung auf politische Aktivitäten gegen das verbrecherische Naziregime zu verzichten. Thälmann und Breitscheid stehen als aufrechte Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime in einer Reihe mit dem langjährigen SPD-Vorsitzenden Otto Wels.

Die deutschen Sozialdemokraten hatten auf jener verhängnisvollen Reichstagssitzung am 23. März 1933 geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt, welches die Nazi-Diktatur juristisch etablierte. Die Kommunisten waren zu dieser Zeit schon aus dem Reichtag ausgestoßen. Otto Wels sprach damals die berühmten Worte, die auch des schon in Kerkerhaft sitzenden Ernst Thälmanns würdig waren: "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht". Alle bürgerlichen Parteien stimmten damals aus Komplizenschaft oder Feigheit für das Ermächtigungsgesetz Adolf Hitlers. Otto Wels und die anderen SPD-Führer wurden nach dem Verbot ihrer Partei ausgebürgert und in die Emigration getrieben, viele landeten in den Nazi-KZs und wurden Opfer der faschistischen Todesmaschinerie. Im Gegensatz zu allen bürgerlichen Politikern der Weimarer Republik knickten die Kommunisten zusammen mit vielen linken Sozialdemokraten vor den Nazis nicht ein. Die Ideale der Freiheit und Menschenwürde standen für Ernst Thälmann wie für Rudolf Breitscheid, Otto Wels und anderen aufrechten Kommunisten und Sozialdemokraten nie zur Disposition.

Rudolf Breitscheid, Otto Wels und zahlreiche andere Sozialdemokraten wirkten in der Emigration an der von der KPD geschaffenen Volksfront gegen Faschismus und Krieg mit, dessen leitendem Ausschuss lange Zeit der berühmte deutsch-jüdische Schriftsteller Heinrich Mann vorstand.

Die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals soll nun nach dem Willen des jetzigen Eigentümers endgültig abgerissen werden. Das ist als Akt der Kulturbarbarei zu werten, wie auch Denis Ruh in dem Leitartikel der "junge Welt" mit dem Titel "Kampf um die Geschichte" vom 24. August 2009 richtig schreibt. Die Gedenkstätte stand seit 1953 unter strengem Denkmalschutz und das auch noch nach dem 3. Oktober 1990. Das hinderte aber die Treuhand und ihre Nachfolgeorganisationen nicht daran, das Grundstück, auf dem sich die Gedenkstätte befindet, mit der gesamten Fläche von 4650 Quadratmetern zum Verkauf feilzubieten. Es wurde dann in der Tat im Jahr 2002 trotz der Top-Lage am Krössin See in der näheren Umgebung der Hauptstadt Berlin für einen Kaufpreis von nur 86 000 Euro verkauft, und zwar an den Referatsleiter des Brandenburger Bauministeriums (Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr), Ministerialrat Gerd Gröger, der auch Chef der oberster Bauaufsichtsbehörde des Landes Brandenburg ist. Dieser war nach 1990 aus Bayern nach Brandenburg gekommen. Als Spitzenbeamter erhielt er den Zuschlag für das Grundstück. Damals wurde noch hoch und heilig versichert, dass die Thälmann-Gedenkstätte, die Teil des Grundstücks ist, weiter unter strengen Denkmalschutz stehen soll. Doch das war in den Wind gesprochen. Gerd Gröger setzte sich, wie viele Zeitungen berichteten, für die Novellierung des Brandenburger Denkmalschutzgesetzes ein, und die beschlossene Novelle sah dann vor, dass Denkmäler vom Eigentümer abgerissen werden können, wenn deren Unterhalt ihnen wirtschaftlich nicht zuzumuten ist. Danach lag es nur noch im Ermessen des Eigentümers, auch der Thälmann-Gedenkstätte, diese entweder weiter bestehen zu lassen, oder zu liquidieren. Bei der Top-Lage an Krössin-See mit seinen Erholungsstränden entschied sich der Privatier Gröger für den Abriss der Gedenkstätte. Die Unzumutbarkeit des Erhalts der Thälmann-Gedenkstätte wurde von ihm auch benannt. Sicher, weil hoher Profit aus Vermietung von Luxusvillen u. ähnl. in der Nähe von Badestränden oder aus Weiterveräußerungsgründen winkten. Übrigens ist Herr Ministerialrat Gröger, SPD-Mitglied und strammer bayerischer Antikommunist, wie man in Zeitungen nachlesen kann und kraft seiner Stellung innerhalb des Establishments hat er von der Landesregierung die Abrissgenehmigung für die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte erhalten. Da kann man nichts machen, heißt es nun in Brandenburger Regierungskreisen, auch seitens der Kommunalbehörden des Landkreises Dahme-Spreewald. Aber Eigentum verpflichtet und das natürlich zuvorderst, wenn es um die Pflege des Kulturerbes und besonders wenn es um die Pflege des Geistes des Antifaschismus geht. Aber Herrn Gröger soll das mit seiner zutiefst antikommunistischen Haltung nicht anfechten. Darüber würden sich seine Parteigenossen, Sozialdemokraten wie er, Rudolf Breitscheid und Otto Wels maßlos empören, wenn sie noch am Leben wären.

Zahlreiche Sympathisanten des Inlandes und Auslandes setzen sich nun weiter für den Erhalt des Denkmals an historischer Stätte in Ziegenhals ein. An der Kundgebung am Sonntag den 23. August nahmen z. B. auch Vertreter der Staatsduma in Moskau, so der Duma-Abgeordnete Stanislav Romanov und Vertreter Tschechiens teil. Aufgerufen sind nun die Sozialdemokaten und Linken des deutschen Bundestages, die Brandenburger Sozialdemokaten und Linken sowie alle fortschrittlichen Kräfte, einschließlich ihrer Kommunalbehörden, dafür einzutreten, die Abrissgenehmigung rückgängig zu machen. Auch an das Ehr- und Fairnessgefühl, sowie an die Beamtenehre von Herrn Ministerialrat Gröger sei nochmals appelliert, den Abriss aus Pietätsgründen zu unterlassen.

Aufgerufen dazu ist natürlich auch die deutsche Justiz, dem Widerspruchsbegehren zur Verweigerung des Abrisses zu entsprechen, damit die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals am historischen Ort erhalten bleibt. Der Abriss wäre, käme er unwiderruflich zustande, nach Bewertung kompetenter Vertreter der nationalen und internationalen Öffentlichkeit eine der größten Schandtaten der deutschen Geschichte und der deutschen Politik. Und das wäre er auch für die deutsche Justiz, würde sie den Abriss unwiderruflich zulassen bzw. genehmigen und sich damit über grundsätzliche Rechtsgebote des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege hinwegsetzen, kein Ruhmesblatt. Die Gerichte dürfen Herrn Gröger nicht weiter Recht geben, ist eine allgemeine Forderung der demokratischen Kräfte.

Die gesamte internationale Öffentlichkeit, die den Namen Thälmanns voller Liebe und Stolz nennt, setzt sich für den Erhalt der Ernst Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals ein.

Wir sind der Meinung, der Abriss der Gedenkstätte in Ziegenhals wäre ein falsches Signal für die rechten Kräfte in unserem Lande. Diese bekämpfen zu wollen, erklären ja selbst die Bundesregierung und Landesregierung Brandenburg! Deshalb darf der alte, noch der neue Geist des Faschismus, z. B. als Geschäftsmannssucht verkappt, in welcher Form auch immer, nicht wiederbelebt werden und durchkommen. No pasarán!! (Sie werden nicht durchkommen!!), muss die Devise, die von der berühmten Kommunistin und Antifaschistin Ibárruri, Dolores Gómez, genannt La Pasionaria, im Spanischen Bürgerkrieg von 1936-1939 geprägt wurde, auch in Bezug auf die Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals, lauten.


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Quelle:
Copyright by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen, August 2009
mit freundlicher Genehmigung der Autoren
      


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2009