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LAIRE/1085: Schäuble sägt mal wieder am Grundgesetz (SB)


Die Sturheit des Innenministers

In der nächsten Legislaturperiode soll durch Grundgesetzänderung der Bundeswehreinsatz im Innern durchgeboxt werden


Die allgemeine Aushöhlung der Grundrechte schreitet unaufhörlich voran. Das gilt sicher nicht nur für den westlichen Kulturkreis, aber er ist davon nicht ausgenommen. So wird in den USA Folter legalisiert und mit der Gründung einer speziellen, für "Befragungen" zuständigen FBI-Einheit regelrecht institutionalisiert. Der globale Terrorkrieg wiederum hat den Begriff des "feindlichen Kombattanten" hervorgebracht - derart stigmatisierte Menschen werden, ihrer Freiheit und Rechte beraubt, in Käfigen gehalten und diversen Folterpraktiken, einschließlich pharmakologischer Experimente, ausgesetzt. Die Europäische Union will sich mit dem Vertrag von Lissabon eine Verfassung geben, in der die "Freiheit des Marktes" zur Kerndoktrin erhoben und die permanente Qualifizierung der militärischen Schlagkraft dauerhaft festgeschrieben werden. Der einzelne wird mehr denn je zur Manövriermasse für allerlei administrative Ein- und Zugriffe abgestempelt, und das Deutsche Grundgesetz schleichend dem europäischen Recht untergeordnet. Wobei die EU eine Transformation von einem Staatenbund zu einer historisch bisher einmaligen Form von Bundesstaat durchläuft. Der heute schon deutlich spürbare Zwangscharakter dieser Staatsform perpetuiert Zug um Zug zu einem ökoideologischen Mangelregime.

In einem aktuellen Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Absicht wiederholt, das Grundgesetz dahingehend zu verändern, daß Bundeswehreinsätze im Innern erleichtert werden. Einmal mehr begründete Schäuble seinen Versuch, eine der Kernintentionen des Grundgesetzes zu schleifen, mit einer ominösen "Gefährdungslage", die diesen Schritt erforderlich mache.

Nun wußten die Urheber des Deutschen Grundgesetzes sehr genau, warum sie darin eine strikte Trennung zwischen Polizei und Militär festgelegt haben und Soldaten nur zur Verteidigung der Landesgrenzen eingesetzt werden sollten. Auch wenn sie nicht konkret voraussehen konnten, daß die Welt von einer Wirtschafts-, Klima-, Energie- und Hungerkrise zugleich getroffen wird, so hätte es ganz sicher nicht in ihrer Absicht gelegen, eine wesentliche Bestimmung des Grundgesetzes zu kippen, nur weil sich die allgemeine Wirtschaftslage verschlechtert hat. Zu einer vergleichbaren Entwicklung kam es auch während der Weimarer Republik mit der Konsolidierung der Macht der Nationalsozialisten. Eben deshalb sollten deutsche Soldaten nie, nie, nie wieder ein diktatorisches Regime verteidigen.

Schäuble strebt nicht gleich die ganz großen Sprünge an, wie sie einst mit Ermächtigungsgesetz und anderen Maßnahmen den Nationalsozialisten zu einer unanfechtbaren Position verholfen haben, wenn er die Bundeswehr über die bisher erlaubte Hilfe bei Katastrophenfällen hinaus innerhalb Deutschlands einsetzen will. Aber die von ihm in der nächsten Legislaturperiode angestrebte "ergänzende" Zulassung der Bundeswehr im Innern sollte dennoch nicht als Lappalie aufgefaßt werden. Ist der Schritt auch noch so klein, er bewegt immer das Ganze. Der kleine Schritt von heute summiert sich mit dem von gestern, von morgen und von übermorgen zu einer Bewegung, die eine eindeutige Tendenz erkennen läßt.

Irgendwann könnte es ganz legal sein, daß Deutsche auf Deutsche schießen. Es mag sein, daß die Gefährdungslage in der Welt zugenommen hat, wie Schäuble düster unkt. Dabei macht er jedoch die Rechnung ohne den Wirt, denn Deutschland als Mitglied der Europäischen Union agiert expansiv und verschlechtert dadurch die Lebensverhältnisse vieler Menschen in der Welt. Beispielsweise wurden 2007/2008 rund 100 Millionen Menschen weltweit im Zuge der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln in so tiefe Armut geworfen, daß sie Hunger erleiden mußten. Die Weltbank stellte in einer Untersuchung fest, daß die Subventionierung von Biosprit durch die Industriestaaten (und damit auch der Europäischen Union) hauptverantwortlich für diese Entwicklung war.

Darüber hinaus baut die EU neben der NATO ein zweites militärisches Standbein der transatlantischen Achse auf. Zwar agiert Deutschland nicht mehr (nur) national, sondern als Bündnispartner dieser Achse, aber wer Krieg am Hindukusch führt und sich die Sicherung der Ressourcen und Transportwege auf die Fahne schreibt, der will seinen Einfluß eben nicht nur nach außen erweitern, sondern auch nach innen. Dem steht selbst das Grundgesetz als Basis eines bürgerlich-konservativen Staates im Wege.

27. August 2009