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LAIRE/1343: Mondlandung - die Jagd nach Ansehen und Erfolg ... (SB)



Es ist wieder soweit. Immer wenn eine Regierung von etwas Unangenehmem ablenken will, beispielsweise daß viele Menschen verarmt sind und ihnen noch entbehrungsreichere Zeiten bevorstehen, zieht sie die religiöse Karte und entwirft eine Vision. Die US-Regierung scheint es eben damit besonders eilig zu haben. So hat kürzlich die Weltraumbehörde NASA angekündigt, daß sie nicht erst im Jahr 2028 Menschen auf dem Mond landen lassen will, wie ursprünglich in einem Finanzierungsantrag vom März dieses Jahres formuliert, sondern schon vier Jahre früher.

Man sagt, daß die USA, China, Rußland, die EU und andere bei der Eroberung des Alls in Konkurrenz zueinander stehen. Vordergründig trifft das offensichtlich zu, doch liefert das wissenschaftlich weitgehend nutzlose, da im wesentlichen selbstreferentielle Unterfangen eines bemannten Mondflugs in heutigen Zeiten von wachsender Armut und Not jenen ideologischen Kitt, der gebraucht wird, damit die Gesellschaft nicht ob ihrer krassen inneren Widersprüche auseinanderbricht - was gewiß nicht nur auf die Vereinigten Staaten von Amerika zutrifft.

Am 26. März hatte US-Vizepräsident Mike Pence als Vorsitzender des fünften Treffens des National Space Council im U.S. Space & Rocket Center in Huntsville, Alabama, die kühne Vision seines Chefs Donald Trump zur Erforschung des Weltraums gepriesen und angekündigt, daß die USA bereits 2024 zum Mond zurückkehren werden. NASA-Administrator Jim Bridenstine erklärte dazu: "Das ist die richtige Zeit für eine solche Herausforderung, und ich habe dem Vizepräsidenten versichert, daß die Mitarbeiter der NASA dieser Herausforderung gewachsen sind." [1]

Die NASA haucht dem 2010 unter Barack Obama aufgegebenen Constellation-Programm, das den Bau einer neuen Trägerrakete und eines neuen Raumschiffs vorsah, neues Leben ein. Zunächst soll die neue Trägerrakete SLS (Space Launch System) im Jahr 2022 eine bemannte Orion-Kapsel in die Nähe des Mondes schicken und wieder zur Erde zurückbringen. Als Landepunkt der für 2024 geplanten Mission ist der Südpol des Monds vorgesehen. Auch das soll nur ein Zwischenschritt sein zu einem bemannten Flug zum Mars. Passend dazu wurde unter Bridenstine eigens ein neues Direktorat mit dem Titel "Moon to Mars Mission" eingerichtet. Trumps Vision reicht indes noch weiter. Vor rund zwei Jahren sagte er bei Bekanntgabe seiner neuen Weltraumdirektive:

"Die Direktive, die ich heute unterzeichne, wird Amerikas Raumfahrtprogramm zur bemannten Erforschung und Entdeckung neu ausrichten. Sie markiert einen wichtigen Schritt, indem sie amerikanische Astronauten zum ersten Mal seit 1972 wieder für die langfristige Erkundung und Nutzung auf den Mond zurückbringt. Diesmal werden wir nicht nur unsere Flagge aufstellen und unseren Fußabdruck hinterlassen, wir werden die Grundlage für eine spätere Mission zum Mars legen. Und vielleicht, eines Tages, zu vielen Welten jenseits davon." [2]

China hat Anfang des Jahres eine unbemannte Sonde auf der Rückseite des Mondes landen lassen und dort einen Rover ausgesetzt - eine technologische Meisterleistung. Eine indische Raumsonde hat ebenfalls den Mond erreicht. Daß die US-Regierung Druck auf die NASA ausübt, etwas zu machen, was bisher noch keiner anderen Nation gelungen ist, hat mit der verschärften Konkurrenz zu tun. Vor allem die Weltraumpläne Chinas, dem die USA einst eine Beteiligung am Aufbau der Internationalen Raumstation ISS und jede weitere Kooperation in Weltraumangelegenheiten verweigert hatten, zeichnen sich durch Eigenständigkeit und Ehrgeiz aus.

Was auch immer an technologischen Spin-off-Effekten von einer Mondlandung abfällt, rein ökonomisch wäre sie wohl als Fehlinvestition zu bezeichnen. Ideologisch hingegen ist sie von enormem Nutzen. Der Fußabdruck im Mondstaub und die amerikanische Flagge auf der Mondoberfläche sind in die Geschichte eingegangen und haben den Ruf der USA und ihren Anspruch auf Weltführerschaft unterstrichen. Hieran will die Trump-Regierung anknüpfen, ein Unterfangen, das wohl schwerlich gelingen wird, hält man sich die technologische Dynamik der asiatischen Konkurrenz vor Augen.

Sollten aber die USA eines Tages trotz Milliardeninvestitionen zu der Einsicht gelangen, daß sie ihren Anspruch auf "full spectrum dominance" im Weltraum nicht werden durchsetzen können und womöglich das eigene Volk den Glauben an seine Führungsfiguren zu verlieren droht, steigt die Gefahr einer militärischen Konfrontation im All immens. Die US-Regierung ist womöglich bereit, die Lage eskalieren zu lassen. So sagte Trump bei der Vorstellung der neuen Weltraumdirektive ebenfalls:

"Nachdem sie dem großen Unbekannten getrotzt und die neue Welt entdeckt hatten, segelten unsere Vorfahren nicht einfach nur nach Hause - und in einigen Fällen auch nie wieder zurück. Sie blieben, sie erforschten, sie bauten, sie führten, und durch diesen Pioniergeist stellten sie sich all die Möglichkeiten vor, die nur wenige zu träumen wagten. Heute lädt uns derselbe Geist ein, neue Erkundungs- und Entdeckungsreisen zu beginnen, unsere Augen bis hoch hinauf in den Himmel zu heben und uns noch einmal die Möglichkeiten vorzustellen, die in diesen großen, schönen Sternen warten, wenn wir es wagen, groß zu träumen. Und das ist es, was unser Land wieder tut: Wir träumen groß."

Bei einem dermaßen ausgeprägten Pioniergeist möchte man kein Native American gewesen sein, denn die ursprüngliche Bevölkerung des amerikanischen Kontinents wurde von den weißen "Entdeckern" und nach Höherem Strebenden weitgehend ausgerottet. Für die wenigen Überlebenden sah der weiße Mann Reservate vor.

Den finsteren Andeutungen nicht genug, triumphierte Trump:

"Dies ist ein riesiger Schritt in Richtung dieser inspirierenden Zukunft und dahin, Amerikas stolze Bestimmung im Weltraum wiederzuerlangen. Und der Weltraum hat so viel mit zahlreichen anderen Anwendungen zu tun, einschließlich der militärischen Anwendungen. Also, wir sind der Anführer und wir werden der Anführer bleiben und wir werden dies um ein Vielfaches steigern."

Unter Trump wird die Militarisierung des Weltalls unverhohlen vorangetrieben, dem internationalen Vertrag zur ausschließlich friedlichen Nutzung des Weltalls zum Trotz. Bereits Trumps Vorgänger hatten die Bemühungen der Weltgemeinschaft rigoros abgelehnt, den Weltraumvertrag schärfer zu fassen, so daß dort weder ein militärisches Wettrüsten ausgetragen, noch Waffen eingesetzt werden konnten. Der Flug zum Mond und die Ankündigung einer dauerhaften Präsenz auf dem Erdtrabanten entspricht, um in der Analogie des US-Präsidenten zu bleiben, dem Vorstoß der weißen Siedler nach Westen und dem Aufbau von Militärposten entlang der Strecke. Wehe dem, der die falsche Hautfarbe hatte, wenn er sich diesen Posten genähert hat.


Fußnote:

[1] https://www.nasa.gov/press-release/nasa-administrator-statement-on-return-to-moon-in-next-five-years

[2] https://spacepolicyonline.com/news/text-of-remarks-at-signing-of-trump-space-policy-directive-1-and-list-of-attendees/

5. April 2019


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