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DILJA/1126: Halblinker Wahlsieg in El Salvador gefährdet US-Interessen (SB)


Könnte in El Salvador ein Militärputsch und/oder eine Invasion drohen?

US-Abgeordnete behaupten, die nationale Sicherheit der USA sei durch den Wahlsieg des FMLN-Kandidaten Mauricio Funes gefährdet


Was Kolumbien in Südamerika, ist oder vielmehr war El Salvador den USA in Mittelamerika - ein politisch wie militärisch verläßlicher Partner und willfähriger Vasall, wenn es galt, die Hegemonialinteressen Washingtons in dem seit der formalen Entkolonialisierung zum eigenen Hinterhof deklarierten lateinamerikanischen Nachbarkontinent durchzusetzen. In El Salvador konnte die militärische Infragestellung dieses Hegemonialanspruchs in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts aus Sicht der USA erfolgreich abgewendet werden. Der sogenannte Bürgerkrieg, in dem eine linke Guerilla, die "Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti" (FMLN), die Machtfrage in dem von Todesschwadronen gequälten und einer Militärdiktatur beherrschten Land gestellt hatte, konnte im Interesse der einheimischen Oligarchie wie auch Washingtons befriedet werden.

Der Bürgerkrieg wurde 1992 beendet, ohne daß sich an den grundlegenden Machtverhältnissen in dem bevölkerungsreichen zentralamerikanischen Staat etwas Grundlegendes geändert hätte, da es den Protagonisten der Militärdiktatur gelungen war, sich in eine politische Partei zu transformieren, um in einem formal zu einer Demokratie rückgewandelten Staat die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. D'Aubuisson, der Chef der damaligen Todesschwadrone, die den schmutzigen Krieg gegen die Linke im Lande geführt hatten, gründete vor rund 20 Jahren die bis heute regierende Partei der äußersten Rechten, die Nationale Republikanische Allianz (ARENA). Bis zum vergangenen Sonntag hatte die ARENA-Partei, deren Einfluß weit über die Grenzen El Salvadors in die mittelamerikanischen Nachbarstaaten reicht, das Land politisch im Griff.

Bei den Präsidentschaftswahlen verfestigte sich jedoch eine Entwicklung, die schon bei den Gemeinde- und Parlamentswahlen im Januar aus Sicht der rechten Eliten El Salvadors sowie ihrer US-amerikanischen Ziehväter und -mütter zu großer Besorgnis Anlaß geboten haben wird. Die linke Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN), die sich als politische Partei nach der Beendigung des bewaffnet geführten Befreiungskampfes konstituiert hatte, wurde landesweit zur stärksten politischen Kraft, womit der mutmaßliche Linksruck, der mit dem Sieg des FMLN-Präsidentschaftskandidaten Mauricio Funes am vergangenen Sonntag, wie es scheint, auch eingetreten ist, sich abzuzeichnen begann. Die Rechte reagierte in altbekannter Weise, und so wurde der hitzige Wahlkampf begleitet von Menschenrechtsverletzungen und Mordanschlägen auf linke Politiker wie auch Unterstützer der FMLN, die dem aus den damaligen Todesschwadronen hervorgegangenen rechten Lager zugeschrieben wurden.

Allein der Wahlsieg von Mauricio Funes ließ sich weder durch solche Rückgriffe auf die Politik der Todesschwadrone noch eine allgemeine Angstkampage, bei der die Bevölkerung glauben gemacht werden sollte, der als "Kommunist" titulierte Funes würde El Salvador in die politische Isolation treiben oder, schlimmer noch, in die Fußstapfen des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez treten und das Land in einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" transformieren, aufhalten. Funes gewann mit 51 Prozent klar vor dem Kandidaten der ARENA-Partei, Rodrigo Avila, dessen Ankündigung, das Land wie sein Vorgänger Elías Antonio Saca "mit harter Hand" zu regieren, nicht mehr den Zuspruch der Mehrheit der 4,2 Millionen Wahlberechtigten erhielt.

Von einem tatsächlichen politischen Wandel ist El Salvador allerdings noch weit entfernt. Mauricio Funes, als früherer CNN-Fernsehjournalist und eher gemäßigt "linker" Politiker im Land überaus beliebt, trat der FMLN erst im vergangenen Sommer bei und gehört keineswegs zur Riege der Altlinken, die bereits zur Zeit des Guerillakampfes mit politisch klar umrissenen Positionen für die Befreiung des Landes vom Joch kapitalistischer Ausbeutung und US-amerikanischer Fremdherrschaft einstanden. Funes propagiert demgegenüber als sozialdemokratisch zu bezeichnende Positionen, die eine Quadratur des Kreises beinhalten, da er beiden Seiten gleichermaßen Zugeständnisse machen zu können vorgibt. An die Adresse der Unternehmen gerichtet ließ der neue Präsident El Salvadors unmittelbar nach seinem Wahlerfolg verlautbaren, daß er gar nicht daran denke, das Privateigentum anzutasten und daß er sich strikt an die Verfassung halten sowie die Beziehungen zu den USA intensivieren wolle.

Funes stellte sich als ein Wahlsieger dar, der zwar von "links" gewählt wurde (wenngleich er im Wahlkampf so moderat auftrat, daß auch die politische Mitte ihren Gefallen an ihm fand), dann jedoch nichts Dringlicheres zu tun hatte, als der Gegenseite zu versichern, daß ihr durch ihn beileibe keine Gefahr drohe. Damit ist die Saat zu politischen Differenzen, um nicht zu sagen Zerreißproben, innerhalb der Linken wie auch in der FMLN, schon angelegt, zumal in der Person von Vizepräsident Salvador Sánchez, der im Unterschied zu Funes bereits zu Zeiten des Guerillakampfes zu den Farabundisten gehörte und bis heute von den marxistisch-linken Positionen des damaligen Linksbündnisses nicht abgerückt ist, ein innerparteilicher Kontrahent schon bereitsteht.

Die weitere Entwicklung des Landes, in dessen Hauptstadt San Salvador der Wahlsieg der FMLN in einem roten Fahnenmeer enthusiastisch gefeiert wurde, weil er das Ende der aus der Diktatur hervorgegangenen Herrschaft der Rechten einläutete, wird von der weiteren Entwicklung dieser Auseinandersetzung maßgeblich bestimmt sein. Die Gefahr, daß sich die neue US-Administration, sollte die sich durchsetzende Tendenz ihrer Meinung nach ihren Interessen zuwiderlaufen, zu drastischen Maßnahmen veranlaßt sehen könnte, ist ungeachtet aller Obama-Euphorie keineswegs auszuschließen. Unmittelbar nach dem Wahlerfolg des gemäßigten Linkskandidaten Funes, der den USA keineswegs den Kampf ansagte, sondern sogar eine intensivierte Zusammenarbeit anbot, "warnte" eine Gruppe von 46 Parlamentariern in einem an Außenministerin Hillary Clinton gerichteten Brief vor den potentiellen Gefahren für die nationale Sicherheit der USA, die ihrer Auffassung nach mit dem Sieg von Funes verbunden seien. Da derartige Gefahren, wie fiktiv sie auch immer sein mögen, in Washington bekanntlich in höchste reale Kriegsvorwände übergeführt werden können, könnte die weitere Entwicklung El Salvadors gerade durch die Staatsmacht gefährdet werden, der der neue Präsident soeben die Hand gereicht hat.

18. März 2009