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DILJA/1138: Ukraine am Scheideweg - Die "Orangenen" sind längst verbraucht (SB)


Die Führer der "Orangenen Revolution" spielen böser Cop, guter Cop

Auch die Ukraine könnte sich dem westlichen Einfluß entziehen


Das System der sogenannten "bunten Revolutionen" hat bekanntlich in mehreren ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten bzw. Sowjetrepubliken zu politischen Umstürzen geführt, die aus Sicht der westlichen Staaten kaum erfolgreicher hätten verlaufen können. In der Ukraine wurde im Winter 2004/2005 Viktor Juschtschenko ins Präsidentenamt gespült, begleitet und maßgeblich unterstützt von Julia Timoschenko, der heutigen Ministerpräsidentin. Inzwischen scheinen sich beide bis aufs Blut zu befehden. Seit Jahren sparen sie nicht mit wechselseitig erhobenen Korruptionsvorwürfen. Im September vergangenen Jahres stieg die Juschtschenko-Partei "Unsere Ukraine" aus der mit Timoschenkos Block gemeinsam gebildeten Koalitionsregierung aus, was eine Reaktion auf deren Zusammenarbeit mit der Opposition darstellte. Timoschenko hatte gemeinsam mit der Partei der Regionen sowie den Kommunisten ein Gesetz zu Fall gebracht, mit dem Präsident Juschtschenko seine Machtbefugnisse noch weiter ausdehnen wollte.

Daraufhin hatte Juschtschenko mit Neuwahlen gedroht, obwohl er, wären sie tatsächlich durchgeführt worden, bei einer Zustimmungsrate von nur noch 6 Prozent kaum eine Chance gehabt hätte, wiedergewählt zu werden. Julia Timoschenko, nicht minder pro-westlich als Juschtschenko, erfreute sich hingegen schon im vergangenen Herbst einer weitaus größeren Beliebtheit. Ihrer Politik stimmen Umfragen zufolge 25 Prozent der ukrainischen Bevölkerung zu, dicht gefolgt von einer 20prozentigen Zustimmungsrate für Viktor Janukowitsch, den Vorsitzenden der eher pro-russischen Partei der Regionen. Juschtschenko agierte allerdings keineswegs wie ein Verlierer oder gar ein scheidender Präsident und erhob gegen die ihm gegenüberstehende Opposition den Vorwurf, sie sei "nicht ukrainisch".

Damit wollte er selbstverständlich nicht die Frage problematisiert sehen, ob und inwiefern er selbst im Zangengriff seiner westlichen Förderer und Verbündeten agierte. Seine Attacken gegen Timoschenko und andere zielten darauf ab, Rußland zu diskreditieren und sich der eigenen Kontrahenten durch die Behauptung, sie seien Handlanger Moskaus, zu entledigen. Die hohe Popularität Timoschenkos wie auch Janukowitschs standen nennenswerten Erfolgen dieser Kampagne allerdings entgegen. Als im Zuge der sogenannten Gas-Krise die Spannungen zwischen der Ukraine und Rußland zugespitzt wurden, erzielte Timoschenko ihren wohl größten innenpolitischen Erfolg, indem sie mit Wladimir Putin im Januar einen neuen Vertrag aushandelte, dessen Zustandekommen und Gültigkeit Juschtschenko nicht mehr untergraben konnte.

Anfang März konnte Timoschenko im Amt der Regierungschefin abermals punkten. Sie drohte allen Unternehmen mit Verstaatlichung und Enteignung, die sich weiterhin weigerten, ihren Beschäftigen die ausstehenden Löhne zu bezahlen. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise haben sich auch in der Ukraine die wirtschaftlichen und damit auch die sozialen Verhältnisse massiv zugespitzt. Der 45-Millionen-Einwohner-Staat steht vor dem Staatsbankrott. Seine Überlebensfähigkeit hängt davon ab, ob der Internationale Währungsfond (IWF) seinen 16,4 Milliarden-Kredit tatsächlich auszahlt oder, von anfänglichen Raten abgesehen, zurückhält, um die Regierung zum "Sparen" zu zwingen. Inzwischen demonstrieren täglich verzweifelte Menschen gegen die Wirtschafts- und Krisenpolitik der Regierung. Die sieben größten Banken des Landes werden kommissarisch von der Landesbank verwaltet, die ihre Liquidität dadurch erhält, daß jegliche Bargeldauszahlungen an die Kunden eingestellt wurden.

Die industrielle Produktion, im Stahlbereich sogar schon zu 30 Prozent, ist massiv eingebrochen, Arbeitslosigkeit und Armut steigen sprunghaft in die Höhe. In der Ostukraine, in der Janukowitsch traditionsgemäß den größten Einfluß hat, weil hier eine überwiegend russische Bevölkerung lebt, mußten in kurzer Zeit viele Betriebe schließen, tausende Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Am vergangenen Sonntag haben in Kiew auf dem Platz, der 2004 zum Ausgangspunkt der "Orangenen Revolution" geworden war, tausende Menschen demonstriert. Sie skandierten diesmal allerdings "Nieder mit der Regierung" und warfen Präsident Juschtschenko wie auch Ministerpräsidentin Timoschenko vor, in der Krisenbewältigung versagt zu haben. Ob es nun, wie von den demonstrierenden Anhängern der Partei der Regionen von Viktor Janukowitsch gefordert, zu Neuwahlen kommt oder nicht - die eigentliche Gefahr für die westlichen Staaten, die durch die "Orangene Revolution" die Ukraine unter ihren Einfluß gebracht haben, besteht darin, daß die Popularität der um einen gemäßigteren Kurs gegenüber Moskau bemühten Timoschenko nicht ausreicht, um einen Wahlsieg ihres pro-russischen Kontrahenten Janukowitsch zu verhindern.

31. März 2009