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DILJA/1164: Soldatendenkmal in Brüssel - und wer denkt an die von der NATO Getöteten? (SB)


Denkmalsenthüllung vor dem Hauptquartier der NATO in Brüssel

Der Todesopfer der NATO-Kriege von heute und morgen soll nicht gedacht werden - wohl aber der eigenen Soldaten


Am vergangenen Freitag enthüllte NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer vor dem Haupteingang des Gebäudekomplexes des westlichen Militärbündnisses in Brüssel ein Denkmal "für im Kampf gefallene NATO-Soldaten". Damit hat die NATO - auf Anregung des dänischen Verteidigungsministers Sören Gade, wie zu vernehmen war - ein höchst heikles Problem in Angriff genommen, das sich unter Umständen zu einem kriegführungsrelevanten Faktor, um nicht zu sagen Störfaktor auswachsen könnte. Bekanntlich sinkt die Akzeptanz für Auslandseinsätze des eigenen Militärs, wie die heutigen, außerhalb des NATO-Territoriums geführten Kriege genannt werden, in dem Maße, in dem Todesopfer in den eigenen Reihen zu beklagen sind.

Die USA sind mit diesem Problem aufgrund ihrer in Afghanistan sowie im Irak geführten Kriege und der hohen Zahl eingesetzter US-Soldaten schon intensiv konfrontiert. Jeder weitere gefallene oder auf andere Weise ums Leben gekommene US-Soldat, der im Zinksarg nach Hause geflogen wird, unterminiert die wenn überhaupt noch verhandene Akzeptanz oder die Stillhalte-Gleichgültigkeit der US-amerikanischen Bevölkerung gegenüber Kriegen, die angeblich um ihrer Sicherheit, Freiheit und Zukunft willen geführt werden. Der Botschaft, die diese Toten nach Hause mitbringen, zur Aufrechterhaltung der für die weitere Kriegführung erforderlichen Zustimmung wirksam etwas entgegenzusetzen, stellt die wohl größte Herausforderung für die US-amerikanische Kriegsrhetorik dar.

Das in Brüssel zum Gedenken an alle gefallenen oder in der Zukunft noch fallenden NATO-Soldaten errichtete Denkmal stellt nun auf NATO-Ebene einen Versuch da, der angesichts der Ausweitung und Intensivierung der gegenwärtigen Kriegseinsätze vorhersagbar anwachsenden Zahl eigener Toter propagandistisch entgegenzuwerken, noch bevor diese ihre zersetzende Wirkung an der Heimatfront entfalten kann. Jede Familie, die einen Vater, Sohn, Bruder oder auch eine Mutter, Tochter oder Schwester in einem solchen Krieg fern der Heimat verloren hat, wird spätestens in diesem Moment die Kriegslegenden, denen zufolge die Auslandseinsätze um unserer aller Sicherheit und Freiheit durchgeführt werden müßten, in Frage stellen. Die Behauptung, "unsere Freiheit" müsse am Hindukusch "verteidigt" werden durch einen Krieg, in dem tatsächlich mehr und mehr afghanische Familien, Frauen und Kinder getötet werden, droht jede Glaubwürdigkeit zu verlieren, sobald die eigene Familie, eigene Freunde oder Bekannte mit seiner Realität konfrontiert werden oder ums Leben kommen.

"Angesichts ihrer Opfer unter der NATO-Flagge sollten wir uns für immer an ihre selbstlose Hingabe für die Sache des Friedens und der Freiheit erinnern", erklärte NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer und stellte damit klar, daß die bislang in den unter NATO-Flagge geführten Auslandseinsätzen gefallenen Soldaten seiner Meinung nach keine Opfer einer Kriegführung waren, die schnellstens der Korrektur, nämlich ihrer Beendigung bedarf, sondern Kriegshelden, wie sie jede kriegführende Nation und jede Kriegsallianz zu ehren nur zu bereit sein wird, um die Bereitschaft aller noch lebenden Soldaten, sich auch weiterhin am Tötungshandwerk zu beteiligen, zu erhalten. Dabei bedienen sich die NATO-Oberen eines Vokabulars, das in Deutschland unliebsame Erinnerungen wachzurufen imstande wäre, weil es eine augenfällige semantische Verwandtschaft zur Kriegsrhetorik vermeintlich vergangener Tage aufweist.

Selbstverständlich opfert heute kein Soldat sein Leben mehr für Führer oder Vaterland. Begriffe wie "Frieden und Sicherheit", wie sie nun verwendet werden, um Soldaten dazu zu bringen, gegen die in einem anderen Land lebenden Menschen Krieg zu führen, erfüllen jedoch ganz genau denselben Zweck. So hatte der dänische Verteidigungsminister Gade bei der Denkmalsenthüllung in Brüssel erklärt: "Wir sollten uns alle daran erinnern, daß Frieden und Sicherheit kaum je ohne Opfer erreicht werden können." Unverhohlener könnten die Kriegsabsichten des Bündnisses kaum zum Ausdruck gebracht werden können. Einer naturgesetzlichen Wahrheit gleich wird behauptet, daß Opfer - und das heißt Todesopfer - unbezweifelbare Vorbedingungen der "Sicherheit" und des "Friedens" der NATO-Staaten darstellten, so als wären nicht sie es, die den Frieden und die Sicherheit der in anderen Regionen der Welt lebenden Menschen bedrohen und zerstören im Gefüge einer internationalen Raubordnung, die es ihnen ermöglicht, zulasten der ihnen politisch, wirtschaftlich und militärisch unterlegenen Armutregionen der Welt ihre Vorteile zu behaupten.

16. Juni 2009