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DILJA/1265: Haltlose Anschuldigungen gegen Venezuela offenbaren Angriffsabsicht (SB)


Im April-Bericht des Pentagon zum Iran wird auch Venezuela beschuldigt

Das Dementi eines US-Generals unterstreicht mutmaßliche Angriffsabsichten Washingtons


Am 21. April 2010 wartete die Washington Times [1] mit einer Meldung auf, die ganz die Handschrift einer konzertierten Aktion trägt, durch die unter Beteiligung maßgeblicher Kräfte in Regierungskreisen, in Militär- und Geheimdiensten, aber auch medialer Zuträger, sukzessive an einer "öffentlichen Meinung" in den USA, aber auch den verbündeten westlichen Staaten gearbeitet wird, die einen allem Anschein nach gegen den Iran, aber womöglich auch gegen Venezuela geplanten Angriff als gerechtfertigt erscheinen läßt. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen im US-amerikanischen Verteidigungsministerium wird auf die Inhalte eines Anfang des Monats vom Pentagon für den Kongreß erstellten Iran-Berichts Bezug genommen, der Tatsachenbehauptungen enthält, die nicht nur Teheran, sondern erstmals auch Lateinamerika und namentlich Venezuela ins Fadenkreuz der US-Streitkräfte rücken.

Nach Angaben der Washington Times wird in dem über das iranische Militär erstellten Pentagon-Bericht unter anderem auch die Feststellung getroffen, daß Spezialeinheiten der Islamischen Revolutionsgarden des Iran ("Islamic Revolutionary Guards Corps - Qods Force - IRGC-QF") ihre Präsenz und Aktivitäten in Venezuela intensivieren würden. Bezeichnenderweise enthält der Bericht keinerlei Angaben darüber, worin die Aktivitäten der iranischen paramilitärischen Truppen, die sich - angeblich - in Venezuela aufhalten sollen, konkret bestehen sollen. Ebensowenig enthält der schwerste Anschuldigungen auch gegen Caracas kolportierende Report Angaben darüber, auf der Basis welcher Quellen und Informationen diese als Tatsachen ausgewiesenen Behauptungen denn beruhen sollen.

Über die Qods, die geheimen, angeblich in anderen Ländern tätigen Spezialeinheiten des Iran, wird behauptet, daß sie die Taliban wie auch weitere Aufständische sowohl in Afghanistan als auch im Irak mit Waffen unterstützen würden. Unter Berufung auf nicht näher spezifizierte geheimdienstliche Quellen wird die These aufgestellt, daß die iranischen Qods mit "Terroristen" nicht nur in Afghanistan und dem Irak, sondern auch in Israel, Nordafrika und Lateinamerika mit dem Ziel in Verbindung stünden, terroristische Netzwerke zu schaffen, die die USA angreifen würden, sollte der Konflikt zwischen Washington und Teheran um das iranische Atomprogramm weiter eskalieren. In den zurückliegenden Jahren hätten die iranischen Spezialeinheiten ihre Präsenz in Lateinamerika und insbesondere in Venezuela ausgebaut.

Der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez wies diese Anschuldigungen, die erstmals in einem offiziellen Dokument der US-Regierung gegen sein Land erhoben wurden, umgehend und in aller Schärfe zurück. In einer live im Fernsehen übertragenen Stellungnahme stellte Chávez am Montag klar, daß die Behauptung, es gäbe in seinem Land eine noch dazu anwachsende Präsenz iranischer Spezialeinheiten absolut falsch sei. Der venezolanische Präsident sprach in diesem Zusammenhang von einem Versuch des Pentagon, seine Regierung einzuschüchtern und stellte die rhetorische Frage, was dies anderes als eine weitere offene Drohung der US-Regierung, basierend auf infamen Lügen, gegen Venezuela sein könne. Chávez forderte seine Zuhörer dazu auf, sich genau anzuhören, was in diesem Bericht behauptet wird, nämlich daß im Fall von von den USA verhängten Sanktionen gegen den Iran die in Venezuela stationierten iranischen Einheiten Angriffe gegen die USA oder US-amerikanische Interessen durchführen würden [2].

Wer die Militärdoktrinen und verteidigungspolitischen Grundsätze der US-Streitkräfte kennt, kann erahnen, wie hochbrisant diese durch nichts näher begründeten und von Chávez als absolute Lüge bewerteten Anschuldigungen tatsächlich sind. Würden sie seitens der amerikanischen Regierung als Wahrheit anerkannt werden, womit gerechnet werden muß, da sie andernfalls kaum Einzug in den offiziellen, vom Pentagon jüngst erstellten Kongreßbericht hätten nehmen können, wären angesichts der damit in Gang gesetzten "Logik" militärische Angriffe gegen Venezuela nicht mehr auszuschließen, da das südamerikanische Land als ein Territorium verortet werden würde, von dem akute Bedrohungen für die Sicherheit sowie die Interessen der USA ausgingen.

Präsident Chávez steht mit seiner Gegenbehauptung, daß die Anschuldigungen vollkommen aus der Luft gegriffen seien und auf einer kompletten Lüge beruhten, keineswegs allein da. Einen Tag nach der geharnischten Reaktion des venezolanischen Staatschefs gab ein ranghoher US-Militär erstaunliche Äußerungen zu diesem hochbrisanten Thema ab. Bei einem Frühstückstreffen mit Journalisten am Dienstagmorgen in Washington stellte der US-Luftwaffengeneral und Oberkommandierende des US-Südkommandos, Douglas Fraser, klar, daß es nicht die geringsten Beweise für die im Pentagon-Bericht gegen Venezuela erhobenen Anschuldigungen gäbe. Dies ist schwerwiegend, zumal General Fraser zu den Militärs gehört, die dieses wissen müßten und wissen würden, obliegt ihm doch in seinem Verantwortungsbereich die militärische Aufklärung Lateinamerikas. Fraser zufolge gibt es keinerlei Anhaltspunkte für militärische Beziehungen zwischen dem Iran und Venezuela und ebensowenig kann der General in Venezuela eine militärische Bedrohung für die USA erkennen [3].

General Fraser stellt die Anschuldigungen dahingehend richtig, daß in den zurückliegenden Jahren eine intensivierte Zusammenarbeit beider Länder in diplomatischer wie wirtschaftlicher, nicht jedoch in militärischer Hinsicht zu beobachten sei. Zu einer politischen Entspannung werden die für sich genommen begrüßenswerten Klarstellungen des US-Militärs allerdings kaum beitragen können, da sie die in Caracas wie auch anderen Hauptstädten lateinamerikanischer Staaten ohnehin gehegte Einschätzung, die USA würden einen Konfrontations-, Aggressions- und möglicherweise sogar Kriegskurs gegen Venezuela wie auch weitere Staaten der Region verfolgen, die sich in der "Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerikas" (ALBA) zusammengeschlossen haben, um der (schwindenden) US-Dominanz Paroli zu bieten, bestätigen.

Das Dementi Frasers, der, von Journalisten befragt, bezeichnenderweise die Auffassung vertritt, daß es keine inhaltliche Diskrepanz zwischen seinen Äußerungen und dem Pentagon-Bericht gäbe, ist insofern keins, weil davon unbenommen bleibt, daß die USA bereits in der politischen und wirtschaftlichen Kooperation zwischen Teheran und Caracas eine Beeinträchtigung ihrer Interessen und damit letzten Endes auch - in ihrer Lesart - ihrer Sicherheit sehen könnten mit den bekannten, von Präsident Chávez bereits zum Ausdruck gebrachten möglichen Konsequenzen.

Die kaum verhohlene Kriegsdrohung, die aus dem Pentagon nicht nur gegen den Iran, sondern auch gegen Venezuela herauszulesen ist, verliert durch Frasers Worte nicht an Plausibilität, sondern gewinnt im Gegenteil noch mehr an Schärfe, weil die eigentliche Botschaft des US-Militärs und damit auch der US-Regierung nun lautet, daß Venezuela mit dem Gröbsten zu rechnen habe selbst dann, wenn die vorgeschobenen Anschuldigungen einer realen Basis entbehren. Wäre dem nicht so, hätte den vermeintlichen Enthüllungen des US-Generals umgehend eine offizielle Entschuldigung und Richtigstellung der Obama-Administration gegenüber der venezolanischen Regierung folgen können, womit auch weiterhin nicht zu rechnen sein dürfte.

Anmerkungen:

[1] Iran boosts Qods shock troops in Venezuela. Pentagon predicts U.S. clash with Islamist paramilitary, von Bill Gertz, 21.04.2010, The Washington Times,
http://www.washingtontimes.com/news/2010/apr/21/iran-boosts-qods-shock-troops-in-venezuela/

[2] Chavez denies elite Iranian forces in Venezuela, 26.04.2010, Reuters,
http://in.reuters.com/article/oilRpt/idINN2620605820100427

[3] US General: No Iranian Military in Venezuela, von Sharon Weinberger, AOL News, 27.04.2010,
http://www.aolnews.com/world/article/us-general-no-iranian-military-in-venezuela/19455818

29. April 2010