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DILJA/1356: Herrschaftslogik - Die Macht des US-Schuldners kommt aus den Gewehrläufen (SB)


Drohender US-Staatsbankrott - Boliviens Präsident Morales schlägt Abrüstung vor

Lösungskonzept aus Lateinamerika ignoriert die tatsächliche Basis der US-Suprematie


Als erster Präsident Lateinamerikas hat sich der bolivianische Amtsträger Evo Morales am vergangenen Samstag während seiner Rede zur 202jährigen Unabhängigkeit der bolivianischen Stadt La Paz zur Schuldenkrise sowie zu dem am 2. August womöglich drohenden und nicht nur die US-, sondern die Weltwirtschaft gefährdenden Staatsbankrott der USA geäußert. Morales wartete mit einem wohlgemeinten und konstruktiv anmutenden Vorschlag auf, der in seiner Begründung die grundsätzlich kritische Haltung des bolivianischen Präsidenten gegenüber der Politik der USA nicht verhehlen konnte. Der Vorschlag lautete schlicht und ergreifend, daß Washington durch eine Kürzung der Militärausgaben und damit eine deutliche Abrüstungsmaßnahme das Rekorddefizit reduzieren und die drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden könnte.

Vordergründig scheint dies einleuchtend, machbar und zweckgerichtet zu sein. So rechnete der bolivianische Präsident vor, daß die USA "allein für Militärbasen überall auf der Welt rund 120 Milliarden US-Dollar ausgeben, ganz zu schweigen von den Kosten für die Truppen in Afghanistan und im Irak" [1]. Mit deutlicher Kritik setzte er hinzu, daß US-Präsident Obama im Zusammenhang mit dem immensen US-Staatsdefizit zwar davon spreche, daß dies eine ernste Bedrohung für sein Land sei, daß die USA jedoch "keine finanziellen Schwierigkeiten [hätten], die Menschenrechte, die Würde und die Souveränität vieler Länder zu verletzen" [1]. Tatsächlich beruht Morales' Vorschlag, bei dem es sich um eine freundlich formulierte, unterm Strich gleichwohl unmißverständliche Kritik an der ungebrochenen Hegemonialpolitik Washingtons handelt, auf einem völligen Fehlverständnis des US-amerikanischen Schuldenbergs und der in diesem Zusammenhang gehandelten Finanzbeträge.

Die USA können sich nicht, wie Morales glaubt, aus ihrer Wirtschaftskrise befreien, indem sie ihre Staatseinnahmen nicht länger für Militärbasen und ihre weltweit im Einsatz befindlichen Truppen "verschwenden", und schon gar nicht wäre es dann unmöglich, daß die USA wirtschaftliche Probleme hätten. Die Annahme, die militärischen Ausgaben ließen sich auf nahezu Null reduzieren mit der Folge, daß die dadurch freigesetzten finanziellen Mittel zu humanitären Zwecken, sprich für Sozialausgaben, eingesetzt werden könnten, weist zwar einen hohen Grad an Attraktivität auf, weil sie eine - wenn auch politisch äußerst schwer zu realisierende - Lösungskonzeption für die gegenwärtige Krise enthält. Wenn es denn so wäre, daß es für finanzielle Mittel einen tatsächlichen Gegenwert gäbe, wären die denkbaren Optionen verlockend. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI am 7. Juni 2011 bekanntgegeben hatte, beliefen sich die Militärausgaben der USA im vergangenen Jahr auf 698 Milliarden Dollar, was 43 Prozent der weltweit aufgewendeten Rüstungsausgaben entspräche.

Die Schuldenobergrenze der USA liegt derzeit bei 14,3 Billionen Dollar oder 10 Billionen Euro. Dieses Limit wurde bereits im Mai erreicht und würde, wenn sie nicht schleunigst deutlich nach oben erhöht wird, wozu sich Republikaner und Demokratien in Senat und Repräsentantenhaus einigen müßten, Anfang August zur Zahlungsunfähigkeit führen. Genaugenommen würde die weitere Erhöhung der Schuldenobergrenze den USA ermöglichen, weitere, sozusagen fiktive Schulden zu machen, Schulden, zu denen es schon lange keinen realen Gegenwert in Gütern oder auch Dienstleistungen welcher Art auch immer gibt. Es muß Gründe dafür geben, warum sich hochverschuldete Staaten, die vor dem Bankrott stehen, dennoch in völlig unterschiedlichen Situationen befinden. So ist die Lage Griechenlands als einem der wirtschaftlich kleinsten EU-Staaten, an dem der Übergang in die vielen Euro-Staaten drohende Brüsseler Zwangsverwaltung schon einmal vorexerziert wird, eine gänzlich andere als die der USA.

Die militärische Vormachtstellung Washingtons ist nicht in Frage gestellt, mag das Staatsdefizit auch in noch so astronomische Höhen getrieben werden. Letztendlich sind diese Zahlen nicht mehr als Zahlen, sie beziffern bestenfalls das Vermögen eines Staates, sich auf der Basis seiner Gewaltmittel und der damit begründeten, sehr konkreten Option militärischer Interessendurchsetzung, gegenüber anderen zu behaupten. Insofern sind Schulden nicht gleich Schulden. Und insofern gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen den griechischen und den US-amerikanischen Schulden; er besteht weder in der Höhe noch der Währung, sondern einzig und allein darin, daß Washington durch die Macht seiner Gewehre, um einmal in diesem Bilde zu sprechen, in der Lage ist, seine Widersacher, Konkurrenten und somit auch Schuldherrn in Schach zu halten.

Der Gegenwert der 14-Billionen-Dollar-starken US-Verschuldung wäre, wenn man denn so wollte, in der US-Armee und ihrem Kriegführungspotential zu sehen. Und so wird der Vorschlag von Evo Morales, mag er auch noch so konstruktiv oder kritisch gemeint sein, nicht fruchten können aus dem einfachen Grunde, daß sich die USA mit einer Reduzierung ihrer militärischen Möglichkeiten des einzigen Mittels entledigen würden, ihren Hegemonialstatus aufrechtzuerhalten,


Anmerkungen

[1] US-Schuldenkrise: Morales empfiehlt Abrüstung. Boliviens Präsident kritisiert Haushaltspolitik Washingtons scharf. Von Jascha Goltermann, amerika21.de, 18.07.2011,
http://amerika21.de/nachrichten/2011/07/37790/morales-usa

19. Juli 2011