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DILJA/1378: Tod eines Häftlings (SB)


Politisch motivierte Reaktionen auf Todesfälle von Gefangenen


Am 19. Januar 2012 um 18.45 Uhr starb ein Strafgefangener auf der Intensivstation eines Chirurgischen Krankenhauses, wie einer zwei Tage später veröffentlichten Regierungserklärung zu entnehmen war, "aufgrund eines sekundären Multiorganversagens im Verlauf einer schweren Atemwegsepsis, aufgrund derer der Patient einen septischen Schock erlitten hatte" [1]. Am 13. Januar soll der verstorbene Häftling, als er "Symptome einer schweren Lungenentzündung des linken Lungenflügels" zeigte, aus der Strafanstalt, in der er seit dem 25. November 2011 seine Haftstrafe verbüßte, in das nächstliegende Provinzkrankenhaus gebracht worden sein, wo er nach Regierungsangaben seiner Erkrankung entsprechend behandelt wurde: "Er wurde beatmet und künstlich ernährt, erhielt eine Flüssigkeitstherapie, Blutderivate sowie gefäßaktivierende Medikamente und Breitspektrumsantibiotika der neuesten Generation. [1] Das Chirurgische Krankenhaus, in dem er schließlich verstarb, gilt als eines der Krankenhäuser "mit dem höchsten Niveau" der Region und soll über eine große Erfahrung in der Behandlung schwerkranker Patienten verfügen.

Bei dieser Erklärung der Regierung eines Staates, in dem ein schwerkranker inhaftierter Mensch zu Tode kam, ist selbstverständlich nicht auszuschließen, daß es sich um eine Maßnahme handelt, ein etwaiges Fehlverhalten der Behörden zu kaschieren und gegenüber der Öffentlichkeit fälschlicherweise den Eindruck zu erwecken, als sei der Tod durch unvermeidbare und weder von den medizinischen noch den beteiligten staatlichen Stellen zu verantwortende Weise eingetreten. In dem hier geschilderten Fall handelte es sich um einen kubanischen Staatsangehörigen namens Wilman Villar Mendoza, der wegen Mißachtung, Attentat und Widerstand zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sein soll, nachdem er bei einem öffentlichen Vorfall seine Ehefrau angegriffen und im Gesicht verletzt haben und beim Eintreffen der von seiner Schwägerin gerufenen Polizei Widerstand geleistet haben soll. Die erwähnte Regierungserklärung stammt von der kubanischen Regierung und enthält neben diesen und weiteren Angaben auch Angaben darüber, daß ausländische Presseagenturen, vornehmlich in Miami, eine Diffamierungskampagne gegen Kuba initiiert hätten, bei der der verstorbene Gefangene Wilman Villar Mendoza, obwohl dies nachweislich nicht zuträfe, als vermeintlicher Dissident dargestellt werde, der infolge eines Hungerstreiks im Gefängnis gestorben sei [1].

Mendoza war, was unstrittig sein dürfte, am 19. Januar um 18.45 Uhr in dem Chirurgischen Krankenhaus "Doctor Juan Bruno Zajas" in Santiago de Cuba gestorben. Kurz zuvor, am Nachmittag des 18. Januar 2012, war ein weiterer Häftling aus einem anderen Gefängnis gestorben. Bei diesem Todesfall handelte es sich um einen 49jährigen Strafgefangenen, der leblos in seiner Zelle gefunden worden war. Wie die zuständige Polizeidirektion am 19. Januar bekanntgab, habe der herbeigerufene Notarzt "nur noch den Tod des Mannes feststellen" können [2]. Eine Straftat vermochte die Kriminalpolizei auszuschließen ungeachtet der Tatsache, daß die Todesursache "zunächst unklar" [2] war. Um die genauen Todesumstände zu klären, beantragte die zuständige Staatsanwaltschaft eine Obduktion. Wie der lokalen Presse zu entnehmen war, hatte es in dem Krankenhaus, in dem der 49jährige mit noch unklarer Todesursache gestorben war, in den zurückliegenden zwei Jahren bereits zwei weitere Todesfälle gegeben, die von einer Sprecherin des zuständigen Justizministeriums als "natürlich" eingestuft worden waren [3].

Bei dem ersten dieser drei Todesfälle hatte es sich um einen 32jährigen gehandelt, der am 11. Juli 2010 in einem nahegelegenen Klinikum laut rechtsmedizinischem Gutachten an Überhitzung verstorben war [4]. Weil er in einer Gemeinschaftszelle, in der er nach seiner Verhaftung zunächst untergebracht worden war, randaliert haben soll, hatte er in einer videoüberwachten Einzelzelle - angebunden! - zwölf Stunden lang bei großer Sommerhitze gelegen. Erst als sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert und er sich nicht mehr bewegt hatte, hatte das Wachpersonal den Notarzt gerufen. Der Gefangene war am 9. Juli wegen des Verdachts auf Ladendiebstahl festgenommen und am 10. Juli dem Haftrichter vorgeführt worden. Einen Tag später war er gestorben. Ein halbes Jahr später erklärte ein zuständiger Staatsanwalt gegenüber einem örtlichen Radiosender, daß das abschließende Gutachten der Rechtsmedizin ergeben habe, daß der verstorbene Häftling nicht ausreichend mit Medikamenten und Getränken versorgt worden sei, weshalb die Staatsanwaltschaft nun die verantwortlichen Gefängnismitarbeiter befragen wollte. Gegen mehrere Beamte seien Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet worden. Der Leiter des Gefängnisses war bereits im Juli ins Justizministerium versetzt worden, wogegen er, allerdings ohne Erfolg, geklagt hatte. [4]

Ein Jahr später, im Juli 2011, war ein weiterer Gefangener, der in demselben Gefängnis, in dem nun ein dritter Häftling mit noch ungeklärter Todesursache gestorben ist, nach einer Operation verstorben. Bei diesem Gefangenen hatte es sich um einen 43jährigen gehandelt, der bereits Wochen vor seinem Tod über starke und krampfartige Unterleibsschmerzen geklagt hatte. Nachdem ihm Schmerztabletten keine Linderung verschafft hatten, war er schließlich in eine Klinik gebracht worden, wo Nierensteine diagnostiziert worden waren. Er wurde sofort operiert und einen (!) Tag später ins Gefängnis zurückgebracht. Als er dort immer noch sehr starke Schmerzen hatte, verwies ihn der Notarzt abermals in die Klinik, wo er am darauffolgenden Tag starb. Wie es vom zuständigen Justizministerium wie auch der Staatsanwaltschaft übereinstimmend geheißen hatte, lagen in diesem Todesfall keine Hinweise auf einen "nicht natürlichen Tod" vor, wenngleich die exakte Todesursache "bisher noch nicht geklärt werden" konnte [5].

P.S. Um Mißverständnisse oder mögliche Fehlannahmen zu vermeiden bzw. aufzuklären, sei an dieser Stelle abschließend angemerkt, daß sich das Gefängnis, aus dem diese drei innerhalb von nur zwei Jahren verstorbenen Häftlinge stammten, nicht auf Kuba befindet. Es handelt sich um die Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna in Thüringen.


Anmerkungen:

[1] Alle benötigten Behandlungen, aus der Rubrik "Abgeschrieben" der jungen Welt, 23.01.2012, S. 8,
Erklärung der kubanischen Regierung vom 21.01.2012 -Quelle: Granma, Übersetzung: RedGlobe

[2] Häftling wird tot in Gefängniszelle aufgefunden, 19.01.2012, 07:18 Uhr,
http://www.insuedthueringen.de/regional/thueringen/thuefwthuedeu/Haeftling-wird-tot-in-Gefaengniszelle-aufgefunden;art83467,1873280

[3] Erneut Häftling gestorben. 20.01.2012,
http://badlangensalza.tlz.de/web/lokal/leben/blaulicht/detail/-/specific/Erneut-Haeftling-gestorben-382743367

[4] JVA Tonna. Gutachten: Verstorbener Häftling unzureichend versorgt, 11.12.2010, 10:16 Uhr,
http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/artikel104154.html

[5] Offene Fragen zum Häftlingstod in der JVA Tonna. Von Kai Mudra, 03.08.2011,
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Offene-Fragen-zum-Haeftlingstod-in-der-JVA-Tonna-75843403


24. Januar 2012