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DILJA/1423: Lügen und leere Versprechen (SB)


Hunger - Tabus, Ursachenerklärungen und Lösungsperspektiven


Warnungen, Dringlichkeitsappelle und Spendenaufrufe - in immer kürzeren Abständen wird seitens der zuständigen UN-Institutionen und der im Bereich humanitärer Hilfe tätigen Nichtregierungsorganisationen auf den täglichen Hungertod in ähnlicher Weise reagiert. Plakative Schlagzeilen wie "20 Millionen Menschen in vier Ländern Afrikas drohen zu verhungern" könnten zu der Fehlannahme verleiten, hier sei ein immenses, unvorhersehbares Problem aufgetaucht, das noch nicht vollständig eingetreten sei, sondern in einer wenn auch nahen Zukunft bevorstehe. Verläßliche Aussagen über das tägliche Verhungern zu machen, scheint aus vielerlei Gründen nicht unproblematisch zu sein. Kann beispielsweise wirklich ausgeschlossen werden, daß die zuständigen Stellen die Weltöffentlichkeit über das tatsächliche Ausmaß des nahrungsmangelbedingten Massensterbens zu täuschen versuchen könnten?

Stephen O'Brien, Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, schlug Pressemeldungen zufolge am 10. März vor dem Weltsicherheitsrat Alarm. Menschen werden schlicht und einfach den Hungertod sterben, es drohe die größte humanitäre Katastrophe seit 1945. Rund 20 Millionen Menschen im Jemen, im Südsudan, in Somalia und Nigeria stünden vor dem Hungertod, sollte sich die internationale Gemeinschaft nicht zu einer größeren Hilfsaktion entschließen, so O'Brien. [1] Für die Diplomaten der Sicherheitsratsmitglieder können dies kaum neue Informationen gewesen sein. Knapp vier Wochen zuvor, am 22. Februar, hatte UN-Generalsekretär António Guterres auf einer Pressekonferenz anläßlich der humanitären Krise in den genannten vier Staaten vor dem drohenden Hungertod von über 20 Millionen Menschen gewarnt und die Situation als äußerst verzweifelt geschildert. [2]

In zwei Regionen des Südsudan herrsche bereits eine Hungersnot. [3] Millionen Menschen schwebten dort zwischen Leben und Tod, sie seien gezwungen, ihre Tiere zu töten und das Saatgut für das kommende Jahr zu verzehren. Fast fünf Millionen Hungernde sind dringend auf Nahrungshilfe angewiesen, so Guterres. Der UN-Generalsekretär schilderte auch, daß sich im Nordosten Nigerias über fünf Millionen Menschen wegen gekürzter Nahrungshilfen in einer sehr ernsten Lage befinden, Frauen und Mädchen seien besonders betroffen. Fast eine halbe Million Kinder leide bereits an so schwerer Mangelernährung, daß sie, selbst wenn sie überlebten, gesundheitlich und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten für ihr Leben gezeichnet sein werden. In Somalia würde fast eine Million Kinder im Alter unter 5 Jahren in diesem Jahr unter akuter Mangelernährung leiden.

Die weltweit schwerste Nahrungsmangelnot herrsche jedoch im Jemen, wo 7,3 Millionen Menschen akut auf Hilfe angewiesen sind. Eines der größten Hindernisse, so die Behauptung des UN-Generalsekretärs am 22. Februar in New York, bestünde in der Beschaffung der Geldmittel. Die humanitäre Hilfe für die vier genannten Staaten würde in diesem Jahr 5,6 Milliarden Dollar erfordern, von denen bis Ende März 4,4 Milliarden Dollar benötigt werden, um die Katastrophe noch abzuwenden. Doch erst zwei Prozent - 90 Millionen Dollar - seien bislang eingegangen. [2]


Beispiel Jemen

Guterres zufolge mußte das Welternährungsprogramm die Nahrungsrationen im Jemen infolge gekürzter Geldmittel gegenüber dem Vorjahr bereits mehr als halbieren. Das Leben von Millionen Menschen hänge, so der Appell des UN-Generalsekretärs, von unserer kollektiven Hilfe ab, in einer Welt des Überflusses gäbe es keine Entschuldigung für Untätigkeit und Gleichgültigkeit. Bis Ende März, so hatte am 22. Februar auch UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien bestätigt, werden 4,4 Milliarden Dollar benötigt, um die völlige Katastrophe noch abzuwenden. Doch was ist inzwischen geschehen? Und welche Schlußfolgerungen sind daraus zu ziehen, daß der Stichtag 31. März inzwischen schon sehr nahe gerückt ist, ohne daß eine internationale Kraftanstrengung, wie am 22. Februar und 10. März gefordert, erkennbar in die Wege geleitet worden wäre?

Tatsächlich scheint die Bereitschaft führender Staaten, Beträge für humanitäre Zwecke wie die Hungerbekämpfung aufzubringen, ungeachtet der steigenden Anforderungen sogar rückläufig zu sein. So sollen die Mittel, die dem Welternährungsprogramm zur Verfügung gestellt wurden, seit dem vergangenen Jahr um fast ein Drittel zurückgegangen sein. Die Agentur habe nur 5,9 Milliarden Dollar erhalten, weshalb sie bei einem Finanzbedarf von 8,6 Milliarden Dollar die Rationen für Flüchtlinge in Kenia und Uganda habe kürzen müssen. Der gesamte Fehlbetrag der durch Finanzmittel nicht gedeckten Ausgaben habe bei 10,7 Milliarden Dollar gelegen. Nicht wenige Kritiker glauben, daß sich mit einer Verlagerung finanzieller Ressourcen das Problem im Prinzip bewältigen ließe. So wies beispielsweise die World Socialist Web Site darauf hin, daß die 4,4 Milliarden Dollar, die aktuell zur Milderung der Hungersnot für 20 Millionen Menschen von den Vereinten Nationen eingefordert werden, die Hälfte dessen ausmachen würden, was das US-Verteidigungsministerium pro Woche ausgebe. [4]

Um die Spendenbereitschaft scheint es Presseverlautbarungen zufolge auch in bezug auf zurückliegende Zeiträume nicht gut bestellt zu sein. Und wie die Deutsche Welle vom 11. März berichtete, hält sich die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft auch angesichts der als aktuell dargestellten Krise bislang in Grenzen. Für den Jemen sei beispielsweise ein UN-Hilfsprogramm aufgelegt worden, das nur drei Prozent der anberaumten Spenden zur Minderung des humanitären Leides erhalten habe. Wie das UN-Nothilfebüro Ocha mitgeteilt habe, seien bis Anfang März von den veranschlagten 2,1 Milliarden Dollar nur 62,9 Millionen Dollar zusammengekommen. Als größte Geldgeber (oder vielmehr Nicht-Geldgeber?) wurden Großbritannien, Deutschland, die USA, Schweden und Japan genannt. Der Jemen gilt als eine der ärmsten Nationen der Welt mit einer Bevölkerung von 27 Millionen Menschen, die zu zwei Dritteln von Hilfslieferungen abhängig sind. [1]


Das Sterben geht weiter

Daß mehr als 20 Millionen Menschen vor allem in Ostafrika und im Süden der arabischen Halbinsel unter Hunger leiden und vielen nach Warnungen der Vereinten Nationen der Tod droht, meldete auch der Tagesspiegel am 18. März. Die tatsächlichen Zahlen könnten noch viel höher sein. Dem Bericht zufolge sind mehr als 17 Millionen Menschen im Jemen dringend auf lebensrettende Nahrungshilfen angewiesen, die Lage der über zwei Millionen akut mangelernährten Kinder wird dort als besonders dramatisch eingeschätzt. Die Zahl der in Nigeria an Hunger leidenden Menschen wird mit 4,7 Millionen angegeben, sie könnte nach Einschätzung von Experten bald auf 5,1 Millionen ansteigen. Im Norden des Landes ist den Angaben zufolge über eine halbe Million Kinder unmittelbar vom Tod bedroht, in den dortigen Flüchtlingslagern sind schon viele gestorben.

In Somalia, wo die Dürre die Hungersnot noch verschärft und aufgrund der Wasserknappheit bereits die Cholera ausgebrochen ist, wird die Zahl hungernder Menschen von den Vereinten Nationen mit über 15 Millionen angegeben. Als katastrophal gilt auch die Lage im Bürgerkriegsland Südsudan, wo nach UN-Angaben fast fünf Millionen Menschen - 40 Prozent der Gesamtbevölkerung - hungern. Ein weiter Notfall ist nach Ansicht von UN-Experten Äthiopien, wo nach der Dürre von 2015/16, Mißernten und einem Viehsterben 5,6 Millionen Menschen Hunger litten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Die Regierung Kenias hat den nationalen Notstand ausgerufen und die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten, nachdem sich die Zahl der Hungernden in dem Land von 1,3 auf 2,6 Millionen verdoppelt hat, so der Bericht. [5]

Diese Angaben zusammengerechnet würden eine Zahl von fast 70 Millionen ergeben, wobei keineswegs gewährleistet wäre, daß damit alle Hungernden erfaßt wären. Behauptet wird, es sei das primäre Ziel aller Bemühungen der zuständigen internationalen und der mit ihnen kooperierenden privaten Organisationen, Leben zu retten, wie UN-Generalsekretär António Guterres auf der Pressekonferenz vom 22. Februar erklärte. Es fehlen jedoch Angaben darüber, wie das bewerkstelligt werden könnte. Welche Mengen an Lebensmitteln werden insgesamt benötigt, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen? Welche logistischen und personellen Anforderungen müssen zudem erfüllt werden, damit die so dringend benötigten Nahrungsmittel auch die notleidenden Menschen erreichen und ihnen in ihrem bereits stark geschwächten Zustand zugeführt werden können?

Da sich offenbar niemand in der Lage sieht, zentrale Fragen dieser Art konkret und nicht bloß perspektivisch zu beantworten, ist der Verdacht kaum von der Hand zu weisen, daß die zuständigen Institutionen längst zu dem Schluß gelangt sein könnten, daß eine solch gigantische Rettungsaktion gar nicht bewerkstelligt werden kann, weil die dafür erforderliche Menge an Lebensmitteln nicht existiert und auch nicht beschafft werden kann. Desweiteren könnte in diesem Fall angenommen werden, daß es nach Ansicht der Verantwortlichen triftige, wenn auch gänzlich andere als humanitäre Gründe gibt, eine solche Tatsache vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen.

Auffällig ist doch, daß die stets dringlich erscheinenden Appelle und Spendenaufrufe die vorherigen, nahezu gleichlautenden, vollständig ignorieren, so als ob die Hungerkrisen und -nöte gerade erst entstanden wären. Was den Jemen betrifft, gab es bereits vor einem Jahr erschreckende Bilder und Meldungen über verhungernde Kleinkinder, die noch immer genauso "aktuell" erscheinen. Am 1. April 2016 hieß es im Fokus:

Die Bilder des verhungernden Kindes sind schwer zu ertragen und gehen um die Welt. Sie werden zum Symbol für das Leid vieler Menschen in einem Land, das von der Welt vergessen scheint. 26 Millionen Menschen leben im Jemen. Schon lange liegt die Rate der Unterernährten hier besonders hoch, doch zuletzt verschlimmerte sich die Situation erneut. 7 Millionen Menschen gelten hier als unterernährt, darunter 1,3 Millionen Kinder. [6]


Kein Mensch kann Geld essen

Stimmt die Behauptung überhaupt, daß der Hunger bekämpft werden könnte, wenn nur genügend Spendengelder eingingen? Regelmäßig werden seitens der zuständigen Hilfsorganisationen bestimmte Finanzbeträge angegeben, mit denen sie, so sie sie erhalten würden, den Hungernden wirklich helfen oder doch zumindest das Schlimmste abwenden könnten. Ebenso regelmäßig geht nur ein geringer Bruchteil der erbetenen Zuwendungen ein, so daß niemals überprüft werden kann, ob die in Aussicht gestellte und als prinzipiell möglich dargestellte Rettung so vieler Menschen tatsächlich realisiert werden kann. Vor einem Jahr, am 31. März 2016, hieß es in einem Bericht des Stern über einen als "schockierend" bezeichneten Unicef-Bericht zum Hunger der Kinder im Jemen:

Nach Unicef-Schätzungen sind in dem Bürgerkriegsland inzwischen zehn Millionen Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen - darunter rund 320.000 Kinder, die von schwerer akuter Mangelernährung bedroht sind. Von den für 2016 benötigten Hilfsgeldern für den Jemen hat Unicef nach eigenen Angaben jedoch erst 18 Prozent erhalten. [7]

Wie sich die Dinge doch gleichen... Auf der UN-Pressekonferenz vom 22. Februar dieses Jahres wollte ein Journalist wissen, wie es denn dazu kommen konnte, daß binnen eines Monats über eine Million Kinder zu verhungern droht und ob da etwas vernachlässigt worden sei. Auch fragte er, ob der UN-Generalsekretär glaube, innerhalb weniger Wochen die Summe von 4,4 Milliarden Dollar zusammenbekommen zu können.

Guterres vermied es, diese Fragen direkt zu beantworten und erklärte, daß es im Moment ein überwältigendes Anwachsen des Problems gäbe. Doch bevor es explodieren würde, wäre die Welt gewarnt, damit sichergestellt werde, auf die gestiegenen Anforderungen angemessen zu reagieren. Viele Staaten würden noch über finanzielle Ressourcen im laufenden Haushaltsjahr verfügen, und deshalb glaube er, daß die Regierungen und andere Spender ihre Zahlungen noch erhöhen werden, sobald völlig klar sei, vor welchem Problem wir bereits stehen und erst recht stehen werden, wenn wir jetzt nicht entschlossen handelten, so Guterres. [2]

Angesprochen wurde auch die UN-Beobachtungsmission für den Jemen am Roten Meer. Der Fragesteller wollte von Guterres wissen, ob er bei seinen Besuchen in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten den Hunger im Jemen angesprochen habe. Konkret fragte er, welche Hindernisse es dafür gäbe, daß die Hilfslieferungen die Kinder im Jemen, die im Abstand von zehn Minuten sterben, nicht erreichten? Auch an dieser Stelle antwortete der UN-Generalsekretär mit allgemein gehaltenen Sätzen. Der humanitäre Zugang zu den notleidenden Menschen sei lebenswichtig, deshalb habe er nicht nur um größere Spenden gebeten, sondern auch die Konfliktparteien aufgefordert, den humanitären Zugang zu garantieren.

Zu Beginn der Pressekonferenz hatte Guterres erwähnt, daß sich das Welternährungsprogramm wegen der Kürzung der Finanzmittel gezwungen sah, die Rationen im Jemen gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte zu verringern. Dennoch erklärte er wenig später auf die Frage, ob es denn eine Spendenmüdigkeit gäbe, daß er das nicht glaube. Die geleistete humanitäre Hilfe sei Jahr für Jahr gestiegen, gleiches gelte für die Finanzmittel des UNHCR. Das Problem bestünde darin, daß der Bedarf schneller angestiegen sei, daher rühre die jetzige dramatische Entwicklung. [2]

Allem Anschein nach scheint es auch Bemühungen zu geben zu verhindern, daß das tägliche Massensterben als ein Verhungernlassen schwarzer Menschen wahrgenommen wird. Auf der Pressekonferenz im Februar meinte ein Journalist, es sei doch wohl nicht hinzunehmen, wenn 2017 wieder Bilder von verhungernden schwarzen Kindern über die Fernsehbildschirme in aller Welt gingen, wie es in den 1990er Jahren und nach der Jahrtausendwende der Fall gewesen sei. Auf seine Frage, welche Rolle Rassenzugehörigkeit und Herkunftsregion in der aktuellen Krise spielten, antwortete Guterres ebenfalls ausweichend. Leider wiederholten sich diese Dinge, erklärte er. Hinzu käme, daß die Bürgerkriegskonflikte zu verheerenden humanitären Folgen führten. Darüber hinaus würden sich Faktoren wie Dürre, Wüstenbildung, Nahrungsunsicherheit und Wassermangel durch den Klimawandel noch dramatischer entwickeln. [2]


Auch die Bundesregierung erneuert ihre Versprechen

Am 12. März hat Bundesaußenminister Sigmar Gabriel mit UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien "über die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der dramatischen Hungerkrisen am Horn von Afrika, in der Tschadseeregion sowie in Südsudan" beraten. [8] Die Lage in den Hungerregionen sei verzweifelt, die Kinder sterben unter den Augen der Weltöffentlichkeit, 20 Millionen Menschen drohe der Hungertod, wenn nicht bald eine umfassende internationale Hilfe einsetze, so Gabriel, und erklärte dann:

Wir sind bereit, hier voranzugehen: Ich habe Nothilfekoordinator O'Brien zugesagt, unsere humanitäre Hilfe für die notleidenden Menschen am Horn von Afrika zu verdoppeln und zusätzlich 15 Millionen Euro an Hilfsgelder bereit zu stellen. Wir setzen darauf, dass auch andere Geber die dringend notwendige Hilfe für die von Hunger betroffenen Regionen ausweiten.

Dies alles kann nur ein erster Schritt sein. Es braucht jetzt rasch eine konzertierte Aktion der internationalen Gebergemeinschaft. Ohne das massive und nachhaltige Engagement der internationalen Gemeinschaft wird es nicht gelingen, noch rechtzeitig mit Hilfe vor Ort zu sein. Ich werde hierzu nächste Woche Gespräche mit den Vertretern der großen internationalen Hilfsorganisationen und von Geberstaaten führen.

Natürlich wird auch Deutschland sich noch stärker engagieren müssen. Ich habe dem UN-Nothilfekoordinator deshalb versichert, dass wir auch zu weiteren Maßnahmen bereit sind, um unseren Beitrag zur Beendigung der Hungerkrise zu leisten. [8]

Eine Verdoppelung der bisherigen Hilfe, zusätzliche 15 Millionen, Gespräche mit anderen Geberstaaten und Hilfsorganisationen wie auch die generelle Bekundung der Bereitschaft, zur Beendigung der Hungerkrise beizutragen - wer könnte es Menschen in den betroffenen Hungergebieten verdenken, angesichts solcher Versprechen und vagen Perspektiven skeptisch zu bleiben, zumal auch seitens der Bundesregierung kein Versuch unternommen wurde, die Frage, wie die nach UN-Angaben bis Ende März benötigten 4,4 Milliarden Dollar aufgebracht werden können, zu beantworten?

Der tatsächliche Schrecken könnte sich allerdings als noch weitaus größer erweisen, sollte sich, unter welchen Umständen auch immer, eines Tages herausstellen, daß der Hunger nicht auf bestimmte ungünstige Faktoren reduziert oder mit ungenügenden Hilfsgeldern erklärt werden kann und dieser Ursachenmix nur angeführt wird, um über den generellen Mangel an Nahrung hinwegzutäuschen. Wollte Bundesaußenminister Gabriel den möglichen Vorwurf, er habe das katastrophale Problem verharmlosen und dessen fehlende Lösungsoptionen verschweigen wollen, entkräften, bräuchte er nur darzulegen, worin die zur Beendigung der Hungerkrise angeblich geeigneten Maßnahmen bestehen sollen. Wenn die Bundesregierung dazu ihren Beitrag leisten will, scheint sie zu wissen, woher die für (mindestens) 20 Millionen Menschen benötigten Nahrungsmittel genommen und wie die erforderlichen Transporte bewältigt werden können.


Fußnoten:

[1] http://www.dw.com/de/un-20-millionen-menschen-droht-hungertod/a-37893668

[2] https://www.un.org/sg/en/content/highlight/2017-02-22.html

[3] Eine Hungersnot wird nicht ausgerufen, wenn Menschen zu verhungern drohen, sondern wenn dies bereits in großer Zahl geschehen ist. Die Vereinten Nationen verwenden zur Definition einer Hungersnot die Integrated Food Security Phase Classification, derzufolge folgende Kriterien erfüllt sein müssen: Mindestens 20 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu weniger als 2100 Kilokalorien pro Tag, mindestens 30 Prozent der Kinder sind akut unterernährt, mindestens 2 von 10.000 Menschen oder 4 von 10.000 Kindern sterben pro Tag an Nahrungsmangel.

[4] http://schattenblick.de/infopool/medien/altern/glei6267.html oder
http://www.wsws.org/de/articles/2017/03/14/hung-m14.html

[5] http://www.tagesspiegel.de/politik/afrika-hungert-in-hoechster-not/19535426.html

[6] http://www.focus.de/panorama/videos/buergerkrieg-im-jemen-dieses-bild-eines-verhungernden-kindes-sollte-uns-alle-beschaemen_id_5399575.html

[7] http://www.stern.de/politik/ausland/jemen--unicef-bericht-zeigt-wie-sehr-die-kinder-im-buergerkrieg-leiden-6772816.html

[8] http://www.auswaertiges-amt.de/nn_582136/sid_577F47714BE40F4C0E007C1388E1B8AF/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2017/170312_BM_UN_Nothilfekoordinator_Hungerbekaempfung.html?nnm=582146

22. März 2017


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