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AFRIKA/1868: Grand Inga-Projekt - Strom für Europa (SB)


Pläne, wie man sie kennt

Die Demokratische Republik Kongo könnte zum Stromproduzenten auch für Südeuropa werden ... meint die Weltbank


Was hat Afrika, was Europa nicht hat? Energie! Aber wie kommt man da heran? Mit bunten Tüchern, Perlen und Muscheln ist kein Staat mehr zu machen, da müssen schon komplizierter wirkende Lockangebote her. Heute erfüllen administrativ-technokratische Begriffe wie Schuldenerlaß, Entwicklungsplan und Innovationsförderung die gleiche Funktion wie einst der Tand. Damit - und gern auch einem fetten Bakschisch, wie Siemens in Nigeria anschaulich demonstrierte -, sollen afrikanische Regierungen dazu gebracht werden, daß sie die fossilen Energieträger ihres Landes zur Ausbeutung freigeben. Wahlweise können es aber auch landwirtschaftliche Flächen sein, so daß auf ihnen Palmen, Zuckerrohr, Mais, Jatropha oder andere Pflanzen angebaut werden, aus denen anschließend Treibstoff gewonnen wird, der dann - husch, husch - außer Landes gebracht und in Europa oder Asien verbrannt wird. Damit die Autos in der "entwickelteren Welt" nicht still stehen.

Außerdem gibt es da noch die Desertec-Initiative zum Bau von solarthermischen Kraftwerken in Afrika. Deutsche Großkonzerne wie Siemens, Münchener Rück, Deutsche Bank, RWE, Eon und weitere Interessenten haben kürzlich eine Planungsgesellschaft gegründet, die binnen drei Jahren konkrete Umsetzungspläne der Idee, elektrischen Strom aus Afrika nach Europa zu transportieren, erarbeiten soll. Der Desertec-Initiative zufolge soll bis 2050 15 Prozent des in der Europäischen Union verbrauchten elektrischen Stroms in Afrika erzeugt werden.

Im vergangenen Monat haben Niger und Algerien einen Vertrag mit Nigeria über die Durchleitung von Erdgas nach Europa unterzeichnet. Der Umfang der von der EU unterstützten Investition beläuft sich auf zwölf Milliarden Dollar. Unterdessen hat Italien bereits Verträge mit Tunesien abgeschlossen und soll über ein Seekabel elektrischen Strom, der in dem nordafrikanischen Land durch Solarzellen erzeugt wird, erhalten.

All dem noch nicht genug, unterstützt die Weltbank ein Konzept, den Kongo-Fluß zu stauen und über hydroelektrische Anlagen Strom zu erzeugen, von dem ein Teil nach Europa geleitet werden könnte. Das berichtete die britische Zeitung "The Observer" am Sonntag. [1] Die bereits seit Jahrzehnten bestehenden Dämme Inga I und Inga II an den Inga-Fällen des Kongo, rund 200 Kilometer südwestlich von Kinshasa gelegen, produzieren gegenwärtig nur geringe Mengen an elektrischem Strom. Das Projekt Grand Inga-Damm dagegen soll in der Endstufe 40.000 Megawatt generieren, was mehr als die doppelte Kapazität des bislang weltgrößten Drei-Schluchten-Staudamms in China hätte.

Das bereits vor einigen Jahren im Rahmen der NEPAD-Initiative, die auch als Marshall-Plan für Afrika bezeichnet wird und wesentlich ein Kind des früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki ist, vorgestellte Projekt umfaßt ein Finanzvolumen von 80 Milliarden Dollar. Es soll in mehreren Stufen verwirklicht werden, in der dritten und letzte Stufe ist "angedacht", Energie nach Europa zu leiten.

Davon war im April vergangenen Jahres in der Berichterstattung über ein vom World Energy Council (WEC) in London organisiertes zweitägiges Treffen diverser Finanziers und Vertreter afrikanischer Regierungen zum Grand Inga-Damm nicht die Rede. [2] Laut BBC News sollten lediglich Überlandleitungen nach Nigeria im Westen, Südafrika im Süden und Ägypten im Nordosten des Kontinents gebaut werden.

In einigen Ländern Afrikas sind nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung ans Stromnetz angeschlossen. Es läßt sich vorstellen, daß das auch dann noch annähernd so bleiben wird, wenn das Grand Inga-Projekt ohne einen Stromexport nach Europa umgesetzt würde. So wie eben heute schon bestimmte wirtschaftlich aktive Zonen gefördert und infrastrukturell versorgt werden, weite Regionen jedoch marginalisiert bleiben.

Sollte aber tatsächlich ein Teil des generierten Stroms südeuropäische Glühbirnen - pardon, Kompaktleuchtstoffröhren - zum Leuchten bringen, so wäre der wahrscheinliche Preis dafür die fortgesetzte Armut in Afrika. Zynisch mutet das Projekt auch deshalb an, weil mit hohen Leitungsverlusten gerechnet werden müßte. Auf eine Strecke von 4500 Kilometern Luftlinie von den Inga-Fällen des Kongo bis nach Sizilien würde selbst mit den verlustarmen Hochspannungs-Gleichstrom-Überlandleitungen, wie sie auch bei der Desertec-Initiative im Gespräch sind, ein Leitungsverlust von rund 25 Prozent auftreten. Während Europa mit elektrischem Strom aus Afrika versorgt würde, gäbe es dort weiterhin ländliche Regionen sowie ungeregelt und ungestüm wachsende urbane Zonen, in denen von der Entwicklung abgeschnittene Menschen ihr Überleben zu sichern suchten.


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Anmerkungen:

[1] "Fury at plan to power EU homes from Congo dam", The Observer, 23. August 2009
http://www.guardian.co.uk/world/2009/aug/23/power-eu-congo-dam

[2] "Africa plans biggest dam project", BBC News, 21. April 2009
http://news.bbc.co.uk/2/hi/business/7358542.stm

25. August 2009