Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1871: Vertreibung für Klimaschutz - Beispiel Uganda (SB)


Dauerkonflikt um die Nutzung des Mount Elgon Nationalparks

Niederländische Stiftung verschafft sich Ausgleichsfläche für Kohlendioxidemissionen


Britische Klimaschützer protestierten vergangene und diese Woche unter anderem vor der Climate Exchange in London gegen eine Politik der Markwirtschaft vor Klimaschutz. In diesen Zeitraum fällt auch ein Bericht der Nachrichtenagentur IPS über die Vertreibung von Mitgliedern der ugandischen Volksgruppe Benet aus dem Mount Elgon Nationalpark durch die Wildtierbehörde UWA (Uganda Wildlife Authority). [1] Hintergrund der Zwangsmaßnahme: Die FACE Foundation, die 1990 von Energieunternehmen der Niederlande gegründet wurde und sich seit 2000 als unabhängig bezeichnet [2], betreibt in Kooperation mit der ugandischen Behörde seit 1994 auf bis zu 25.000 Hektar innerhalb des 114.500 Hektar großen Nationalparks ein Aufforstungsprogramm. Mit dem Anpflanzen von Bäumen sollen die CO2-Emissionen eines neuen Kohlekraftwerks kompensiert werden.

Das Aufforsten wird im Rahmen der Clean Development Mechanisms (CDM) des Klimaschutzprotokolls von Kyoto unter bestimmten Bedingungen als Ausgleich für Kohlendioxidemissionen anerkannt. Diese Rechte verkauft FACE (das Akronym steht für Forests Absorbing Carbon dioxide Emissions), das mit der Climate Neutral Group kooperiert, an die niederländische Firma GreenSeat, welche wiederum CO2-Handel betreibt und mit Fluggesellschaften und anderen Unternehmen zusammenarbeitet. Die Flugreise eines Passagiers gilt als klimafreundlich, wenn dieser zusätzlich zum Ticket für kohlenstoffbindende Maßnahmen, wie sie das Aufforsten darstellen, einen bestimmten Betrag abtritt.

Seit Jahren wird kritisch über die Vertreibung der Bevölkerung in Uganda im Namen des Klimaschutzes berichtet. Mit den aktuellen Protestaktionen in London, vor allem in Hinsicht auf die internationalen Klimaschutzverhandlungen im Dezember in Kopenhagen, bei denen die Staats- und Regierungschefs ein Nachfolgeprogramm für das Kyoto-Protokoll aushandeln wollen, kommt dem Thema soziale Verwerfungen aus Gründen des Klimaschutzes eine besondere Bedeutung zu.

Die Aktivitäten von FACE sind nicht Auslöser des Landnutzungskonflikts in Uganda. Die Benet, auch Ndorobo genannt, waren schon einmal, 1983, vertrieben worden.. 1993 wurden die Bewohner dieser Grenzregion zu Kenia von paramilitärisch bewaffneten Kräften der UWA verjagt. Bei den Auseinandersetzungen kamen rund 50 Einwohner ums Leben. Die Regierung hatte das waldreiche Gebiet zum Nationalpark erklärt, ohne die dort lebenden Menschen zuvor zu konsultieren oder ihnen eine adäquate Alternative anzubieten. Das Aufforschungsprogramm von FACE erfolgt in einem zwei bis drei Kilometer breiten Streifen entlang der 211 Kilometer langen Grenze des Mount Elgon Nationalparks. Im März 2002 wurde das Projekt vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert.

Der Konflikt zwischen Aufforstung aus Gründen des Geschäfts mit dem Klimaschutz und den Überlebens- und wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung im Mount Elgon Nationalpark ist kompliziert. (Von weiteren Aspekten wie Korruption und Landnahme durch Regierungsmitglieder oder Geschäftsleute gar nicht erst zu reden.) So behauptet UWA-Mitarbeiter Richard Matanda gegenüber IPS [1], daß die Vertreibung gar nichts mit der FACE Foundation zu tun hat. Sein Argument kann allerdings nicht überzeugen: Die Leute hätten sich im Naturschutzgebiet breitgemacht. Sie mußten vertrieben werden, damit die Bäume angepflanzt werden konnten.

Auch die Erklärung des FACE-Projektkoordinators Fred Kizza, demzufolge das Aufforstungsprojekt die Einkommens- und Lebenssituation der Gemeinden in der Nachbarschaft des Projektgebiets verbessert hat, wirkt nicht glaubhaft. Denn es wurden nicht nur mehr als 10.000 Einwohner vertrieben, die Aufforstung verlangt auch nicht viele langfristige Arbeitsplätze, abgesehen bestenfalls von der allerersten Phase. [3] Einer anderen Quelle zufolge ist von "einer Handvoll" festangestellter Mitarbeiter die Rede. [4] Außerdem wurde dafür gesorgt, daß die Einwohner kein Feuerholz mehr suchen, ihr Vieh dort nicht mehr weiden und das Gebiet auch auf keine andere Weise nutzen durften. Dabei hatten die Bewohner abgesehen von ihre Hütten auch schon je zwei Schulen und Handelszentren innerhalb des Parks errichtet.

Seit 1993 kam es immer wieder zu Vertreibungen, teilweise hatten die Menschen schon 40 Jahre am Mount Elgon gelebt. Doch im Oktober 2005 urteilte der ugandische Richter J.B. Katutsi, daß die Benet tatsächlich die historischen und indigenen Bewohner des zum Nationalpark erklärten Gebiets sind. [3] Ihnen müsse die Rückkehr und das Betreiben von Landwirtschaft gestattet werden. Jutta Kill, die für die Klimaschutzorganisation SinksWatch arbeitet, berichtete [5], daß die Bauern nach ihrer Rückkehr in den Mount Elgon Nationalpark eine halbe Million Bäume, die für die FACE Foundation CO2-Emissionen ausgleichen sollten, gefällt haben.

Das Beispiel Uganda zeigt einen einzigen von einer Reihe von Aspekten, weswegen die CDMs höchst problematisch sind und von Klima-Aktivisten, wie sie zur Zeit in London von sich reden machen, abgelehnt werden. Manchmal richtet Klimaschutz selbst dann mehr Schäden an, als daß er Gutes tut, wenn ein Waldgebiet, das unter anderem eine wichtige Ausgleichsfunktion für die Wasserversorgung erfüllt, wieder aufgeforstet werden soll. Uganda verzeichnet mit fast drei Prozent ein starkes Bevölkerungswachstum. Da scheinen weitere Konflikte um Landnutzung unausweichlich zu sein.

Nun kommen aber noch die Interessen anderer Staaten hinzu, sei es, daß Land für die Produktion von Biosprit verwendet werden, oder sei es wie in diesem Beispiel, daß es für 99 Jahre von der Nutzung ausgenommen werden soll. Es wäre angemessen, wenn solche Beispiele als unzulässige Intervention aufgefaßt würden. Dann müßten die Industriestaaten ihre CO2-Emissionen auf andere Weise reduzieren als über CDM, und sie müßten ihre Gesellschaft so umbauen, daß das Verkehrsaufkommen und damit der Verbrauch von fossilen Treibstoffen reduziert wird.


*


Anmerkungen:

[1] "Uganda: Carbon Trading Scheme Pushing People Off Their Land" Inter Press Service (Johannesburg), 31. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908310456.html

[2] "The History of the FACE Foundation", Face Foundation, Online-Zugriff am 2. September 2009
http://www.stichtingface.nl/print.php?sid=101&type=p

[3] "Uganda: FACE Foundation, carbon conflict and FSC certification", Chris Lang, World Rainforest Movement's bulletin Nº 101, December 2005. Online-Zugriff am 2. September 2009
http://www.wrm.org.uy/bulletin/101/Uganda.html

[4] "The other side of carbon trading", Fortune Magazine, 30. August 2007
http://money.cnn.com/2007/08/27/news/international/uganda_carbon_trading.fortune/index.htm

[5] "Umweltzerstörung durch CO2 Handel", Nicoletta Renz, 2. Januar 2008
http://klimawandel.suite101.de/article.cfm/umweltzerstoerung_durch_co2_handel

2. September 2009