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AFRIKA/1891: Nigeria - Minister verspricht Ende des Gas-Abfackelns (SB)


Versprechen oder Versprecher?

Angeblich wird ab 2010 nirgendwo in Nigeria mehr Gas abgefackelt


Ab Januar nächsten Jahres wird in Nigeria kein Erdgas mehr abgefackelt, kündigte Vize-Außenminister Bagudu Hirse am Mittwoch an. [1] Womöglich wird er demnächst seinen Hut nehmen müssen, es sei denn, die Regierung kann verhindern, daß viel Aufhebens um solch ein haltloses Versprechen gemacht wird. Denn um nichts anderes handelt es sich, auch wenn in den letzten Jahres einiges auf diesem Gebiet erreicht wurde. Das Abfackeln von Gas zu beenden wurde bereits 1979 zugesagt. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Regierung das Datum regelmäßig weiter hinausgeschoben, in diesem Jahrzehnt schon dreimal. Die jüngste Frist endete am 31.12.2008, wurde aber erneut von Unternehmen und Regierung mißachtet. Vorläufig letztes Datum: 13. Dezember 2010. Nun soll der Zeitpunkt plötzlich früher erreicht werden?

Kaum zu glauben. Bagudu Hirse machte seine gewagte Ankündigung auf einer Pressekonferenz zum Abschluß des 16. EU-ECOWAS-Ministertreffens in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Alle Ölgesellschaften seien unterrichtet worden, sie alle besäßen das technische Wissen (um das Abfackeln zu stoppen) und würden seiner Ansicht nach den Zeitpunkt einhalten. Nigeria will mit dieser Maßnahme einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und durch die Nutzung des bislang abgefackelten Erdgases eine Kraftwerksleistung von 6.000 Megawatt erzielen.

Schätzungen zufolge belaufen sich Nigerias Reserven an Erdöl auf über 30 Milliarden Barrel und an Erdgas auf über 5,3 Billiarden Kubikmeter. Nach Angaben der Global Gas Flaring Reduction Partnership der Weltbank wurden in Nigeria im Jahr 2008 rund 14,9 Milliarden Kubikmeter Gas abgefackelt. Damit liegt das Land nach Rußland an zweiter Stelle weltweit. 2005 wurden in Nigeria noch 21,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas ungenutzt abgebrannt. [2] Nigerias Erdölministerium beziffert die jährlichen Einnahmenverluste durch das Gas-Abfackeln auf drei Milliarden Dollar. [3]

Ein Teil des deutlichen Rückgangs des Gas-Abfackelns geht darauf zurück, daß sich die Unternehmen tatsächlich darauf einstellen, das Abfackeln auslaufen zu lassen. Aber daß bislang noch kein vollständiges Ende erreicht wurde, dürfte ein Hinweis darauf sein, daß die verbliebene Menge auch nicht von heute auf morgen abgestellt werden wird. Vermutlich werden die teils riesigen Flammensäulen noch einige Jahre inmitten der Dörfer und Felder stehen, dabei einen Höllenlärm veranstalten und rußige, partikelreiche Abgase erzeugen, die über 250 verschiedene Gifte enthalten. [4]

Die Einwohner des Nigerdeltas, dem Hauptfördergebiet von Erdöl in Nigeria, leiden aufgrund der Luftverschmutzung unter einem Komplex an Erkrankungen, insbesondere der Lunge, Atemwege und Haut. Leukämie und andere Bluterkrankungen können ebenso durch die Schadstoffe ausgelöst werden wie diverse weitere Krebsarten. Die Regierung hat Pläne aufgelegt, wonach 30 Mrd. Dollar in den Bau eines weitverzweigten Gas-Pipeline-Netzes sowie in Aufbereitungsanlagen investiert werden, um mit ihrer Hilfe den heimischen Erdgasbedarf zu decken. Außerdem wird eine Gaspipeline quer durch die Sahara nach Europa verlegt.

Was jahrzehntelange Proteste wegen der unerträglichen Umweltverschmutzung durch das Gas-Abfackeln nicht geschafft haben, könnte in Zukunft durch die Aussicht auf Profite durchgesetzt werden. Dann werden sich die Apologeten der "freien" Marktwirtschaft bestätigt sehen, daß nur mit Geld wirklich etwas in der Welt zu bewegen ist. Dabei würden sie allerdings geflissentlich übersehen, daß "Geld" überhaupt erst zum Gas-Abfackeln geführt hat.

Unterdessen schlagen die Bewohner der Gemeinde Gbarantoru in der Yenagoa Local Government Area (LGA) des nigerianischen Bundesstaats Bayelsa Alarm. Eines nachts, Anfang November, wurden sie durch Lärm geweckt. Die Shell Petroleum Development Company (SPDC) hatte ohne Vorwarnung in nur 120 Metern Entfernung von ihrer Siedlung eine neue Gasquelle entzündet. Seitdem können die Einwohner nicht mehr wie bisher das Regenwasser von ihrem Dach trinken, da es rußverschmutzt und giftig ist - keine Gegend, in die ein Vize-Außenminister Nigerias ziehen würde.


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: 6,000 Mw: Gas flaring ends December, says Minister" Vanguard, 12. November 2009
http://www.vanguardngr.com/2009/11/12/6000mw-gas-flaring-ends- december-says-minister/

[2] "Nigeria to Halt Gas Flaring From End of This Year (Update1)", Bloomberg, 11. November 2009
http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601116&sid=aw6LxKy_qyxk

[3] http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/TOPICS/EXTOGMC/EXTGGFR/0,,contentMDK:22137498~
pagePK:64168445~piPK:64168309~resourceurlname:ggfr_newsletter_8^$^pdf~theSitePK:578069,00.html

[4] "An end to Nigerian gas flares?", 21. Mai 2009
http://blogs.nature.com/news/thegreatbeyond/2009/05/an_end_to_nigerian_gas_flares_1.html

[5] "Nigeria: Community Raises Alarm Over Gas Flaring", Daily Champion (Lagos), 5. November 2009
http://allafrica.com/stories/200911050471.html

12. November 2009