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AFRIKA/1917: Addis Abeba knüpft Landvergabe an Schaffung von Arbeitsplätzen (SB)


Äthiopiens Hauptstadt erteilt Verhandlungen zur Landvergabe grünes Licht

Zahl der äthiopischen Flüchtlinge in Jemen verdoppelt


Die Behörden der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba haben sich entschieden, Land nicht nur im Rahmen von Auktionen, sondern auch von Verhandlungen zu vergeben. [1] Monatelang war es zu einem Stillstand bei der Landvergabe gekommen, bis eine Direktive zu Land- und Bauentwicklung vom Kabinett ratifiziert wurde.

In Äthiopien ist die Verpachtung von Land an ausländische Investoren, die dort Pflanzen für die Herstellung von Biosprit oder Nahrung anbauen, ein kontrovers diskutiertes Thema. Angesichts von über sechs Millionen Einwohnern, die auf Nahrungshilfe angewiesen sind, müssen sich die Behörden dem Vorwurf stellen, daß sie die Aussicht auf Deviseneinnahmen der Steigerung der Ernährungssicherheit der Bevölkerung vorziehen. Selbstverständlich würde ein Vertreter der Regierung behaupten, daß Devisen unverzichtbar sind, um die wirtschaftliche Entwicklung Äthiopiens voranzutreiben, ohne die der Nahrungsmangel im Land noch viel verbreiteter wäre. Dennoch fällt auf, daß in der Vergangenheit größere Anbauflächen, auf denen Nahrung für die Versorgung der ärmeren Bevölkerung hätte produziert werden können, aus der Hand gegeben wurde.

Laut einem Richtlinienentwurf bindet die Verwaltung inzwischen die Landvergabe an die Einhaltung bestimmter Kriterien. Demnach will die Administration jene ausländischen Investoren vorziehen, die eine arbeitsplatzintensive Bewirtschaftung sowie einen Transfer der Produktionstechnologie vorsehen. Zu den vorteilhaften Investitionen wird gerechnet, wenn beispielsweise neue Ausbildungsformen entwickelt oder Universitäten, Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen gebaut werden.

Damit reagiert die Administration sowohl auf die Gefahr eines unkontrollierten Wachstums städtischer und industrieller Viertel als auch auf die eingangs erwähnte Diskussion über die moralische Zulässigkeit der Vergabe von Land an ausländische Unternehmen.

In Äthiopien, das einst eine marxistische Regierung besaß, gehört dem Staat alles Land; nur er vergibt die Pacht. Das in der Vergangenheit sehr starre System wurde mittlerweile gelockert, damit Bauern auch grundlegende Investitionen in das ihnen zugeteilte Land vornehmen, da sie nicht mehr so schnell wie früher damit rechnen müssen, daß es ihnen schon bei nächster Gelegenheit wieder abgenommen wird und ihnen somit der langfristige Vorteil der Investition verloren geht.

Ob die äthiopische Regierung mit ihrer Landpolitik die allgemeine Verarmung aufhalten oder gar abbauen kann? Viele Einwohner scheinen nicht davon überzeugt. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks haben im vergangenen Jahr mehr Einwohner aus Äthiopien die gefährliche Seereise nach Jemen versucht als aus dem Bürgerkriegsland Somalia. [2] Demnach hat sich die Zahl der Flüchtlinge aus Äthiopien gegenüber 2008 mehr als verdoppelt; offiziell liegt sie bei 44.814. Konflikte, Hunger, Dürre und Arbeitslosigkeit sind nach Angaben des UNHCR-Mitarbeiters Rocco Nuri die wesentlichen Fluchtgründe. Wenn aber selbst das völlig verarmte und politisch instabile Jemen für Zehntausende Äthiopier attraktiver erscheint, als in der Heimat zu bleiben, wie aussichtslos müssen die Verhältnisse dort erst sein?


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Anmerkungen:

[1] "Ethiopia: City Agrees to Limited Land Leasing By Negotiation", Addis Fortune (Addis Ababa), 25. Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201001260773.html

[2] "East Africa: Yemen - Arrivals in 2009 Up 55 Percent", UN Integrated Regional Information Networks (IRIN), 17. Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201001180191.html

26. Januar 2010