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AFRIKA/1957: Äthiopien vor den Wahlen - Unterdrückung der Opposition (SB)


Parlamentswahlen in Äthiopien

Regierung von Premierminister Meles Zenawi läßt nur wenige Wahlbeobachter zu


Die Frage, welcher Staat zu wem Wahlbeobachter schickt, ist durchaus konfliktträchtig. Drückt sich doch beispielsweise in dem Entsenden von Wahlbeobachtern der wirtschaftlich und militärischen führenden Staaten der Erde in die nach wie vor als Kolonien behandelten Staaten Afrikas eine eindeutige Hierarchie aus. Wenn aber jetzt die äthiopische Regierung nur einem kleinen Kreis von Wahlbeobachtern der Afrikanischen Union und der Europäischen Union gestattet, die für den 23. Mai angesetzten Parlamentswahlen zu beobachten, und zivilgesellschaftlichen Organisationen diese Möglichkeit der Kontrolle über den demokratischen Ablauf verweigert, setzt sie sich dem Verdacht der Manipulationsabsicht aus. Zumal die Regierung unter Premierminister Meles Zenawi und seiner Partei Ethiopian Peoples' Revolutionary Democratic Front (EPRDF) Bestimmungen erlassen hat, die es der Opposition erschweren, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Und das alles vor dem Hintergrund der vielfach bezeugten Wahlmanipulationen vor fünf Jahren sowie der gewaltsamen Auflösung anschließender Demonstrationen, die fast 200 Personen das Leben kostete, sowie der Massenverhaftung von Oppositionellen.

Sogar die US-Botschaft hat auf ihre Bitte, Wahlbeobachter entsenden zu dürfen, eine abschlägige Antwort erhalten. [1] Begründet wird dies mit mangelnder Qualifikation (wobei dies wohl eher auf die zivilgesellschaftlichen Gruppen gemünzt war) und Schwierigkeiten, mit allen Botschaften und internationalen Organisationen in Äthiopien Memoranda of Understanding (MoU) zu unterzeichnen. Das würde ansonsten "unnötige Verwirrung bei der Entsendung vieler Beobachtergruppen erzeugen". Allzu viele Beobachter würden nur unvorhersehbare Konsequenzen für den Wahlablauf haben, heißt es in der Stellungnahme des äthiopischen Außenministeriums.

Das klingt nicht plausibel. Wenn eine Regierung bereits hoffnungslos damit überlastet ist, nur weil sie Vereinbarungen mit Botschaften und internationalen Organisationen über die Entsendung von Wahlbeobachtern treffen soll, wie will sie dann die organisatorisch viel anspruchsvolleren Wahlen ordnungsgemäß abhalten?

Das Moratorium für die Wahlbeobachtung gilt zwischen dem 10. Mai und 30. Juni 2010. Mit diesem Verbot werden die Botschaften und internationalen Organisationen nicht daran gehindert, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen, beteuerte Außenamtssprecher Wahade Belay gegenüber der äthiopischen Zeitung "Fortune". Es bedeute lediglich, daß sie nicht die Wahl beobachten dürfen. Vertreter einer anderen Botschaft sagte gegenüber der Zeitung, daß sie einen Brief der äthiopischen Regierung erhalten hätten, der genaue Verhaltensanweisungen enthalte. Demnach müssen die Botschaften (und vermutlich auch internationalen Organisationen) 24 Stunden vor einer Reise außerhalb von Addis Abeba Angaben über Namen und Anzahl der Personen, Zielort und das verwendete Verkehrsmittel machen. [1]

Vergleichbar mit den Machenschaften des ruandischen Präsidenten Paul Kagame und seiner Regierungspartei RPF im Vorfeld der in Ruanda für August angesetzten Wahlen wurden der Opposition in Äthiopien bereits lange im Vorfeld Hindernisse in den Weg gelegt. "Mit dem Näherrücken der Wahlen bringt die Regierung verschiedene Strategien zum Einsatz, um unsere Kandidaten zu bezichtigen und zu entmutigen, an den Wahlen teilzunehmen", sagte Professor Beyene Petros, stellvertretender Vorsitzender für organisatorische Angelegenheiten des Forum for Democratic Dialogue in Ethiopia (FDDE), zu dem sich acht Oppositionsparteien zusammengeschlossen haben, im vergangenen Dezember gegenüber IPS. [2] 24 ihrer potentiellen Kandidaten seien unterschiedlichen Formen der Verfolgung ausgesetzt, wozu auch Verhaftungen gehörten. Zuvor hatten bereits andere Oppositionsparteien kritisiert, daß die Regierung 450 ihrer Mitglieder verhaftet habe, um sie einzuschüchtern und davon abzubringen, sich zur Wahl zu stellen.

Unter Berufung auf den neu gekürten Elections Code of Conduct for Political Parties begann die Regierung in Kooperation mit den Oppositionsparteien Ethiopian Democratic Party (EDP), All Ethiopia Unity Organization (AEUO) und Coalition for Unity and Democracy Party (CUDP) frühzeitig damit, potentielle Konkurrenten "legal" auszuschalten. Wohingegen diese drei Parteien nicht als echte Opposition angesehen werden können, bemängelt das Oppositionsbündnis FDDE. Dem vereinbarten Code zufolge ist jede Partei verpflichtet, wenn sie eine andere Partei der Code-Verletzung bezichtigt, zuerst versuchen muß, den Konflikt mit der beschuldigten Partei im Gespräch zu lösen. Das erschwere jedoch die Beschwerdemöglichkeit, kritisiert Petros die Bestimmung. Die Parteien des von ihm vertretenen Forums gehören zu rund 30 (von insgesamt 90) Parteien, die den Code of Conduct nicht unterzeichnet haben.

Gizachew Shiferaw, stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei UDJ (Unity for Democracy and Justice), sagte ebenfalls gegenüber IPS, daß die Regierung Verhaftungen vornehmen lasse, um UDJ-Kandidaten zur Aufgabe zu bewegen. [2] Ein Vorwurf, den die Regierung selbstverständlich zurückweist. Bereket Simon, Chef des Communication Affairs Office, behauptet, daß die Anschuldigungen haltlos und die Verhafteten verdächtige Kriminelle sind. "Niemand wurde wegen politischer Aktivitäten ins Gefängnis gesteckt oder getötet." [2]

Kein so gutes Bild zeichnete der in Brüssel ansässige Think Tank ICG (International Crisis Group) im September 2009 von Äthiopien. [3] Trotz des Wirtschaftswachstums und der versprochenen Demokratisierung wachse die Unzufriedenheit darüber, daß die EPRDF den Staat ethnisch definiere und sich an die Macht klammere. Es seien interethnische Konflikte zu befürchten. Die internationale Gemeinschaft sollte die Regierungsprobleme Äthiopiens "sehr viel ernster" nehmen und eine "prinzipielle Haltung" gegenüber der Regierung einnehmen. "Ohne eine echte Mehrparteien-Demokratie werden die Spannungen und der Druck auf die äthiopische Politik nur ansteigen, und die Gefahr eines Gewaltausbruch, der das Land und die Region destabilisieren könnte, wird wachsen." [3]

Der ICG begründet seine Warnung vor ethnischen Spannungen damit, daß die Regierung neun ethnisch orientierte Bundesstaaten und zwei Stadtstaaten geschaffen habe, wodurch eine asymmetrische Föderation aus bevölkerungsreichen Bundesstaaten wie Oromiya und Amhara im zentralen Hochland und dünn besiedelten und weniger entwickelten Bundesstaaten Gambella und Somali auf eine Stufe gestellt werden.

Die Analysten der ICG wie auch andere Think Tanks anerkennen, daß die Probleme, mit denen die Regierung Äthiopiens konfrontiert ist, enorm sind: Ein hohes Bevölkerungswachstum, ethnische Differenzen, Dauerkonflikt mit seinem Nachbarn Eritrea, landwirtschaftliche Einbußen aufgrund von Dürren und Überschwemmungen, bilden Obertitel, hinter denen sich eine Vielzahl von konfliktträchtigen Spannungsmomenten verbirgt. Da sich aber die Regierung mit allen möglichen Tricks und Repressionen an der Macht zu halten versucht, kann es nicht ihr Hauptanliegen sein, die genannten vielfältigen Probleme des Landes zu lösen. Selbst wenn die Wahlen friedlich verlaufen sollten und die EPRDF den Sieg davonträgt, ist das kein Maßstab für den Grad der Zufriedenheit der Bevölkerung, sondern für den Erfolg der Maßnahmen zur Unterdrückung der Opposition.


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Anmerkungen:

[1] "Ethiopia: Ministry of Foreign Affairs Bars Embassies From Election Observation", Addis Fortune, 17. Mai 2010
http://allafrica.com/stories/201005180090.html

[2] "Ethiopia: New Election Code Sparks Furore", Inter Press Service (Johannesburg), 8. Dezember 2009
http://allafrica.com/stories/200912081080.html

[3] "Ethiopia: Ethnic Federalism and Its Discontents", Presseerklärung der International Crisis Group, 4. September 2009
http://allafrica.com/stories/200909150606.html

19. Mai 2010