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AFRIKA/2017: Erdölförderung in Ghana - Keine Umverteilung von oben nach unten (SB)


Kein zweites Nigeria!

Ghana will den "Erdölfluch" zunichte machen, aber gewiß nicht das Ende der Kapitalakkumulation einleiten


O'zapft is! In Ghana wurde diese Woche Mittwoch das erste Erdöl aus dem vor drei Jahren entdeckten Feld "Jubilee I" gefördert. [1] Rund 60 Kilometer vor der Küste bei Cape Three Points in der Western Region "stach" Präsident John Evans Atta Mills das Erdölfeld "an". Vertreter der Regierung und des Erdölkonzerns Tullow Oil Ltd. versichern unermüdlich, daß Ghana nicht in die Fußstapfen der anderen erdölexportierenden Staaten Afrikas treten und die Einnahmen nicht zur persönlichen Bereicherung weniger am Raubzug Beteiligter verwendet wird. Vielmehr werde nach dem norwegischen Vorbild ein Fonds zum Kapitalaufbau für zukünftige Generationen eingerichtet. [2]

Bei dem feierlich begangenen "Anstechen" versicherte Ghanas Präsident seinen Landsleuten und den Vertretern des Auslands: "Das ist eine von Gott geschenkte Ressource, die allen Ghanaern gehört, inklusive den noch ungeborenen Generationen. Ich habe immer gesagt, und werde es weiter sagen, dass das Geld aus dem Öl allen Ghanaern zugute kommen wird, und nicht nur ein paar wenigen." [3]

Bislang scheint sich die Regierung einigermaßen an ihre Vorsätze zu halten. Allerdings bedeutet das nicht, daß Bürgerinitiativen wie das Imani Centre in Accra und andere zivilgesellschaftliche Kräfte ihre auf Erfahrungen gestützte Skepsis ablegen sollten. Behaupten nicht auch die Regierungen Nigerias, Angolas und Äquatorial-Guineas, daß die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft dem Volk zugute kommen sollen? Oder die Regierung des Tschad? Das Land galt einmal als vorbildlich, weil unter Vermittlung der Weltbank ein Teil der Einnahmen auf ein Konto fließt, ohne daß die Regierung darauf Zugriff erlangen sollte. Als der tschadische Präsident Idriss Déby mit den ersten Geldern aus dem Ölgeschäft Waffen erwarb, diese gegen Aufständische im Norden des Landes einsetzte und einen höheren Anteil an den Öleinnahmen verlangte, zeigte sich, daß selbst zuvor abgesegnete Maßnahmen zum Umgang mit den Erdöleinnahmen umgangen werden können.

Ghanas Regierung hat im vergangenen Monat das "Ghana Petrol Revenue Management Act", das die Verwaltung der Öleinnahmen regelt, verabschiedet. Einen Verteilungsschlüssel enthält das Gesetz nicht, und die Gremiumsmitglieder werden anscheinend ausschließlich vom Präsidenten ernannt. [3] Was das für die Zukunft bedeutet, ist unsicher. Es kann Korruption verhindern, ebenso wie es sie fördern kann.

Experten schätzen das Volumen des Jubilee-Erdölfelds auf 1,8 Milliarden Barrel (1 Barrel = ca. 159 Liter). Im Juli entdeckte Tullow Oil vor der ghanaischen Küste zwei weitere Felder, was die geschätzten Ölreserven auf fünf bis sechs Milliarden Faß erhöht. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll die Ölförderung von Jubilee I von täglich 120.000 auf 250.000 Barrel gesteigert werden. Dem Staat winken allein dadurch jährliche Einnahmen zwischen 0,4 und 1 Milliarde Dollar bis zum Jahr 2030. Die Regierung wird davon 50 bis 70 Prozent unter anderem zur Verbesserung von Infrastrukturmaßnahmen verwenden, der Rest teilt sich auf in einen Staatsfonds für zukünftige Generationen und einen Stabilisierungsfonds für Krisenzeiten, falls der Erdölpreis sinkt.

Das Fördergebiet Jubilee I enthält auch große Mengen Erdgas, das mit dem Erdöl gefördert wird und zum Teil in den Meeresboden zurückgepumpt, zum Teil genutzt werden soll. So könnten pro Tag 3 Millionen Kubikmeter Gas gewonnen werden. Die bisherigen Pläne sehen vor, daß 70 Prozent des Erdgases genutzt werden. Zum einen soll eine Pipeline nach Bonyere gelegt werden, wo das Gas dann verarbeitet wird. Zum anderen wird eine Pipeline aus den Offshore-Feldern zu zwei Gaskraftwerken von je 330 MW bei Takoradi verlegt. Dort verläuft auch die 678 Kilometer lange westafrikanische Gaspipeline, über die nigerianisches Erdgas nach Benin, Togo und eben Ghana gepumpt wird. [4]

Die Erdölförderung erfordert verglichen mit anderen Industriezweigen wenige Arbeitsplätze für ungelernte Arbeiter. Die Unternehmen bringen ihre Experten in der Regel mit, das gilt auch für Ghana. So kommt es, daß durch die Erdölbranche höchstens 1500 direkte Arbeitsplätze entstehen, die von Ghanaern besetzt werden. Um die Erdölförderung herum entwickelt sich kaum Zulieferindustrie, somit ist mit keiner besonderen Förderung der übrigen ghanaischen Wirtschaft zu rechnen. Das ist einer der Gründe dafür, warum die Regierung auch die Wirtschaft gesondert fördern will. Wie bei jedem Goldrausch sind in Erwartung üppiger Einnahmen aus dem Erlös des Schwarzen Goldes die Preise für Dienstleistungen, Hoteliergewerbe, Tourismus, Inlandflüge, etc. gestiegen, was einen negativen Effekt auf die übrige Wirtschaft hat. Das wird bei aller Freude über den Aufstieg Ghanas zu einem mittleren erdölexportierenden Land gern vergessen.

Überhaupt scheint die Regierung ein ziemlich geschöntes Bild von der kommenden Erdöl- und Erdgasförderung zu zeichnen. Seit Beginn der Explorationsarbeiten in ihren traditionellen Fanggebieten verzeichnen die ghanaischen Fischer geringere Fangmengen, und die staatlich Ghana National Petroleum Corporation (GNPC) hat sich bei Erkundungsarbeiten für den Bau einer Erdgasverarbeitungsanlage in der Nähe des 2000-Einwohner-Dorfes Bonyere im Distrikt Jomoro nicht gerade durch Freundlichkeit und Transparenz ausgezeichnet. Zudem wurde Streit zwischen zwei Clans geschürt. Die NZZ resümiert:

"Die Missverständnisse und Verwirrungen, welche die GNPC in Bonyere stiftet, ergänzen das allzu widerspruchsfreie Bild, das die Regierung des National Democratic Congress (NDC) von Präsident Atta Mills von den Vorbereitungen Ghanas auf den Zufluss der Erdölmilliarden projiziert." [4]

Ghana wird ein hohes Maß an Demokratieverständnis nachgesagt. Das hat erwartungsgemäß nicht verhindert, daß sich in der Gesellschaft eine kleine reiche Oberschicht und ein breiter Sockel an Armen ausgebildet haben. Es ist nicht erkennbar, warum sich daran etwas ändern sollte, nur weil der Staat zukünftig höhere Einnahmen aus dem Erdölexport verzeichnet. Das bedeutet, daß ein Großteil der Ölgelder in die Taschen weniger fließen werden. Mit einer Umverteilung von oben nach unten ist nicht zu rechnen. Das muß nicht bedeuten, daß es in Ghana zu ähnlichen Bereicherungen kommt wie in Nigeria, Angola oder Äquatorial-Guinea. Aber wenn bis heute die Priorität der politischen Entscheidungsträger nicht darin bestand, Reichtumsanhäufung und ihr Pendant, die Entstehung von Armut, mit aller Entschiedenheit zu verhindern, wird das auch durch einen so attraktiven Anreiz, den die Erdöleinkünfte liefern, nicht geschehen.


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Anmerkungen:

[1] "Ghana: Oil Flows Today", Ghanaian Chronicle (Accra), 15. Dezember 2010
http://allafrica.com/stories/201012160131.html

[2] "Ghana will Öl-Erlöse nachhaltig investieren", epo.de, 4. Mai 2010

[3] "Die Ölförderung hat im westafrikanischen Land nun offiziell begonnen. Ghana im Erdöl-Jubel", Wiener Zeitung, 16. Dezember 2010
http://wienerzeitung.at/default.aspx?tabID=3924&alias=wzo&cob=532432

[4] "Erdölfieber in Ghana. Wie sich ein afrikanisches Dorf auf den unbekannten Segen zukünftiger Öl- und Erdgaseinkünfte vorbereitet", Neue Zürcher Zeitung, 6. November 2010
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/erdoelfieber_in_ghana_1.8285671.html

17. Dezember 2010